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Agathe Lasch Mitte der 1920er Jahre
© bpk-Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte

Agathe Lasch * 1879

Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude Universität Hamburg) (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER LEHRTE
AGATHE LASCH
JG. 1879
DEPORTIERT 1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude Universität Hamburg):
Raphael Broches, Ernst Delbanco, Friedrich Geussenhainer, Hedwig Klein, Gerhard Lassar, Hans Konrad Leipelt, Reinhold Meyer, Martha Muchow, Kurt Perels, Margaretha Rothe

Prof. Dr. phil. Agathe Louise Lasch, geb. am 4.7.1879 in Berlin, am 15.8.1942 von Berlin nach Riga deportiert, ermordet am 18.8.1942

Gustav-Leo-Straße 9

Agathe Louise Lasch wurde am 4. Juli 1879 in Berlin als drittes von fünf Kindern des Kaufmanns und Inhabers der Lederwarenhandlung Siegbert Lasch (1841–1918) und seiner Frau Emma, geb. Fraenkel, (1850–1922) geboren. Agathe Lasch erhielt ebenso wie ihre Schwes­tern Hedwig (geb. 1875), Elsbeth (geb. 1877) und Margarete (geb. 1890) eine nicht-akademische Ausbildung als Lehrerin, die sie 1898 abschloss. Bis 1906 war sie in Berlin an verschiedenen Mädchen- und Gewerbeschulen tätig, holte im selben Jahr das Abitur nach und studierte anschließend Germanistik an den Universitäten Halle und Heidelberg. Dort wurde sie 1909 bei dem Mediävisten Wilhelm Braune (1850–1926), einem wichtigen Vertreter der sogenannten Junggrammatiker, mit der beachteten Dissertation promoviert: "Geschichte der Schrift­sprache in Berlin bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts". Ihr Wunsch, nunmehr eine Beschäftigung im akademischen Bereich zu finden, ließ sich im wilhelminischen Deutschland nicht verwirklichen. Agathe Lasch entschloss sich daher, in den Vereinigten Staaten eine wissenschaftliche Karriere zu beginnen. Von 1910 bis 1916 lehrte sie als Associate Professor of Teutonic Philology am renommierten amerikanischen Frauen-College Bryn Mawr in Pennsylvania. Hier veröffentlichte sie 1914 ihre "Mittelhochdeutsche Grammatik", die noch heute als Standardwerk der niederdeutschen Philologie gilt. Während des Ersten Weltkriegs kehrte sie 1917 "aus patriotischen Gründen" nach Deutschland zurück.

Bald nach ihrer Rückkehr erhielt Agathe Lasch in Ham­burg eine Stelle als wissenschaftliche "Hilfsarbeiterin" am Deutschen Seminar. Im selben Jahr, 1917, trat sie in den Verein für Hamburgische Geschichte ein. An der im Mai 1919 gegründeten Hamburgischen Universität konnte sie sich bereits zum Wintersemester 1919/20, am 4. November 1919, im Fach Germanistik mit der Arbeit "Der Anteil des Plattdeutschen am niederelbischen Geistesleben im 17. Jahrhundert" habilitieren. Es war die erste germanistische Habilitation einer Frau. 1923 wurde sie als erste Frau an der Hamburgischen Universität und als erste Germanistin in Deutschland in eine hauptamtliche Professorenstelle berufen.

Im Dezember 1926 wurde Agathe Lasch zur planmäßigen außer­ordentlichen Professorin für Niederdeutsche Philologie ernannt. Gleich­zeitig wurde für sie der Lehrstuhl für Niederdeutsche Philologie geschaffen, seit 1927 war sie Mitdirektorin des Germanischen Seminars. Ihr wissenschaftliches Ziel war es, gemeinsam mit dem Germanisten Conrad Borchling (1872–1946), den mittelniederdeutschen Sprachschatz der Hansezeit und der Ham­burger Mundart in großen Wörterbuchprojekten systematisch nach wis­senschaftlichen Kriterien aufzunehmen und zu erschließen. Bereits 1917 hatten beide die "Die Arbeitsstelle des Hamburgischen Wörterbuches" gegründet, die insbesondere von Agathe Lasch außerordentlich gefördert wurde. Sie arbeitete mithin gleichzeitig an zwei Wörterbüchern, am Mittelniederdeutschen Wörterbuch und am Hamburgischen Wörterbuch.

