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Robert Bachmann
© Privatbesitz

Dr. Robert Bachmann * 1883

Parkallee 74 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
DR. ROBERT
BACHMANN
JG. 1883
VERHAFTET 1942
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Siehe auch:
  • http://www.socialnet.de/rezensionen/7234.php
    (Dorothea Dohms. Rezension vom 09.03.2009 zu: Claus Henning Bachmann: Freiheitsberaubung (Autobiographie). Asanger Verlag (Kröning) 2008. 203 Seiten. ISBN 978-3-89334-497-0. In: socialnet )

Weitere Stolpersteine in Parkallee 74:
Helene Bachmann

Dr. Robert Bachmann, geb. 18.5.1883 in Hamburg, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet
Helene Bachmann, geb. Behrens, geb. 13.5.1860 in Altona, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, dort am 22.12.1942 gestorben

Geffckenstraße 6/Parkallee 74

Am Morgen des 11. Juli 1942 erreichte den damals 13-jährigen Sohn Robert Bachmanns, Claus Henning, telefonisch die Bitte des Vaters, er möge ihm dessen goldene Uhr und zwei Schmuckstücke bringen. Während der Sohn versehentlich vor einem falschen Haus wartete, fuhr sein Vater auf einem LKW "dichtgedrängt an andere" als hilfloses Opfer an ihm vorbei. Es war das letzte Mal, dass Vater und Sohn sich sahen. Im selben Monat wurde der Sohn zum Verstoßenen, als "Mischling" musste er seine Schule verlassen.

Der deportierte Vater war als ältestes Kind des Handelsreisenden Abraham Adolf Bachmann und seiner Ehefrau Helene Bach­mann, geb. Behrens, in Hamburg geboren worden. In den folgenden Jahren bekam das Ehepaar weitere drei Kinder.

Nach seiner Schulausbildung studierte Robert Bachmann Jura in Kiel und Rostock. 1906 promovierte er mit der Dissertation: "Das Recht aus einem Vertrage zu Gunsten Dritter und seine Zurückweisung seitens des Dritten". Nach seiner Vereidigung als Rechtsanwalt ließ er sich im November 1909 in Hamburg nieder. Neben seiner erfolgreichen Anwaltstätigkeit arbeitete er als Syndikus namhafter Hamburger Firmen.

Robert Bachmann war in erster Ehe mit einer "Arierin" verheiratet, die an Tuberkulose starb. (Ihr Todesdatum ist uns unbekannt). Der Ehe entstammten zwei Kinder: Jutta, geboren am 24. November 1913, später verheiratete Benöhr, und Ingrid Ruth, geboren am 10. Dezember 1914, später verheiratete van Korff. Beide Mädchen lebten seit der Erkrankung der Mutter bei ihrer Tante Käthe Bachmann, der Schwester des Vaters, die als jüngstes Kind von Abraham und Helene Bachmann am 19. März 1893 geboren worden war. Käthe war evangelisch getauft.

In zweiter Ehe war Robert Bachmann seit 1925 mit der nichtjüdischen Sophia, geborene Schacht, geboren 1880, verheiratet. Am 2. September 1928 wurde der Sohn Claus Henning geboren. Die Familie lebte großbürgerlich mit mehreren Angestellten in der Parkallee 74, wobei Frau Bachmann großen Wert auf ein gesellschaftliches Leben legte. So wurde z. B. die Taufe des Sohnes im Hotel "Vier Jahreszeiten" gefeiert. Robert Bachmann verbarg sich "eher hinter seinen Akten", eröffnete seinem Sohn aber auch "eine Welt der humanistischen Bildung".

Am 10. März 1933 ließ sich Robert Bachmann evangelisch taufen, in der Hoffnung, die Kon­ver­sion könnte für ihn und seinen Sohn von Nutzen sein. Auch überschrieb er die Villa, die er gekauft hatte, seiner Frau, um einer eventuellen Enteignung zu entgehen.

Die Katastrophe nahm dennoch ihren Lauf. Die "arische" Ehefrau trennte sich von ihrem jüdischen Mann, die Scheidung erfolgte am 12. Januar 1939 mit der (seinerzeit üblichen) Begründung, der Mann "habe sich schuldhaft verhalten, die Ehe sei daher tief zerrüttet". Damit entzog ihm seine Frau – was sie zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht wissen konnte – den möglichen Schutz einer "privilegierten" Mischehe, er wurde zum Rechtlosen. Nach der Scheidung lebte Robert Bachmann in der Moltkestraße 19 zur Untermiete bei Aron. Später zog er in die Geffckenstraße 6, wo viele Jüdinnen und Juden, teilweise in einem Zimmer, zusammenlebten. Die gerade geschiedene Frau heiratete am 13. Februar 1939 Ernst Wichert, einen "den Nazis ergebenen Juristen in hoher Staatsstellung", wie Claus Henning Bachmann später berichtete.

Als jüdischer Anwalt musste Robert Bachmann seinen Beruf aufgeben. Ein entsprechendes Schreiben erhielt er vom Oberlandesgericht (OLG) am 18. Juli 1938. Er bat um Nachsicht, da er in erster wie auch in zweiter Ehe mit einer "Arierin" verheiratet war. Sein Gesuch wurde abgelehnt. Schließlich war er gezwungen, seine anwaltliche Tätigkeit zum 30. November 1938 aufzugeben. "Von dem Kollegen Dr. Gerson wurde er um schnellste Räumung des Büros gebeten." Bachmanns finanzielle Situation wurde immer schwieriger, sodass er sich in den folgenden Jahren nur "sehr primitiv … über Wasser halten konnte". Nach der erzwungenen Aufgabe seiner Anwaltskanzlei stellte er einen Antrag, als "jüdischer Konsulent" tätig sein zu dürfen, dieser wurde jedoch abgelehnt. "Am 3. April 1939 erhielt [er] auf Widerruf die Erlaubnis, als Agent bei der Beförderung jüdischer Auswanderer tätig zu sein." Allerdings wurde ihm die Ausübung dieser Tätigkeit bereits Ende September wieder entzogen.

