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Clara Feldberg, geb. Löwenstein
© Privatbesitz

Clara Feldberg (geborene Löwenstein) * 1870

Rondeel 41 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
CLARA FELDBERG
GEB. LÖWENSTEIN
JG. 1870
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
25.10.1941

Clara Feldberg, geb. Löwenstein, geb. 9.4.1870 in Witten/Ruhr, Suizid am 25.10.1941 in Hamburg

Zweite, überarbeitete Fassung, Juli 2012

Clara Feldberg wurde 1870 in Witten an der Ruhr als eines von sieben Kindern des Kaufmanns und Synagogendieners Ascher Löwenstein (1825–1908) und seiner Frau Mathilde, geb. Kohlberg, geboren. Die Familie wohnte in der Bahnhofstraße 14. Im September 1892 heiratete Clara Löwenstein in Witten den Hamburger Kaufmann Seelig (Sally) Feldberg (geb. 15.4.1857 in Sageritz, Kreis Stolp/Hinterpommern) und zog mit ihm nach Hamburg. 1893 wurde hier der Sohn Carl geboren, 1894 und 1901 folgten die Töchter Hilde und Alice. Mindestens seit 1912 war die Familie Mitglied in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg und im religiös-liberalen Tempelverein.

Sally Feldberg war 1888 von Stettin nach Hamburg gezogen und gründete im selben Jahr zusammen mit seinem Bruder Emil Feldberg (geb. 24.4.1859 in Sageritz) die Firma "Gebrüder Feldberg" (Damen-Konfektion) in der Rathausstraße 21. Das gut gehende Geschäft ermöglichte den Inhabern schon nach einigen Jahren die Anmietung weiterer Räume. Zehn Jahre nach Firmengründung erwarben sie das Eckhaus Rathausstraße 14/Knochenhauerstraße 1. Ab Juni 1912 besaßen sie auch das Eckgrundstück Nr. 15–19 in der gerade neu angelegten Mönckebergstraße. In einer Selbstdarstellung der Firma um das Jahr 1930 hieß es: "Am 6. September 1928 bezog die Firma neue, nach modernsten Gesichtspunkten umgebaute Räume in der Mönckebergstraße 15/17. Auch hier hat das Geschäft, das nach wie vor als einziges Geschäft Deutschlands nur Damenmäntel, Pelze und Kostüme führt und wohl als das größte Spezialhaus Deutschlands für Damenmäntel bezeichnet werden kann, die Erwartungen, die in den Umzug gesetzt wurden, weitaus übertroffen."

Die Familie von Clara und Sally Feldberg lebte von 1896 bis 1898 im Grindelhof 3/4 (Rotherbaum) und von 1900 bis 1904 im Grindelhof 19. Anschließend verzog sie in die Werderstraße 65 (Harvestehude) und wohnte ab 1910 in dem Haus Frauenthal 11 (Harvestehude), das sie erworben hatte. Mit kombinierter Backstein-Putzfassade und säulengeschmückter Veranda entsprach es dem traditionellen Typ bürgerlicher Stadthäuser. In direkter Nähe wohnte der Bruder und Geschäftspartner Emil Feldberg mit seiner Familie: von 1895 bis 1900 in der Schlüterstraße 12 (Rotherbaum) und von 1904 bis 1911 in der Oberstraße 109 (Harvestehude).

1914 starb Emil Feldberg, und Sally Feldberg führte die erfolgreiche Firma als alleiniger Firmeninhaber weiter. Nach dem Tod von Sally Feldberg im Jahre 1920 trat der bisherige Geschäftsführer Hermann Goldmann als Mitinhaber in die Firma ein, im Januar 1927 folgte Alexander Feldberg (geb. 1899 in Hamburg), der Sohn von Emil Feldberg. Beide Firmeninhaber engagierten sich in der Jüdischen Gemeinde und unterstützten 1930 bei der Wahl des Repräsentanten-Kollegiums die Religiös-Liberale Liste. Alexander Feldberg emigrierte im Oktober 1938 zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Margaretha geb. Lissner, dem gemeinsamen zweijährigen Sohn und dem Kindermädchen Ilse Neugarten nach Montevideo/ Uruguay; 1939 zogen sie nach Buenos Aires/ Argentinien. Im Juni 1940 wurde Alexander Feldberg von den NS-Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Auch die Geschwister von Alexander Feldberg (1899-1977) emigrierten: Dr. Wilhelm Feldberg (1900- ca. 1990), Assistent am Physiologischen Institut der Universität Berlin reiste im April 1936 mit Ehefrau, zwei Kindern und Kinderfräulein nach Melbourne/ Australien und 1938 weiter nach Cambridge/ Großbritannien; die Malerin Lore Feldberg Eber (1895-1966) folgte Ende 1938 mit einem Zwei-Wochen-Besuchsvisum nach Cambridge.