Agathe Lasch, die unverheiratet blieb, war 1919 als Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg registriert worden. Die 1933 drohende Entlassung aus dem Staatsdienst aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I, S. 175) konnte dank einer Eingabe ihrer Schülerinnen und Schüler sowie einer Petition schwedischer Hochschullehrer kurzfristig aufgeschoben werden. Am 4. April 1934 teilte ihr die Oberschulbehörde jedoch mit, laut Mitteilung des Senats vom 26. März 1934 sei sie als planmäßige außerordentliche Professorin auf Grund § 6 des genannten Gesetzes mit Ablauf des 30. Juni 1934 in den Ruhestand versetzt. Im selben Jahr wurde ihr als besonders harte Diskriminierung untersagt, die Bibliothek zu betreten. Das war ganz offensichtlich rechtswidrig, denn das genannte Gesetz berührte den körperschaftsrechtlichen Status zur Universität nicht, den Agathe Lasch kraft ihrer Habilitation innehatte. Da ihr die Verhältnisse in Hamburg in jeder Hinsicht unerträglich erschienen, zog sie im Frühjahr 1937 zu ihren in Berlin lebenden Schwestern. Zum 31. März 1937 trat sie deshalb aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg aus. Allerdings waren die Verhältnisse in Berlin kaum anders als in Hamburg. Agathe Lasch erhielt ein Publikationsverbot; außerdem wurde ihr verboten, öffentliche Bibliotheken zu betreten. Ihre private Bibliothek wurde beschlagnahmt. Bemühungen um eine Lektorenstelle im schwedischen Lund scheiterten 1939, ebenso wie die ausländischen Bemühungen um eine Berufung der renommierten Wissenschaftlerin an die Universität Oslo oder an die estnische Universität Dorpat – in den beiden letztgenannten Fällen am Einspruch der deutschen Gesandtschaft und des deutschen Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. 1939 wurden die Pensionszahlungen eingestellt.

Am 15. August 1942 wurde Agathe Lasch zusammen mit ihren Schwestern Elsbeth und Margarete mit dem 18. Ost-Transport, der vom Güterbahnhof Berlin-Moabit abging, nach Riga deportiert. Als Todesdatum gilt der 18. August 1942.

Die Schwester Hedwig Kauffmann, geb. Lasch, war bereits am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert worden. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Die von Agathe Lasch in Hamburg begonnene Publikationsarbeit eines Niederdeutschen Wörterbuches konnte zu ihren Lebzeiten nicht fortgeführt werden. Die erste Lieferung des "Hamburgischen Wörterbuchs", der Sprachschatz des Hamburger Stadtstaates, erschien 1956. Mit dem Erscheinen der 30. Lieferung im Mai 2006 konnte das von Agathe Lasch begonnene Werk vollendet werden.

Ehrungen: 1971 wurde in Othmarschen der Agathe-Lasch-Weg nach der Germanistin benannt; 1992 wurde der Agathe Lasch-Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf dem Gebiet der niederdeutschen Sprache eingerichtet; seit 1999 heißt der Hörsaal B im Hauptgebäude der Universität Hamburg "Agathe-Lasch-Hörsaal".

© Ina Lorenz

Quellen: 1; 5; AfW 040298 Martin Goldschmidt, Schreiben vom 6.5.1957; Bachhofer, in: Hamburgische Biografie, Bd.1, S. 179f.; Kopitsch/Brietzke (Hrsg.) Hamburgische Biografie, Bd. l, 2001, S. 179f.; Krause, in: Das Jüdische Hamburg, 2006, S. 171f.; Bachofer/Beck, Deutsche und Niederdeutsche Philologie, in: Krause/Huber/Fischer (Hrsg.), Hochschulalltag, 3 Teile, 1991, Teil 2, S. 641–703, hier S. 651–653, 693– 695; Gottwaldt/Schulle, "Judendeportationen", 2005, S. 255; Christine M. Kaiser, "Ich habe Deutschland immer geliebt ..." Agathe Lasch (1879 bis 1942) – Deutschlands erste Germanistikprofessorin an der Hamburgischen Universität, in: Joist Grolle und Matthias Schmoock (Hrsg.), Spätes Gedenken. Ein Geschichtsverein erinnert sich seiner ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder (Hamburgische Lebensbilder 21), Hamburg 2009, S. 63–97; Zum Gedenken an Agathe Lasch (1879–1942?). Reden aus Anlass der Benennung des Hörsaals B im Hauptgebäude der Universität Hamburg in Agathe-Lasch-Hörsaal am 4.11.1999, Hamburg 2002 (= Hamburger Universitätsreden, N.E., Bd. 2), darin vor allem: Mohn, Dieter, Die Ge­schichte in der Sprache. Die Philologin Agathe Lasch, Vortrag anlässlich der Benennung des Hör­saals B im Hauptgebäude der Universität Hamburg in Agathe-Lasch-Hörsaal am 4.11.1999, ebd., S. 14–27.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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