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Alba Anna Franzius (geborene Silbiger) * 1879
Geffckenstraße 30 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
HIER WOHNTE
ALBA ANNA
FRANZIUS
GEB. SILBIGER
JG. 1879
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
12.12.1941
Alba Franzius, geb. Silbiger, geb. 26.1.1879 in Wien, Flucht in den Tod am 12.12.1941
Geffckenstraße 30, Eimsbüttel
"Bitte bewahren Sie mich vor dem Äußersten!" Alba Anna Adele Franzius schrieb diese Zeilen am 18. November 1941 an den Reichsstatthalter von Hamburg und meinte damit ihre befürchtete Deportation.
Wer war diese Frau? Alba war am 26. Januar 1879 als Kind der jüdischen Eheleute Adolf Silbiger und Alexandrine, geb. Servi, als ältestes von vier Mädchen geboren worden. Ihr folgte Manuella am 3.1.1882, Felicia am 3.10.1883 und schließlich Edith am 4.4.1885. Alle Kinder wurden in Wien geboren. Über Albas Kindheit, Jugend und Ausbildung wissen wir – ebenso wie über die ihrer Schwestern – nichts.
Ihr Vater Adolf Silbiger wurde am 13.11.1905, ihre Mutter Alexandrine am 9.6.1910 auf dem jüdischen Zentralfriedhof in Wien beigesetzt.
Alba hatte ihren Mann Johann Albrecht Franzius in Durban/Südafrika geheiratet. Ob sich das Ehepaar in Deutschland oder in Indien kennenlernte, ist nicht bekannt. Es liegt auch kein gesichertes Datum für die Heirat vor. Auf der Sterbeurkunde ist der 28. Januar 1904 vermerkt, auf der Karteikarte des Einwohnermeldeamtes in Bremen steht der 28. Februar 1903.
Johann Albrecht Franzius war als siebtes von insgesamt neun Kindern der nichtjüdischen Eheleute Folkmar Rudolph Stephan Franzius und Antoinette Dorothea Emilie Auguste, geb. Meyer, in Norden am 15.4.1871 geboren worden. Sein Vater arbeitete als Rechtsanwalt und Notar und bekleidete das Amt eines Senators.
Offensichtlich lebte Johann Franzius in Indien. Vom 30.7. bis zum 12.8.1902 ließ er sich jedoch im Allgemeinen Krankenhaus auf Norderney aus uns unbekannten Gründen behandeln. Anschließend reiste er mit Alba zusammen nach Indien zurück, wo die beiden heirateten. Die Ehe blieb kinderlos.
Albas Mann arbeitete als Kaufmann in Indien im Getreidehandel. Während des Indienaufenthalts bat er seinen Bruder Edmund Friedrich August Franzius in Hamburg das Haus in der Geffckenstraße 30 zu kaufen, um dort den Lebensabend zu verbringen. Dieser Bruder war Justizrat und Notar. Er erwarb das Haus für 45.000 RM. Als das Ehepaar Franzius aus Indien zurückkehrte, lebte es in Wiesbaden und Bremen.
Johann Albrecht Franzius arbeitete nun bei der Dampfschifffahrtsgesellschaft "Hansa" in Bremen. Deshalb hielt sich das Ehepaar dort vom 21.8.1914 bis zum 8.4.1915, vom 8.2.1921 bis zum 1.9.1921, vom 4.10.1922 bis zum 28.10.1922 und vom 1.4.1930 bis zum 31.3.1937 auf. Zum letzten Datum war Alba bereits verwitwet, ihr Mann verstarb am 11. November 1936 in Wiesbaden und wurde in Bremen beigesetzt. Nach seinem Tod zog Alba nach Hamburg in ihr Haus in der Geffckenstraße 30.
Alba schrieb den bereits oben angeführten Satz in ihrem Brief an den Hamburger Reichsstatthalter und NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann. Sie führte aus, dass sie mit ihrem Mann in Kalkutta ein sehr gastfreundschaftliches Haus geführt und sich dort erkrankter Deutscher angenommen habe. Sie habe sich nie jüdisch gefühlt und sei als "Mischling ersten Grades" anzusehen, denn ihre Mutter sei Katholikin und ihr Vater Jude gewesen. Dass sie in diesem Brief die Religion der Eltern verwechselte, hatte keine Auswirkung: Der NS-Staat stufte Alba als Jüdin ein und die Gestapo fotografierte sie als solche.