Inzwischen war er vom 22. Mai bis 10. Juni 1939 von der Gestapo im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel wegen "schwerer Kuppelei" in "Schutzhaft" genommen worden. Anschließend wurde er vom 10. Juni bis 3. November 1939 im Hamburger Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Mangels Beweisen freigesprochen, wurde er jedoch erneut vom 18. Februar bis 2. April und vom 10. bis 11. Juli 1942 in "Schutzhaft" genommen. Zynischerweise wurde in den Unterlagen bei Robert Bachmann unter "Abgänge" am 11. Juli 1942 "entlassen" vermerkt. An diesem Tag wurde er vom Polizeigefängnis direkt in die Hartungstraße 9/11 gebracht, wo sich die Jüdinnen und Juden nach dem Deportierungsbefehl einzufinden hatten, von dort mit großer Wahrscheinlichkeit nach Auschwitz deportiert und vermutlich sofort ermordet. Sein persönlicher Besitz wurde am 24. September 1942 versteigert.

Über die Geschwister von Robert Bachmann sind nur wenige Daten bekannt:
Franz, geboren am 2. Januar 1888, war verheiratet und arbeitete bei der jüdischen Privatbank Lisser & Rosenkranz, Neuer Wall 10, später Am Gänsemarkt 10. Er schied 1929 aus der Jüdischen Gemeinde aus, weil er den Wohnort wechselte. Es konnte nicht geklärt werden, ob Franz auswanderte.

Henry, geboren am 11. April 1891, war seit 1920 als Kaufmann bei der Fa. Seligmann jr. Häute-Import, Mattentwiete 2, beschäftigt. Von 1922 bis 1931 war er auch Gesellschafter der Firma. Warum seine Prokura zum 9. Oktober 1931 erlosch, konnte nicht geklärt werden. Henry war mit Herta, geborene Cohen, geboren am 25. September 1895, verheiratet. In der Ehe wurde die Tochter Petra am 23. März 1921 geboren. Mit seiner Familie lebte er im Alsterkamp 32d, einer wohlhabenden Wohngegend. Henry emigrierte am 22. April 1936 mit seiner Familie nach Südafrika, wo er früh verstarb.

Roberts Mutter Helene Bachmann, geborene Behrens, wurde am 13. Mai 1860 in Altona geboren. Ihre Eltern waren Sara, geborene Kulcuker (nicht deutlich zu lesen) und Hermann Behrens. Die Familie stammte aus Thüringen, wo Helenes Vater als Pelzhändler tätig war. Wann Helene nach Hamburg kam, ist nicht bekannt.

Sie heiratete Albrecht Adolf Bachmann, der ebenfalls in der Firma A. Seligmann jr. Häuteimport beschäftigt war. In der Ehe wurden vier Kinder geboren.

Hermann Behrens starb vermutlich 1925. Nach einem Vermerk in der Kultussteuerkartei war Helene von 1925 an bis 1935 "ohne Einkommen". Da die Familie recht wohlhabend war, konnte Helene wohl bis 1935 von dem Vermögen leben. Vermutlich wurde sie anschließend von ihrem Sohn Robert unterstützt, bei dem sie zeitweise in der Villa in der Parkallee lebte. Da sich die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter nicht verstand, kam es zu erheblichen Spannungen, die zum Auszug von Helene Bachmann führten. Mehrfach wechselte sie ihren Wohnsitz, u. a. lebte sie in einer Pension in der Klosterallee 5 und zur Untermiete im Loehrsweg 11 bei Dölker. Wann Helene in das Jüdische Altersheim mit angegliedertem Krankenhaus in der Schäferkampsallee 25/27 zog, ist nicht bekannt. Am 15. Juli 1942 wurde sie von dort nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 21. Dezember 1942 starb.

Der Sohn Claus Henning lebt als Journalist und Musikkritiker in Berlin. Von den Erlebnissen seiner Kindheit und Jugendzeit blieb er zeitlebens gezeichnet. 2008 erschien sein Buch: Frei­heitsberaubung. Eine Vatersuche: Die Spur führt nach Auschwitz.

© Ulrike Graubner

Quellen: 1; 2; 4; 5; 7; 8; StaH 213-8 Abl.2 451a, E1, 1d; StaH 314-15 OFP, 1941/99; StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Abl. 18.9.84, Bd. 2; StaH 332-8 Meldewesen, A 51/1 (Bachmann, Robert und Bachmann, Helene); StaH 351-11 AfW Abl. 2008/1, 180583 Bachmann, Robert; FZH/WdE 24.3.1998 Interview mit Claus Henning Bachmann, 534 Lebensgeschichtliche Befragung; Bachmann, Freiheitsberaubung, 2008; Bach­mann, Claus Henning, Telefonat am 1.3.2010; Morisse, Jüdische Rechtsanwälte, 2003, S. 116f.; Siele­mann, Der Zielort, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Band 95, 2009.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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