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Kurt Garbarini * 1913

Simrockstraße 143-151 (Altona, Blankenese)


HIER WOHNTE
KURT GARBARINI
JG. 1913
IM WIDERSTAND
FLUCHT 1933 BELGIEN
1937 INT. BRIGADEN
VERHAFTET 11.11.1941
GEFÄNGNIS BERLIN-MOABIT
HINGERICHTET 21.4.1943
PLÖTZENSEE

Kurt August Heinrich Garbarini, geb. 13.1.1913 in Hamburg, Flucht nach Belgien, Haft ab 11.11.1941, hingerichtet am 21.4.1943 in Berlin-Plötzensee

Simrockstraße 143-151

Der Hamburger Sozialdemokrat Kurt Garbarini war am 13.1.1913 als einziges Kind des Heinrich August Garbarini (geb. 22.7.1886, gest. 13.5.1955) und Elise Emma Garbarini, geb. Deckert (geb. 21.6.1880, gest. 13.12.1975) geboren worden. Seine Eltern hatten am 12. April 1909 in Gleißen in Kreis Ost-Sternberg geheiratet. Die Familie wohnte in Dockenhuden in einem eigenen Einfamilienhaus in der Friedrich Ebertstraße, die 1933 in Dr. Chemnitz-Straße umbenannt wurde (heute Simrockstraße). Der Vater arbeitete als Möbeltischler bzw. Modelltischler. (Die Landgemeinde Dockenhuden wurde 1921 mit Blankenese zusammengelegt).

Kurt Garbarini besuchte die Volks- und danach die Oberrealschule in Blankenese bis zur Mittleren Reife. Eigentlich wollte er das Hamburger Technikum besuchen, um Maschinenbauingenieur zu werden. Als Grundlage dafür absolvierte er nach der Schule eine vierjährige Lehre zum Maschinenbauer bei der Firma Fahrstuhlbau Friedrich Kehrhahn in Hamburg. Diese Ausbildung schloss er Ende März 1933 ab.

Kurt Garbarini soll früh bereits der Kinderfreunde-Bewegung, ab 1930 der SPD und der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) angehört und in letzterer als Gruppenleiter gewirkt haben. 1932 trat er zudem dem Reichsbanner Schwarzrotgold bei.

Bekannt als Sozialdemokrat und Gegner der Nationalsozialisten, musste Kurt Garbarini Deutschland kurz nach deren Machtübernahme verlassen. Nach dem Abschluss seiner Lehre ging er offiziell "auf Wanderschaft”, d.h. er flüchtete im Mai 1933 über die Tschechoslowakai und Österreich in die Schweiz, die ihn jedoch wieder abschob. Er ging dann illegal über Frankreich ins Saargebiet. Seinen letzten inländischen Wohnsitz nahm er in Saarbrücken in der Halbergstraße, dort soll er sozialdemokratische Zeitungen verkauft haben.

Nach drei Wochen wandte er sich über Frankreich nach Belgien, wo er als politischer Flüchtling anerkannt wurde. Materielle Hilfe erhielt er über das Mateotti-Kommittee, ein international organisiertes Hilfskommitte, das vor allem Gewerkschafter und Sozialdemokraten unterstützte.

Während dieser Zeit – so sein Vater später – wurden die Eltern von der Gestapo überwacht, um auf diesem Weg Hinweise auf Kurt Grbarinis Aufenthaltsort zu finden, was jedoch nicht gelang.

Ende 1936 warben ihn – so die spätere Anklageschrift – kommunistische Emigranten als Spanienkämpfer an. Er selbst schilderte dies anders: Er habe in Saarbrücken drei (namentlich nicht genannte) Sozialdemokraten kennengelernt, mit denen er drei Jahre später, Anfang 1937, nach Spanien gefahren sei. Sie wollten bei den Internationalen Brigaden gegen die Franco-Faschisten kämpfen. Die Ankömmlinge wurden dort dem "Thälmann-Batallion” zugeteilt.

Schon nach vier Wochen wurde Kurt Garbarini durch einen Brustschuss verwundet. Nach einem Lazarettaufenthalt wurde er nicht wieder an der Front, sondern im Postdienst weiter verwendet.

Die DDR-Widerstandsforschung betonte Kurt Garbarinis Bemühungen um eine Einheitsfront: Er sei Ende 1937 in das Einheitskomitee delegiert worden, dem drei Sozialdemokraten und drei Kommunisten angehört hätten. In dessen Richtlinien, die er unterzeichnete, hieß es: "Wir bilden dieses Komitee, weil wir aus der Erkenntnis über den Charakter des Krieges in Spanien und aus den gemeinsamen Erfahrungen aus diesem Krieg mehr denn je ein gemeinsames Ziel haben: durch die Einheits- und Volksfront den Faschismus in Spanien zu besiegen.”