Bis dahin hatte die Mischehe Alba vor den antijüdischen Maßnahmen geschützt, doch durch den Tod ihres "arischen" Ehemannes erlosch dieser Schutz nun. Die Judenvermögensabgabe, die sie in fünf Raten zu je 2.350 RM alle drei Monate leisten musste, trieb sie schließlich in den finanziellen Ruin. Um sich über Wasser halten zu können, veräußerte sie nach und nach wertvolle Gegenstände, die das Ehepaar bei vielen Auslandsaufenthalten erworben hatte. Nicht einmal die geringen Beiträge an den Jüdischen Religionsverband konnte sie noch leisten und bat oft um Stundung.
Sie besaß jedoch noch das Haus in der Geffckenstraße mit mehreren Zimmern. So bemühte sie sich, Mieter zu finden, was für sie als Jüdin fast unmöglich war. Die 5. Rate der "Judenvermögensabgabe" war mittlerweile fällig geworden. Das Bankhaus Robert Götz setzte Alba Franzius unter großen Druck, indem es schrieb, "sie solle sich das Geld von einer jüdischen Seite besorgen". Da sie keine weiteren Vermögenswerte mehr besaß, musste sie das Haus verkaufen. Für 30.540 RM ging es weit unter Wert an den neuen Besitzer.
Auch die Maklergebühren in Höhe von 300 RM musste sie übernehmen. Den Erlös hatte der Käufer auf ein Sperrkonto beim Bankhaus Robert Götz einzuzahlen. Eine "Sicherungsanordnung" hinderte Alba Franzius, darüber zu verfügen. Sie durfte lediglich den gestatteten Freibetrag von 350 RM von ihrem Geld verbrauchen. Auch ihre Rente, die sie durch ihren Mann Johann Albrecht erhielt, in Höhe von 330 RM, floss auf dieses gesperrte Konto. Inzwischen benötigte sie aufgrund ihres verschlechterten Gesundheitszustandes wesentlich mehr Geld für Medikamente, sodass sie finanzielle Not litt.
Am 18. November 1941 schrieb sie das oben erwähnte Gesuch. Sie hatte mit der Post eine Räumungsklage zum 30. November 1941 für ihr Haus erhalten und kam diesem Ultimatum schweren Herzens nach. Sie musste dann in das "Judenhaus" Papenhuder Straße 53–55 umziehen. Hier wurde den Bewohnern max. 6 qm² Wohnfläche zugestanden.
Diese für sie unerträgliche Lebenssituation konnte Alba Franzius nicht durchhalten.
So verübte sie im "Judenhaus" in der Papenhuder Straße am Freitag den 11. Dezember 1941 mit Schlafmitteln Suizid und verstarb am nächsten Tag im jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee.
Davon wohl noch nicht unterrichtet, erwirkte der Rechtsanwalt des Käufers Herr Floerke am 15. Dezember 1941, drei Tage nach ihrem Freitod, eine Räumungsklage für ihr Haus in der Geffckenstraße.
Enno Franzius, ihr Neffe, veranlasste, dass Alba Franzius‘ sterbliche Überreste am 14. April 1942 neben ihrem Mann auf dem nichtjüdischen Riendsberger Friedhof in Bremen beigesetztwurden.
Das Bankhaus Robert Görtz zeigt am 12. Mai 1942 an: "Da die Depotinhaberin verstorben ist und ihre Erben nicht Juden sind, unterliegt das Depot nicht mehr der Anbietungspflicht."
Stand: Januar 2019
© Bärbel Klein
Quellen: StaH, 1; 4; 8; 213-13_9439; 351-11_38807; 621-1/84_7UA1; 522-1_ 992b;331-5_428/1942; 332-5_8174;332-5_1829/1936; 332-5_444/1941; 741-4_K6087; 741-4_K4426; Einwohnermeldeamt Bremen, Zusendung der Karteikarte 12.12.2017; Stadtarchiv Wiesbaden, Sterbeurkunde Johann Albrecht Franzius am 12.12.2017; Geburtsurkunden aus Wien RGNR195/1882; RGNR 450/1883; RGNR 617/1885; RGNR 2267/1889; Einsicht beim Amtsgericht ins Grundbuch am 18.12.2018.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".