Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Etti Frenkel * 1936
Bartelsstraße 9 (Altona, Sternschanze)
HIER WOHNTE
ETTI FRENKEL
JG. 1936
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
ERMORDET IM
BESETZTEN POLEN
Weitere Stolpersteine in Bartelsstraße 9:
Charlotte Frenkel, Pinkus Frenkel, Vera Frenkel
Charlotte Frenkel, geb. Tugendhaft, geb. am 21.7.1907 in Hamburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Bentschen/Zbaszyn, ermordet im besetzten Polen
Etti Frenkel, geb. am 6.5.1936 in Hamburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Bentschen/Zbaszyn, ermordet im besetzten Polen
Pinkus Frenkel, geb. am 12.5.1903 in Olkusz, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Bentschen/Zbaszyn, überlebte
Vera Frenkel, geb. am 2.2.1938 in Hamburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Bentschen/Zbaszyn, ermordet im besetzten Polen
Bartelsstraße 7/11
Vor dem Haus in der Bartelsstraße 7/11 liegen vier Stolpersteine, die an die jüdische Familie Frenkel erinnern, die am 28. Oktober 1938 nach Polen abgeschoben wurde, da sie polnischer Herkunft war. Im Gegensatz zu der Inschrift auf seinem Stolperstein wurde Pinkus Frenkel allerdings nicht, wie seine Frau Charlotte und die beiden Kinder Etti und Vera im besetzten Polen ermordet, sondern überlebte den Holocaust in England.
Pinkus Frenkel war am 12. Mai 1903 in Olkusz, einer Stadt zwischen Krakau und Katowice geboren worden. Seine Eltern Isaak Frenkel (geb. 6.7.1877 in Olkusz) und Regina/Ryfka, geb. Felsenstein (geb. 24.9.1874 in Pilica), hatten am 6. August 1897 in Polen geheiratet. Ihre sechs Kinder, neben Pinkus die Söhne Max (geb. 10.3.1889), Leo Juda/Laib (geb. 16.1.1906) und Heinrich/Chemja (geb. 25.12.1912), sowie die Töchter Frieda Firma/Frymeta (geb. 22.9.1908) und Lina/Laja (geb. 11.3.1915), kamen ebenfalls in Olkusz zur Welt. Die Familie besaß die polnische Staatsangehörigkeit.
Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges ließen sie sich 1914 in Altona nieder. Zunächst in der Paralellstraße 15 (noch mit dem Nachnamen Fränkel), dann in der Sommerhuder Straße 31 und zuletzt in der General-Litzmann-Straße 95 (heute Stresemannstraße). Isaak Frenkel wurde in der Rohproduktion tätig und belieferte die Kleiderstoffindustrie mit Lumpen, Säcke und Wolle. Nach dem Ersten Weltkrieg handelte er mit Fellen, die er von den Schlachthöfen und Großhändlern bezog und an Gerbereien und Lederfabriken weiterverkaufte.
Nach eigenen Angaben war Pinkus Frenkel seinen Eltern erst im Jahre 1916 nach Deutschland gefolgt. Er besuchte in Hamburg die Talmud Tora Schule im Grindelviertel und begann 1921 eine 3jährige kaufmännische Ausbildung in einem Öl-, Benzin-, Teer- und Farbenhandel. 1930 machte er sich unter dem Firmennamen Frenkel & Sohn in der Deichstraße 42 mit einem Großhandel für Teerprodukte, Ölfarben und Lacke selbstständig. Seine Mutter Regina Frenkel war bis Februar 1936 Mitinhaberin.
Am 13. August 1935 heiratete Pinkus Frenkel Charlotte Tugendhaft. Sie war am 21. Juni 1907 in der Marcustraße 9 (heute Markustraße) in der Hamburg Neustadt geboren worden. Ihre Eltern Isaac Tugendhaft (geb. 15.10.1876 in Sieniawa) und Ida, geb. Eller (geb. 23.3.1880), waren ebenfalls Juden mit polnischer Herkunft. Charlottes ältere Bruder Max Tugendhaft (geb. 4.10.1905, gest. 28.2.1983) war noch in der polnischen Stadt Sieniawa im Karpatenvorland zur Welt gekommen, der jüngere Alfred (geb. 19.5.1904) bereits in Hamburg. Der Vater Isaac Tugendhaft war Kaufmann. 1914 zog Familie Tugendhaft, wie viele der jüdischen Familien, in eine "bessere Wohngegend" in die Rappstraße 8 ins neu bebaute Grindelviertel und eröffnete in der Rappstraße 4 eine Geflügelhandlung. Sie zogen später noch dreimal um, in die Heinrich-Barth-Straße 10 und in die Bornstraße 1. Zuletzt waren sie in der Grindelallee 176 gemeldet.