Das Deutsche Reich bürgerte ihn 1939 aus.

Nach dem Spanienkrieg im südfranzösischen Lager Saint-Cyprien interniert, floh Kurt Garbarini entweder Anfang 1939 (Wiedergutmachungsakte) oder 1940 (Anklageschrift) nach Belgien, ebenso wie die internierten Kommunisten Hermann Geisen und Max Stoye. Hier wurde er als Ausländer zunächst interniert, aber aufgrund des Passes, den "Rotspanien” ihm ausgestellt hatte, wieder freigelassen.

Er ließ sich in Willebroek nieder, wurde vorwiegend von der Gemeinde unterstützt und verrichtete Gelegenheitsarbeiten, so als Fahrstuhlführer in einem Hospital in Brüssel, wo er unter dem Namen de Geyter beschäftigt war. Auch handelte er mit Zigaretten. Nach späteren Aussagen seines Vaters soll er in dieser Zeit eine Lebensgefährtin und ein Kind gehabt haben, die jedoch bei Kriegsbeginn aus Belgien ausgewiesen worden seien. Der letzte Wohnsitz von Kurt Garbarini in Belgien befand sich (lt. Sterbeurkunde) in Willebroek, Yaernemweg 28.

In Brüssel organisierten Geisen, Stoye und er mit Hilfe belgischer Gleichgesinnter und deutscher Emigranten Aufklärungsarbeit unter den deutschen Besatzungssoldaten. Sie gaben Zeitungen und Flugblätter heraus. Darin appellierten sie an die Soldaten: "Lasst euch nicht zu Verbrechen gegen die belgische Bevölkerung missbrauchen! - Schießt nicht auf belgische Frauen und Kinder!" Kurt Garbarini beschaffte und verteilte Klebezettel mit Parolen, nahm an illegalen Treffen teil, bei denen es auch um mögliche Sabotage ging, und er besorgte Chemikalien, um versuchsweise einen Brandsatz herzustellen.

Inzwischen hatte die Gestapo Hinweise auf die Widerstandsaktivitäten erhalten, wie ein interner Bericht vom 1. August 1941 belegt. Vermutlich geschah dies durch einen Spitzel in der illegalen Brüsseler KPD-Leitung. Am 11. November 1941 schlug die Gestapo dann zu und inhaftierte Kurt Garbarini, Hermann Geisen und Max Stoye.

Ganz in der Nähe von Kurt Garbarinis Wohnort Willebroek befand sich das KZ Breendonk, ein Fort, das um die Jahrhundertwende gebaut worden war und nun der deutschen Sicherheitspolizei als Auffanglager für Regimegegner und jüdische Flüchtlinge diente. Hier, wo die Gefangenen misshandelt, gefoltert und immer wieder verhört wurden, saß zumindest Hermann Geisen ein. Ob sich auch Kurt Garbarini dort kurzzeitig befand, ist nicht überliefert.

Auf jeden Fall wurde er dann im Untersuchungsgefängnis Aachen verhört. Wir wissen nicht, ob er die gesamte Zeit bis zum Prozess, immerhin mehr als ein Jahr, hier verbringen oder – wie Max Stoye – eine Odyssee durch verschiedene Gefängnisse in Deutschland antreten musste.

Hermann Geisen wie auch Kurt Garbarini und weitere Verhaftete, darunter eine Niederländerin, gestanden die ihnen zur Last gelegten "Taten” im Wesentlichen, wie der abschließende Ermittlungsbericht des Aachener Oberstaatsanwalts ausführte. Der hatte gegen Geisen, Garbarini und deren Mithäftling Herbert Neubeck ermittelt. Seine Vorarbeit führte zur Eröffnung des Verfahrens vor dem Volksgerichtshof gegen Geisen und Garbarini, Neubecks wie Stoyes Prozesse fanden gesondert statt.

Der Volksgerichtshof verurteilte zwischen 1934 und 1945 insgesamt 5.600 Personen wegen politischer Straftaten zum Tode, 1.400 davon wurden anschließend in Berlin-Plötzensee hingerichtet. So erging es auch Hermann Geisen und Kurt Garbarini, die während ihres Prozesses im Berliner Untersuchungsgefängnis Moabit einsaßen: Der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Vizepräsident Wilhelm Crohne klagte sie der "Zersetzung der deutschen Wehrmacht, landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat in organisatorischer und agitorischer Form” (Urteil) an. In der Hauptverhandlung, die am 12. Januar 1943, einen Tag vor Kurt Garbarinis 30. Geburtstag, stattfand, wurden sie zum Tode verurteilt.

Ab 14. Januar 1943 warteten sie dann im Strafgefängnis Plötzensee in einem Zellenanbau, der an den Hinrichtungsschuppen grenzte, ob ein Gnadengesuch gestellt und Erfolg haben oder ein baldiger Hinrichtungstermin angesetzt würde.