Clara Feldbergs jüngere Tochter Alice Lasch geb. Feldberg hatte im Februar 1924 den Kaufmann Herbert Lasch geheiratet, der u.a. von 1912 bis 1914 in Buenos Aires bei der Deutsch-Südamerikanischen Bank gearbeitet hatte. Die Eheleute emigrierten 1939 mit ihren beiden Söhnen von Hamburg-Alsterdorf (Inselstraße 22) nach Chile. Die ältere Tochter Hilde Frank-Kindler geb. Feldberg (1894-1945) gelang die Ausreise ca. 1939/40 durch die Heirat mit einem Schweizer, ihre beiden Kinder aus erster Ehe durften aber nicht einreisen. Beide wurden bei einer jüdischen Pflegefamilie in Berlin untergebracht: Anita Frank (geb. 9.7.1921 in Leipzig) wurde im Juni 1943 von Berlin aus ins Getto Theresienstadt und im Oktober 1944 weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, sie starb im April 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen; Reinhard Frank überlebte das KZ, sah seine Mutter aber nicht wieder, die am 1. August 1945 starb.

Die Witwe Clara Feldberg behielt die Anteile ihres verstorbenen Mannes an dem Geschäft sowie an den verschiedenen Immobilien in der Hamburger Innenstadt. Im Mai 1936 starb ihr Sohn Dr. Carl Feldberg, der ebenfalls in dem Familienunternehmen tätig gewesen war. Im Oktober 1936 zog Clara Feldberg in den 1. Stock der 1895 von den bekannten Architekten Lundt & Kallmorgen für Bankier Max Magnus entworfenen Villa am Rondeel 41, die 1931 in ein "Großwohnhaus" mit vier Wohnungen umgebaut worden war.

Wirtschaftlicher und politischer Druck der NS-Machthaber sorgten dafür, dass die Firma Gebrüder Feldberg an "arische" Eigentümer veräußert werden musste. Am 17. Mai 1938 erwarb die Firma Eichmeyer & Co. (Inhaber Heinrich Eichmeyer) das renommierte Geschäft inklusive des Gebäudes in der Mönckebergstraße. Der Schriftzug "Gebr. Feldberg" verschwand von der Fassade. In den späteren Akten des Amtes für Wiedergutmachung liest sich die "Arisierung" wie ein ganz legaler Eigentümerwechsel: "Der Kaufpreis (der Gebäude) wurde teils dadurch berichtigt, daß die Firma Eichmeyer Kommanditgesellschaft auf den Grundstücken lastende Hypotheken übernahm, teils einen Betrag an die Commerz- und Privatbank AG als Treuhänder mit der Massgabe zahlte, dass diese, nachdem die fälligen Reichsfluchtsteuerbeträge, Judenvermögensabgaben, Abgaben an den Jüdischen Religionsverband sowie sämtliche mit dem Verkauf verbundene Gebühren, Steuern, Abgaben, Provisionen, Auslagen usw. von ihr bezahlt sind, den verbleibenden Betrag nach Aufgabe der Verkäufer an die von der Devisenstelle bestimmten Konten abführt."

Auf die Details der Vertragsgestaltung hatte der NSDAP-Gauwirtschaftsberater von Hamburg direkt Einfluss genommen. Schriftlich wurden Änderungen zu Lasten der jüdischen Firmeninhaber diktiert: "§7 – Die Umsatzsteuer hat der Verkäufer zu zahlen. §8 Ziffer 2 – Der Verkäufer darf zur Einarbeitung des neuen Inhabers längstens bis zum 1. Oktober 1938 im Geschäft tätig sein. Der im Nachtrag zum Kaufvertrag vom 17. Mai 1938 getroffenen Vereinbarung (Ziffer 2), dass der bisherige Prokurist Herr Franken bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im Geschäft tätig sein darf, kann nicht zugestimmt werden." Karl Franken (geb. 1908) konnte vermutlich im Februar 1939 nach Brasilien emigrieren.

Für die jüdischen Angestellten bedeutete der Zwangsverkauf der Firma automatisch den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Im Falle der Firma Gebrüder Feldberg wurde den Beschäftigten sogar eine Abfindung gezahlt, was eher ungewöhnlich war. Der Eintrag im Fernsprechbuch von 1939 (Stand Dezember 1938) lautete bereits auf "Eichmeyer & Co. vorm. Gebrüder Feldberg, Spezialgesch. f. Damenmäntel, Kostüme u. Pelze, Hmb 1, Mönckebergstr. 15". Die Jahreseinnahmen von Heinrich Eichmeyer (Jg. 1892), der zuvor 15 Jahre Geschäftsleiter der Rudolf Karstadt A. G. in Wandsbek und Lübeck gewesen war, schnellten durch die Übernahme der Firma Gebrüder Feldberg auf das achtfache seines vorherigen Gehalts.