Pinkus und Charlotte Frenkel zogen nach der Eheschließung in die Bartelstraße 7/11. Die Wohnung, in der jetzt auch die Firma betrieben wurde, hatte Charlottes Vater Isaac Tugendhaft für das junge Paar eingerichtet. Charlotte Frenkel, die eine kaufmännische Ausbildung erhalten hatte, arbeitete in der Firma mit und besaß, wie ihr Schwager Heinrich Frenkel, der ebenfalls in der Firma beschäftigt war, eine Vollmacht.
Zwei Kinder wurden geboren, Etti am 6. Mai 1936 und Vera am 2. Februar 1938. Familie Frenkel nahm aktiv am Leben der Jüdischen Gemeinde teil. Erste wirtschaftliche Einbußen erlebten sie im Jahre 1936, nachdem verschiedene Lieferanten und Kunden keine Geschäfte mehr mit jüdischen Firmeninhabern abschließen wollten. Im darauffolgenden Jahr wurde Pinkus Frenkel die "Reiselegitimationskarte" nicht mehr ausgestellt. Aus der Handelskammerakte ging hervor, dass bereits 1936 Auskünfte über die "rassische Zugehörigkeit" des Firmeninhabers eingeholt worden waren.
Regina Frenkel, Pinkus' Mutter erkrankte an Krebs und verstarb am 28. Januar 1938. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Bornkampsweg in Bahrenfeld beerdigt.
Am 26. März 1938 wurde Pinkus' Vater Isaak Frenkel mit anderen jüdischen Rohprodukten Händlern von der Gestapo verhaftet und ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel verbracht. Mit der Verpflichtung sich nicht mehr in dieser Branche zu betätigen, wurde er am 6. April 1938 wieder entlassen.
Wie oben erwähnt, wurden Pinkus und Charlotte Frenkel mit ihren Kindern am 28. Oktober 1938 nach Polen ausgewiesen. Sie hatten nach einer Verfügung der polnischen Regierung die Frist verstreichen lassen, sich bis zum 1. November 1938 als im Ausland lebende Polen ihre polnische Staatsbürgerschaft bestätigen zu lassen. Damit sie als "staatenlose Ostjuden" nicht dauerhaft in Deutschland verblieben würden, ordnete das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin noch vor Ablauf der Frist ihre Abschiebung an.
Unter den etwa 1000 abgeschobenen Hamburger Jüdinnen und Juden mit polnischer Herkunft befanden sich auch Pinkus Frenkels Vater Isaak Frenkel und seine Geschwister, sowie Charlotte Frenkels Eltern und ihre Schwägerin Erna Tugendhaft, geb. Hoffmann (geb. 18.2.1908 in Leipzig). Auch sie waren in den frühen Morgenstunden aus den Betten geholt und vom Altonaer Bahnhof an die deutsch-polnische Grenze Zbaszyn/Bentschen abtransportiert worden. Polen hielt seine Grenze geschlossen, ungeachtet dessen, dass die Ankömmlinge polnische Staatsbürger waren. Pinkus Frenkel berichtete, dass sie dann elf Monate unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen im provisorisch eingerichteten Grenzlager lebten und in Pferdestellen schliefen. Sie wurden von einem Hilfskomitee aus Warschau versorgt, das eine Feldküche eingerichtet hatte.
Einige der Ausgewiesenen erhielt die Erlaubnis, für kurze Zeit nach Hamburg zurückzukehren, um ihre "Angelegenheiten" zu klären oder innerhalb weniger Wochen zu emigrieren, wie Ida Tugendhaft. Sie beantragte den Versand ihres Haushaltes nach Polen und bat auch um die Erlaubnis, den Lagerbestand der Firma ihres Schwiegersohns Frenkel & Sohn verkaufen zu dürfen, um einige fällige Rechnungen, sowie das Lagergeld bezahlen zu können. Sie erhielt die Genehmigung zum Verkauf, konnte jedoch über den Erlös nur mit devisenrechtlicher Genehmigung verfügen. Der Restbetrag musste auf ein Sperrkonto bei der Dresdner Bank eingezahlt werden.
Am 15. Mai 1939 beantragte Ida Tugendhaft beim Oberfinanzpräsidenten (Devisenstelle) die Freigabe von 1400 RM. Ihr Schwiegersohn Pinkus hatte sie beauftragt, vier Schiffskarten von Hamburg über Southampton nach New York zu besorgen. Pinkus Frenkel hatte eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung für England erhalten. Am 11. August 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, gelangte er über die Hafenstadt Gdingen (Gdynia) in der Danziger Bucht mit dem Schiff nach England. Seinen Brüdern Heinrich, Leo Juda, sowie der Schwester Frida später verheiratete Freemann, war es vor Kriegsbeginn noch gelungen über verschiedene Länder aus Polen zu entkommen.