Kurt Garbarinis Vater reichte über Blankeneser Anwälte am 22. Januar 1943 ein Gesuch mit der Bitte ein, die Todes- in eine Freiheitsstrafe für seinen Sohn umzuwandeln. Tunlichst stellte er Kurt Garbarini darin als gradlinigen, unpolitischen Menschen dar, der zwar vom Weg abgekommen sei, aber in einer Strafhaft und danach durch "strenge Arbeit” für seine Taten büßen würde.

Doch die Gestapo legte am 18. Februar 1943 in einem Schnellbrief Widerspruch gegen eine Begnadigung im Namen des Chefs der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes der SS (SD) in Belgien ein. Hermann Geisen und Kurt Garbarini sollten nicht mit dem Leben davon kommen. Sie warnte darin auch: "Gegen die Freigabe der Leichen bestehen Bedenken”. Normalerweise wurden die Leichen der Hingerichteten dem Anatomischen Institut der Berliner Universität übergeben und erst nach deren Sektion verbrannt.

Hermann Geisen wie auch Kurt Garbarini wurden am 21. April 1943 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil enthauptet. Der Obergerichtsvollzieher notierte ihre Hinrichtung gewissenhaft an diesem Tag auf der vorgedruckten "Mitteilung über den Abgang eines Gefangenen oder Verwahrten”.

Kurt Garbarini wurde 30 Jahre alt.

Die Kosten für die Hinrichtungen in Plötzensee hatten die Angehörigen zu tragen. Die Rechnung, die ihnen zugestellt wurde, enthielt mehrere Posten: für die Haft (1,50 Reichsmark pro Tag), die Hinrichtung (300 Reichsmark) und die Zustellung der Kostenrechnung (12 Pfennige).

Der Vizepräsident (kurzzeitig auch Präsident) des Volksgerichtshofs, Wilhelm Crone, nahm sich am 26. April 1945 mit seiner Familie in Berlin das Leben.

An den Keramiker Hermann Geisen (geb. 25.9.1899) erinnert heute in seinem Heimatsort Höhr-Grenzhausen eine Straße. Auch er war 1933 emigriert. Im Spanienkrieg befehligte er die "Centurio Thälmann”. Danach arbeitete er als Mitglied der KPD-Abschnittsleitung Südwest in Brüssel.

Der Berliner Max Stoye (geb. 28.2.1913), seit 1937 Leiter der Freien Deutschen Jugend in Brüssel, wurde ebenfalls zum Tode verurteilt und am 20. Mai 1943 hingerichtet.

Der jüdische Herbert Neubeck (geb. 30.3.1923) war 1935 mit seiner Familie nach Belgien emigriert, wo er eine Apothekerlehrer begann. Auch er betätigte sich im Widerstand, wurde verhaftet, am 2. Februar 1943 zum Tode verurteilt und am 21. Juni 1943 hingerichtet. An die Familie erinnern Stolpersteine in Düsseldorf.

Stand: Dezember 2021
© Susanne Rosendahl/Beate Meyer

Quellen: StaH 351-11_5035; StaH 351-11_8960; ancestry: Sterberegister Berlin Kurt Garbarini am 21.4.1943; (Zugriff 13.12.2021); ancestry: Sterberegister Berlin Hermann Geisen am 21.4.1943; (Zugriff 13.12.2021); ancestry: Sterberegister Berlin Max Stoye am 20.5.1943 (Zugriff 13.12.2021); https://www.geni.com/people/Herbert-Neubeck/6000000058589427832(Zugriff 13.12.2021); archive.org/stream/antifa-rundschau_54/antifa-rundschau_54_djvu.txt (Zugriff 20.11.2021), siehe auch (wortgleich) Antifa-Rundschau 54 (2003 April-Juni); Kurt Garbarini, Vier Sozialdemokraten am Jarama, in: Hanns Maaßen, Brigada Internacionál ist unser Ehrenname... : Erlebnisse ehemaliger deutscher Spanienkämpfer, Berlin/DDR 1974, S. 306f.; Luise Kraushaar, Kurt Garbarini, in: Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945. Biographien und Briefe, Berlin/DDR 1970, S. 294f., Adressbuch Altona 1933; Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 – 1945, hrsg. Von Werner Röder u.a., München 1999, S. 213; Gedenkstätte Plötzensee (Hrsg.), Hinrichtungen im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee. Katalog zur Dauerausstellung, Berlin 2019, S. 10, 26, 43; Udo Grashoff, Gefahr von innen: Verrat im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Göttingen 2021, S. 414; Gedenkstätte deutscher Widerstand, Sammlung Kurt Garbarini, wir danken Prof. Dr. Johannes Tuchel von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand herzlich für seine Unterstützung.

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