Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Bertha Lewig (geborene Cohn) * 1867

Gryphiusstraße 1 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
BERTHA LEWIG
GEB. COHN
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Bertha Lewig, geb. Cohn, geb. 14.9.1867 in Beuthen, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 nach Treblinka

Gryphiusstraße 1 (Winterhude)

Sie wurde als Bertha Cohn in Beuthen geboren, einer Stadt mit rund 15.000 Einwohnern im oberschlesischen Industriegebiet. Die Jüdische Gemeinde von Beuthen zählte damals rund 1.600 Personen. Ihre Eltern waren der Kaufmann Gustav Cohn und Friederike, geb. Rechnitz. Die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder von Beuthen stieg in dieser Zeit deutlich an, so dass am Friedrich-Wilhelmplatz 1867-1869 eine neue Synagoge im maurischen Stil errichtet wurde.

Bertha verlobte sich 1888 mit 21 Jahren; ihr goldener Verlobungsring war mit blauen und weißen Brillanten versehen. 1889 heiratete sie in Berlin ihren Verlobten, den Hamburger Kaufmann Hugo Siegmund Lewig (1854-1915) und zog zu ihm nach Hamburg. Dessen promovierter Vater Martin Meyer Lewig (1820-1907) war praktischer Arzt in Hamburg und besaß seit 1855 das Hamburger Bürgerrecht. Und dessen Vater Lazarus Levy, "Oeconom" am jüdischen Krankenhaus in Hamburg, hatte vor 1842 den Familiennamen in Lewig ändern lassen. Hugos Schwester Helene Lewig (1852-1921) hatte bis zum Tod des Vaters Martin Lewig bei diesem gewohnt.

Bertha und Hugo Lewig bekamen zwei Kinder: Fritz Lewig (geb. 16.11.1889 in Hamburg) und Franziska Lewig (geb. 12.3.1891 in Hamburg). Die Familie wohnte im Grindelhof 100/ Rotherbaum (1890-1891), in der Hagedornstraße 47/Harvestehude (1892-1906) und in einer 7-Zimmer-Wohnung in der Maria-Louisen-Straße 55/ Winterhude (1906-1915).

Für die letztgenannte Wohnung wurden viele neue Einrichtungsgegenstände angeschafft: so zwei Ledersessel und ein Nussbaumtisch, Sofa, Polsterstühle und Korbmöbel, eine Messingstehlampe mit Seidenschirm und eine Singer-Nähmaschine. Hochwertiger Zierrat wie eine reich vergoldete Schüssel aus Meissner Porzellan, verschiedene Meissner Porzellanfiguren (u.a. Raub der Europa und Kugelwerferin) und Kristallkannen mit silbernem Deckel schmückte die Wohnung.

Hugo Lewig hatte 1898 zusammen mit Robert Heckscher in Hamburg das Bankgeschäft Hugo Lewig & Heckscher gegründet, das seine Geschäftsräume am Neuen Wall 41 (1899-1910) und später am Neuen Wall 44 (1911-1920) hatte. Auf der Kultussteuerkarte sowie in den Adressbüchern von 1899 und 1912 wurde das Geschäft als "Bankkommission" bezeichnet. Als Hugo Lewig im Juli 1915 verstarb, übernahm Bertha Lewig seine Geschäftsanteile. Bis Januar 1920 hatte Fritz Lewig dort Prokura, dann eröffnete er unter der gleichen Adresse unter seinem Namen ein Bankgeschäft. Die Firma Hugo Lewig & Heckscher erhielt im April 1920 einen Liquidator und wurde 1924 im Handelsregister gelöscht.

Nach dem Tod ihres Mannes zog Bertha Lewig in eine 6-Zimmer-Wohnung in der Gryphiusstraße 1 I.Stock, wo sie 15 Jahre wohnte. Ab 1923 wurden für Bertha Lewig auf der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde keine Zahlungen von Gemeindesteuern mehr verzeichnet.

Ab 1933 lautete ihre Wohnanschrift im Hamburger Adressbuch Kurzer Kamp 6 (Fuhlsbüttel). Dort bewohnte sie im Mendelsohnstift eine 1-Zimmer-Wohnung. Für diese kleine Wohnung waren die großen Möbel ungeeignet, daher kaufte Bertha Lewig u.a. ein passendes Bücherregal aus Nussbaumholz, einen Bridgetisch, eine kleine Couch und ein Radio.

