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Johanna Fränkel (geborene Bleier) * 1889

Isestraße 123 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Auschwitz
ermordet

Johanna Fränkel, geb. Bleier, geb. 4.5.1889 in Hamburg, am 11.7.1942 deportiert nach Auschwitz

Im März 1933 wurde Johanna Fränkel, noch keine 44 Jahre alt, Witwe. Ihr Ehemann, Dr. Ludwig Fränkel, hatte eine gut gehende Rechtsanwaltskanzlei am Großen Burstah unterhalten. Er nahm aktiv am Leben der Jüdischen Gemeinde teil. 1930 kandidierte er auf der Liste der Liberalen für das Repräsentantenkollegium.
Im April 1914 war der Sohn Otto zur Welt gekommen. Die Familie wohnte in der Isestraße 123, im selben Haus wie der renommierte Völkerrechtler und Rektor der Universität Hamburg, Rudolf Laun.

Wie lange Johanna Fränkel noch mit ihrem Sohn in der Isestraße wohnte, konnten wir nicht herausfinden. Im Oktober 1936 hieß es in der Kultussteuerkartei über Otto Fränkel "Verzug ins Ausland", wohin, ist nicht vermerkt. Vielleicht war das der Zeitpunkt, an dem Johanna Fränkel in den Harvestehuder Weg 81 zog. Dies ist die Adresse, die ihr Rechts­anwalt, "Konsulent" Morris Samson 1939 im Schriftverkehr mit der Oberfinanzdirektion angab. Er war ihr ein zuverlässiger Helfer in den Jahren zunehmender Entbehrung und Verfolgung.

Am Harvestehuder Weg konnte Johanna Fränkel noch einige Jahre ihren gehobenen Lebensstandard aufrechterhalten und eine Hausangestellte beschäftigen. Außerdem sorgte sie für ihre Schwester Helene, die wegen geistiger und körperlicher Gebrechlichkeit entmündigt war. Im April 1939 wurde die "Sicherheitsanordnung" für Johanna Fränkels Vermögen erlassen: Sie plante, nach England auszuwandern. Alle nötigen Bescheinigungen hatte sie beisammen und hielt das Einwanderungs-Permit nach England in Händen. Wir können annehmen, dass ihr Sohn dort lebte. Am 18. Juli 1939 erteilte sie einen Transportauftrag für Umzugsgut nach London. Offenbar reichten die sechs Wochen bis zum Kriegsbeginn nicht aus, um alles abzuwickeln. Am 23. September musste ihr "Konsulent" der Oberfinanzdirektion mitteilen, "dass vorerst mit der Betreibung des Auswanderer-Verfahrens nicht zu rechnen ist. Frau F. hatte ein Permit für England, das aber infolge Ausbruchs des Krieges hinfällig geworden ist." Die Möbel und diverse Kisten mit Haushaltsgegenständen waren seit Anfang September bei einer Spedition eingelagert.

Die Summe, die Johanna Fränkel monatlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts von ihrem Sperrkonto abheben durfte, war auf 500 RM zusammengestrichen worden.

Am 31. Oktober 1939 gab Johanna Fränkel den eigenen Haushalt auf und zog wieder in die Isestraße, diesmal in das Haus Nr. 67, wo sie zwei leere Zimmer mieten konnte und mit Mittagessen versorgt wurde. Ihre eigenen Möbel und auch ihren Flügel brachte sie mit. Die langjährige Hausangestellte musste sie entlassen.

Obwohl ihre Gesundheit inzwischen angegriffen war, bereitete sie sich seit Juni 1941 wieder auf eine Emigration vor, diesmal nach Kuba. Sie nahm Sprachunterricht, zu dessen Finanzierung sie sogar regelmäßig einen zusätzlichen Betrag von der Oberfinanzdirektion genehmigt bekam. Außerdem nahm sie Unterricht in Kosmetik und Maschine schreiben, um in der neuen Heimat einen Beruf ausüben zu können.

Während noch am 20. Oktober 1941 in ihrer Auswanderungsakte festgehalten wurde, die Oberfinanzdirektion habe keine Einwände gegen die notwendige "Unbedenklichkeitsbescheinigung", wurde am 23. Oktober 1941 allen Juden die Auswanderung verboten. Zwei Tage später hätte sie sich zum Transport nach Lodz melden müssen, wurde aber im letzten Augenblick von der Deportationsliste gestrichen.

Im März 1942 musste Johanna Fränkel ins "Judenhaus" Parkallee 75 umziehen. Dorthin konnte sie ihren Flügel nicht mehr mitnehmen und überließ ihn dem Jüdischen Gemeinschaftshaus. 75 RM wurden ihr als Umzugskosten genehmigt, die monatliche Verfügungssumme auf 275 RM gekürzt. Nach gut drei Monaten kam sie auf einen Transport nach Auschwitz. Ihr Name stand mit der Berufsangabe "Arbeiterin" auf der "Nachtragsliste". Wann sie in Auschwitz ermordet wurde, ist nicht bekannt.

Nach dem Krieg vertrat Rechtsanwalt Samson, der mit den Vermögensverhältnissen von Johanna Fränkel wohl vertraut war, deren Sohn im Wiedergutmachungsverfahren. Das beträchtliche Vermögen war sofort nach ihrer Deportation "zu Gunsten des Deutschen Reiches" eingezogen worden.

Leider war die Wiedergutmachungsakte nicht verfügbar, sodass wir nichts aus der Perspektive des Sohnes über die Lebensumstände seiner Mutter erfahren konnten.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 2; StaH, 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 2, Bd.1 und Bd. 4; Gemeindeblatt der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg, 6. Jg. 1930, Nr. 3, 14. März.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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