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Philippine Epstein (geborene Jelenkiewicz) * 1874

Holstenwall 10 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
PHILIPPINE EPSTEIN
GEB. JELENKIEWICZ
JG. 1874
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 24.11.1942

Weitere Stolpersteine in Holstenwall 10:
Julius Heinemann, Betty Heinemann

Philippine Minna Epstein, geb. Jelenkiewicz, geb. am 10.5.1874 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 24.11.1942

Holstenwall 10

Philippine Epstein, Tochter des Fabrikanten Kaskel/Lemmel Jelenkiewicz (geb. 30.6.1817 in Witkowo, gest. 7.6.1884) und Ernestine, geb. Borchardt (geb. 17.2.1832, gest. 11.11.1914), war in Hamburg in einer jüdischen Familie geboren worden. Ihre wesentlich älteren Brüder, Max Jelenkiewicz (geb. 4.6.1855, gest. 18.12.1918) und Hermann (geb. 1854, gest. 6.1.1889) waren noch in Gnesen in der damals westpreußischen Provinz Posen (heute Gniezno/Polen), der Heimatstadt ihres Vaters, zur Welt gekommen. Bei Philippines Geburt wohnten die Eltern in der ABC-Straße 15. Kaskel Jelenkiewicz gehörte etwa seit 1865 die "Mineral- und Sodawasser-Fabrik J. G. Wright, Lager von Porter und Ale" in der Fuhlentwiete 56, die im Jahre 1839 gegründet worden war. Seine Söhne Max und Hermann Jelenkiewicz traten in das väterliche Unternehmen ein.

Philippine heiratete am 24. Mai 1895 den neun Jahre älteren Leopold Epstein (geb. 3.5.1865), da wohnte sie mit ihrer bereits verwitweten Mutter in der Hallerstraße 4. Leopold Epstein, Sohn des Kaufmanns Salomon Epstein und Philippine, geb. Gassmann, stammte aus Groß Strelitz in Oberschlesien (heute Strzelce Opolskie). Er war Arzt, hatte 1891 in Leipzig seine Approbation erhalten und im Jahr darauf eine Praxis in der Wexstraße 17 eröffnet. Ihr einziges Kind, Tochter Alice, kam am 7. April 1896 in der elterlichen Wohnung in der Wexstraße 21 zur Welt. Das Ehepaar Epstein zog an den Holstenplatz 14 und von dort an den Holstenwall 10, wo Leopold Epstein bis ins hohe Alter praktizierte. Während des Ersten Weltkrieges hatte er als Stabsarzt gedient. Leopold Epstein starb am 28. Juni 1936 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.

Tochter Alice heiratete am 29. August 1919 den Diplom-Ingenieur Max Nehemias Samuel (geb. 12.12. 1887) und lebte in Altona, Palmaille 126. Ihre Schwiegereltern, der Kohlenhändler Phillipp Uri Samuel (geb. 1857, gest. 7.6.1931) und die Lehrerin Henriette, geb. Isaacsohn (geb. 28.7.1862), wohnten Palmaille 70/72.

Alices Ehemann Max Samuel hatte nach Beendigung des Realgymnasiums eine Technische Hochschule in Berlin-Charlottenburg besucht und dort 1912 seine Prüfung abgelegt. Er arbeitete als leitender Angestellter in der Holzverarbeitungsfabrik Holsatia-Werke in Ottensen, bis er dort nach 19-jähriger Tätigkeit wegen seiner jüdischen Abstammung entlassen wurde. Im Anschluss konnte er keine andere Erwerbstätigkeit mehr finden. Auch Alices und Max Samuels Sohn Kurt, der am 18. Juni 1920 in Altona geboren wurde und im Sinne seines verstorbenen Großvaters Leopold die ärztliche Laufbahn einschlagen sollte, konnte sein Medizin-Studium wegen seiner jüdischen Abstammung nicht mehr verwirklichen. Er verließ nach der Mittleren Reife, Ostern 1937, die Schlee-Oberschule in Altona und begann eine kaufmännische Ausbildung in der Exportfirma Rudolf van der Walde in der Hamburger-Altstadt, Brandsende 15/17. In der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 gerieten Kurt und sein Vater Max in Haft. Freunde, die sich um die Formalitäten zum Erhalt eines Visums für Schweden bemühten, bewirkten nach 14 Tagen ihre Entlassung aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel. Am 9. Dezember 1938 emigrierten Alice und Max Samuel mit ihrem Sohn Kurt nach Stockholm und von dort in Juni 1939 weiter nach Kanada. Ihre letzte Hamburger Adresse war im Mittelweg 122a.