Charlotte Frenkel blieb mit den Kindern im Lager Zbaszyn/Bentschen zurück. Höchstwahrscheinlich sollte sie in Kürze nachkommen, aber der Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 1. September 1939 in Polen und der damit begonnene Zweite Weltkrieg machte das Vorhaben zunichte. Pinkus Frenkel berichtete, dass seine Frau mit den Kindern nach Ausbruch des Krieges ins Landesinnere Polens verschleppt worden.
Der Vater Isaak Frenkel war nach Auflösung des Lagers im Juli 1939 in seine Geburtsstadt nach Olkusz zurückgekehrt. (Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurde die Stadt Olkusz in Ilkenau umbenannt.) Die jüdische Bevölkerung wurde gezwungen, in bestimmte Stadtteile zu ziehen, ab 1940 mussten sie weiße Armbinden mit dem Davidstern tragen. Vermutlich hielt sich Isaak Frenkel noch bis Dezember 1940 in Olkusz/Ilkenau auf. Pinkus Frenkel berichtete, dass sein Vater zur Zwangsarbeit gezwungen wurde, die er nicht lange durchhielt. Vermutlich gehörte er zu den Zwangsarbeitern, die für die "Organisation Schmelt" (Albrecht Schmelt, Breslauer Polizeipräsident SS-Oberführer und Sonderbeauftragter des Reichsführers SS für den Arbeitseinsatz in Oberschlesien, er begann im Mai 1945 Selbstmord) zum Straßenbau und in Industriebetriebe eingesetzt wurden. Ein letztes Lebenszeichen kam von Schwester Lina durch das Rote Kreuz, eine Karte datiert vom 23. April 1942 aus Ilkenau "O/S Arbeitslager", mit der Mitteilung, dass der Vater dort verstorben sei. Das weitere Schicksal von Lina Frenkel ist unbekannt.
Pinkus Frenkels Schwiegermutter Ida Tugendhaft war nach der Auflösung ihres Haushaltes in der Grindelallee 176 im Juli 1939 zu ihrem Mann nach Przemyśl in Polen zurückgekehrt. Das Vorhaben, von dort nach Frankreich zu emigrieren, konnten sie nicht mehr realisieren (der Sohn Max Tugendhaft lebte seit 1933 in Paris). Sie und die Familie ihrer Schwiegertochter Erna Tugendhaft sind irgendwo im besetzen Polen zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet worden. Ihr jüngerer Sohn Alfred Tugendhaft war bereits 1938 nach Frankreich geflohen. Am 6. März 1943 wurde er mit dem 51. Transport von Drancy, dem Sammellager für Juden bei Paris, in das Vernichtungslager Majdanek deportiert und ermordet. (siehe Familie Abraham Wagschal und Munisch Hoffmann, www.stolpersteine-hamburg.de).
Pinkus Frenkel blieb in England. In den ersten drei Jahren erhielt er keine Arbeitserlaubnis und bezog Unterstützung. 1942 wurde er als "Agent" (Vertreter) in der Diamanten Branche tätig. 1946 heiratete er Lily Greenberg und bekam mit ihr zwei Kinder. 2018 hinterlegte sein Sohn bei der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel Gedenkblätter für Charlotte, Etti und Vera Frenkel.
Stand: Mai 2021
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 2; 5; 8; StaH 332-5_5412 u 321/1938; StaH 213-13_17647; StaH 213-13_28896; StaH 314-15_F 587; StaH 351-11_27174; StaH 351-11_3355; StaH 232-5_539; StaH 314-15_FVg 5151a; StaH 314-15_FVg 5151; StaH 314-15_FVg 6007; StaH 314-15_FVg 5902; StaH 314-15_R 1939/2775; StaH 314-15_R 1940/1002; United States Holocaust Memorial Museum, Lista osób zamieszkałych, Auskunft von Sahra Kopelman-Noyes, E-mail am 6.4.2021; United States Holocaust Memorial Museum, Names from French deportation lists research project, Auskunft von Sahra Kopelman-Noyes, E-mail am 6.4.2021; www.ancestry.de, Heiratsindex, England und Wales, 1916-2005, Pinkus Frenkel und Lily Greenberg (Zugriff 6.4.2021; Yad Vashem, The Central Data Base of Shoa Victims, Gedenkblätter von Charlotte, Etti und Vera Frenkel (Zugriff 10.3.2021); Andrea Rudorff: Das Lagersystem der "Organisation Schmelt" in Schlesien, in Der Ort des Terrors; Hrsg. Wolfgang Benz und Barbara Distel, S. 155, München 2009; Diverse Hamburger Adressbücher.