Clara Feldberg war im Fernsprechbuch von 1939 noch mit dem Eintrag "Feldberg, Clara, Ww. Hmb 39, Rondeel 41" vertreten. Nach der Erfassung und Bewertung jüdischen Vermögens wurden speziell für Juden Sonderabgaben erlassen, wie die "Judenvermögensabgabe", eine verdoppelte Hauszinssteuer, hohe Zwangszahlungen an den Jüdischen Religionsverband und die Entziehung bzw. erzwungene Ablieferung von Gold- und Silbergegenständen sowie Schmuck. Diese pseudo-legalen Instrumente eines kalkulierten staatlichen Raubes wurden auch auf Clara Feldberg angewandt. Allein durch die "Judenvermögensabgabe" bereicherte sich der NS-Staat mit 190.000 Reichsmark an Clara Feldbergs Vermögen

Am 23. Oktober 1941 fand die Hausangestellte Erna Juhnke (geb. 1904), die schon seit 1923 im Hause Feldberg tätig war, Clara Feldberg ohne Bewusstsein in ihrem Bett vor. Auf dem Nachttisch lagen leere Schlaftablettenröhren und ein Abschiedsbrief, adressiert an Erna Juhnke:

"Liebe Erna. Seien Sie meines innigen Dankes für Ihre Treue unbedingt überzeugt. Ich kann nun dem weiteren Geschehen nicht mehr standhalten. Erfüllen Sie zu meiner Beruhigung Ihr Versprechen und stehen meinen Enkeln und Frau Kindler so weit wie möglich zur Seite. Ein letzter inniger Gruß. Ihre Frau Feldberg."

Es ist zu vermuten, dass Clara Feldberg entweder selbst einen Deportationsbefehl erhalten hatte, oder aber dies befürchtete. Mit ihrem Suizid entschied sie sich, den Weg nicht zu gehen. Der jüdische Arzt Dr. Hermann Bohm (1869-1953) in der Grindelallee 126/128 wurde sofort telefonisch informiert. Er ordnete, entgegen den geltenden Vorschriften, keinen Transport ins Krankenhaus an. Damit respektierte er die Entscheidung seiner 71-jährigen Patientin und machte sich sogar strafbar. Am 25. Oktober 1941, dem Tage der ersten Deportationen von Hamburg nach Lodz, starb Clara Feldberg in ihrer Wohnung Rondeel 41. Die Leiche wurde zur Obduktion ins Hafenkrankenhaus überführt. Der "Beerdigungsübernehmer" Georg Wolff (Heinrich-Barth-Straße 8) kümmerte sich um die Beisetzung im Familiengrab auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf.

Der Arzt Hermann Bohm wurde am 19. Juli 1942 mit seiner Ehefrau ins Getto Theresienstadt deportiert; er überlebte und emigrierte in die USA.

Wilhelm Feldberg lehrte als Professor für Neuro-Physiologie (Schwerpunkt Zentralnervensystem) an der Universität Cambridge; aus Geldern der Rückerstattung für das ihm geraubte Vermögen in Deutschland soll er den Austausch von britischen und deutschen Jugendlichen gefördert haben.

Alexander Feldberg starb 1977, er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf im Familiengrab beigesetzt.


© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 504 Band 1 (Alexander Feldberg); StaH 314-15 (OFP), Strafverfahren 476 wegen abweichender Angaben auf den Umzugslisten (Alexander Feldberg); StaH 331-5 (Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle), Akte 1941, Nr.1873 (Clara Feldberg); StaH 333-1/1 (Hamburger Feuerkasse), Bestand Hauptbuch Altstadt-Nord II 10, Band II Teil 1 (Mönckebergstraße 15, 17, 19 – ab 15.6. 1912); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 090470/alt (Clara Feldberg), StaH 351-11 (AfW), 22687 (Alexander Feldberg), StaH 351-11 (AfW), 23494 (Dr. Wilhelm Feldberg); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), Kultussteuerkarten (Sally/Clara Feldberg, Karl Gustav Feldberg, Emil Daniel Feldberg, Dr. Wilhelm Feldberg, Alexander Max Feldberg); StaH 741-4 (Alte Einwohnermeldekartei), Seelig Feldberg; StaH 221-11 (Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung), C 8533; Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung, Rondeel 41; Hamburger Abendblatt 24.7.2002; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv (Eichmeyer KG), 1939–1966; Stadtarchiv Witten/Ruhr: Auskunft vom 10.4.2007; Gräber-Kartei des Jüdischen Friedhofs Ohlsdorf; Adressbuch Hamburg 1896, 1898, 1904, 1922, 1936; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1895–1933, 1938, 1939; Hamburger Börsenfirmen 34. Auflage, Hamburg Februar 1933, S. 224; Das Buch der alten Firmen der Freien und Hansestadt Hamburg, Leipzig ca. um 1930, S. XI 10; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933–1945, 2. Auflage, Hamburg 1998, S.240 (Fußnote), 265 (Gebrüder Feldberg); Maike Bruhns, Geflohen aus Deutschland – Hamburger Künstler im Exil 1933-1945, Bremen 2007, S.106-107 (Lore Feldberg-Eber); Ina Lorenz, Die Juden in Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik, Band 1, Hamburg 1987, S.236 (Hermann Goldmann, Alexander Feldberg); Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt. Entrechtung und Verfolgung "nicht arischer" Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945, Göttingen 2009, S.230/231 (Hermann Bohm); Gedenkbuch Koblenz – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschsaft in Deutschland 1933-1945 (Anita Frank); Informationen von M. L., 2012.

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