Philippine Epstein, die die Vorbereitungen und die Ausreise nach Kanada finanzierte, blieb in Hamburg in der Klosterallee 26 zurück, wo sie seit dem Tod ihres Ehemannes wohnte. Am 15. November 1938 war ihr nicht ganz unerhebliches Vermögen unter "Sicherungsanordnung" gestellt worden. Nach Zahlungen von Sondersteuern, speziell für Juden erlassene Zwangsabgaben, wie die "Judenvermögensabgabe" oder auch "Sühneleistung", konnte sie nur noch mit Zustimmung der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten über ihr Sperrkonto verfügen.

Anfang 1942 teilte sie der zuständigen Behörde ihren Umzug in die Haynstraße 7 als Untermieterin des Dr. Mendel mit. Zuletzt wohnte sie im "Judenhaus" in der Bogenstraße 27.

Nachdem Philippine Epstein ihr gesamtes Vermögen für einen "Heimeinkaufsvertrag" abgetreten hatte, wurde sie am 15. Juli 1942 zusammen mit ihrer Schwägerin Rosa Jelenkiewicz, geb. Rothschild (geb. 8.3.1866), der Witwe ihres am 18. Dezember 1918 verstorbenen Bruders Max, und der Mutter ihres Schwiegersohnes, Henriette Samuel, in das "Altersgetto" nach Theresienstadt deportiert. Philippine Epstein starb am 24. November 1942 in Theresienstadt, laut der Todesfallanzeige an einem "plötzlichen Herztod".

Rosa Jelenkiewicz und Henriette Samuel wurden am 21. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. An Rosa Jelenkiewicz und ihren Sohn Karl erinnern Stolpersteine in der Alten Rabenstraße 9 (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel, Rotherbaum).

Karl Jelenkiewicz (geb. 27.6.1896), der seit September 1923 in der Landesheilanstalt Neustadt/Holstein lebte, wurde über die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn am 23. September 1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel verlegt, wo er noch am selben Tag mit Gas ermordet wurde. Seine Schwestern Lisbeth (geb. 3.10.1889), Gertrud (geb. 15.11.1891) und Margot (geb. 25.8.1899) konnten Deutschland rechtzeitig verlassen.

Der Familie von Philippine Epsteins Tochter Alice gelang in Kanada nur unter schwierigen Bedingungen ein Neubeginn. Max Samuel starb am 27. Juli 1944 an einem Herzschlag, als die Sperrholz-Fabrik, in der er wieder als Leitender Angestellter eine Beschäftigung gefunden hatte, in Flammen aufging.

Max Samuels jüngere Schwester Ida (geb. 17.4.1894), seit 1920 mit dem ungarischen Kaufmann Siegmund Lebovics (geb. 3.2.1887) verheiratet, wurde mit ihrer Familie Ende 1939 als ungarische Staatsbürgerin des Landes verwiesen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Ungarn am 2. Juni 1944 wurde sie mit ihren Kindern Heinz (geb. 14.1.1927) und Lotte (geb. 2.12.1925), ihrem Schwiegersohn Adalbert Schägerin (geb. 19.2.1908) und Enkeltochter Susanna (geb. 15.12.1943) von Újpest, (Neu-Pest) aus dem IV. Bezirk der ungarischen Hauptstadt Budapest nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Die ältere Schwester Hertha (geb. 1.12.1886) und ihr Ehemann Siegfried Meyer (geb. 15.11.1876) überlebten die Shoah. Ihnen war es gelungen, Ende August 1939 über Holland nach Rio de Janeiro zu emigrieren. Der Sohn Adolf Meyer (geb. 12.11.1910) wurde am 9. Juli 1943 in Sobibor ermordet, Tochter Ilse Meyer (geb. 8.12.1918) starb am 30. September 1942 in Auschwitz.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 3; 5; StaH 351-11 AfW 18438 (Marcus, Alice); StaH 351-11 AfW 34772 (Samuel, Kurt); StaH 351-11 AfW 749 (Samuel, Henriette); StaH 351-11 AfW 1027 (Jelenkiewicz, Rosa); StaH 351-11 AfW 3189 (Meyer, Siegfried); StaH 314-15 OFP, R 1938/3217; StaH 351-11 AfW 8996 (Lebovits, Siegmund); StaH 332-5 Standesämter 8571 u 212/1895; StaH 332-5 Standesämter 2401 u 1294/1896; StaH 332-5 Standesämter 9769 u 426/1918; StaH 332-5 Standesämter 8024 u 620/1914; StaH 332-5 Standesämter 6050 u 458/1920; StaH 332-5 Standesämter 7838 u 26/1889; StaH 332-7 B III 66627; StaH 322 Jüdische Gemeinde Abl. 1993 Ordner 10 Heimeinkaufsverträge Theresienstadt; StaH 352-13 Karteikarten jüdicher Ärzte Nr. 14; Nationalarchiv in Prag/Theresienstädter Initiative, Jüdische Matriken, Todesfallanzeigen Theresienstadt (Philippine Epstein); Villiez: Kraft, S. 263; Rönn: Langenhorn, S. 70f.; Hamburger Adressbücher 1882, 1884, 1890, 1896.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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