Für die von den Nationalsozialisten geplante Deportation wurde sie in dem zum "Judenhaus" erklärten Gebäude Schäferkampsallee 29 einquartiert. Das für 15 Bewohner/innen ausgelegte Seniorenheim der Jüdischen Gemeinde wurde ab 1941 mit deutlich mehr jüdischen Menschen belegt, nachdem die Gestapo die Gemeinde angewiesen hatte, diese durch Vertreibung wohnungslos Gewordenen aufzunehmen.

Beide Kinder waren inzwischen erwachsen: Der Sohn Fritz hatte eine kaufmännische Lehre absolviert, später Prokura in der Firma seines Vaters erhalten und 1920 bis 1930 ein eigenes Bankgeschäft geführt. Die Tochter hatte Medizin studiert und war promoviert worden. Beide emigrierten nach Südafrika. Die Tochter hielt sich seit Dezember 1933 in Johannesburg auf. Bis zum Kriegsbeginn 1939 stand sie mit ihrer Mutter in regelmäßigem Briefkontakt; danach waren nur noch kurze Mitteilungen über das Rote Kreuz möglich.

Bertha Lewig wurde am 15. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert. Von dort wurde sie nur zwei Monate später in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert und ermordet.

Im Rahmen des Entschädigungsverfahrens in den 1950er Jahren wurde Bertha Lewig für tot erklärt auf den 9. Mai 1945.

Stand: Februar 2022
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 213-13, 20824 (Bertha Lewig Erben); StaH 332-5 (Standesämter), 7985 u. 150/1906 (Sterberegister 1906, Sophie Lewig geb. Menke); StaH 332-5 (Standesämter), 7988 u. 270/1907 (Sterberegister 1907, Martin Meyer Lewig); StaH 332-5 (Standesämter), 9737 u. 1784/1915 (Sterberegister 1915, Hugo Siegmund Lewig); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Band 7, Bürgerregister von 1845-1875 L-R (Dr. med. Max Meyer Lewig, 34 Jahre alt, Arzt, 22.6.1855 Nr. 761); StaH 332-8 (Meldewesen), K 6509 (mikroverfilmte Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925), Helene Lewig, Dr. med. Martin Meyer Lewig; StaH 342-2 (Militär-Ersatzbehörden), DII 135 Band 5 (Fritz Lewig); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 1178 (Bertha Lewig); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Hugo Lewig/ Bertha Lewig; Landesarchiv Berlin, Heiratsregister der Berliner Standesämter, Berlin VI (1889 Hugo Siegmund Lewig u. Bertha Cohn); Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (Hugo Lewig & Heckscher, HR A 14218; Fritz Lewig, HR A 22593); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1910, S. 394 (Hugo Lewig & Heckscher, gegr. 1898, Fonds- u. Immobilienmakler, Inhaber Hugo Lewig u. Robert Heckscher, Neuer Wall 41, Börsenplatz Pfeiler 62 Sitze a und b); Hamburger Börsenfirmen 1926, S. 625 (Fritz Lewig, Bank-Kommission, gegr. 1920, Telex: Filiusbank, Mönkedamm 8); Israelitisches Krankenhaus (Hrsg.), 150 Jahre Israelitisches Krankenhaus in Hamburg, Hamburg 1997, S. 22 (Lazarus Lewig); Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 2, Hamburg 1985, S. 25-30 (Schäferkampsallee 27 u. 29); Adressbuch Hamburg 1842 (Lazarus Lewig, Oeconom am israelitischen Krankenhause, Hütten 52); Adressbuch Hamburg (Hugo Lewig) 1890-1892, 1894, 1898, 1901, 1903, 1905-1907, 1916-1917; Adressbuch Hamburg (Witwe Hugo Lewig) 1930, 1931; Adressbuch Hamburg (Witwe Bertha Lewig) 1933, 1937, 1939; Adressbuch Hamburg (Hugo Lewig & Heckscher) 1899, 1911, 1912, 1920; Adressbuch Hamburg (Fritz Lewig Bankgeschäft), 1921 (Neuer Wall 44), 1922-1923 (Pelzerstr. 5), 1925 (Mönkedamm 8), 1930 (Gryphiusstr. 1); Adressbuch Hamburg (Gryphiusstr. 1), 1920, 1930; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/ (Bertha Lewig) eingesehen 4.1.2022.

druckansicht  / Seitenanfang