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Lilly Bauer (geborene Riess) * 1881

Frickestraße 24 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Frickestraße 24:
Dr. Roland Behrend, Erica Levy

Lilly Bauer, geb. Riess, geb. 3.4.1881 in Hamburg, am 18.11.1941 nach Minsk deportiert

Frickestraße 24

"Der Cigarrenfabrikant Robert Riess, wohnhaft Spielbudenplatz Nr. 13, jüdischer Religion, zeigt an, dass von der Sella, geborene Meyer, seiner Ehefrau jüdischer Religion, wohnhaft bei ihm, zu Hamburg in seiner Wohnung am dritten April des Jahres vormittags ... ein Kind weiblichen Geschlechts, welches den Vornamen Lilly erhalten habe, geboren wurde." So zeigten die stolzen Eltern die Geburt ihres dritten Kindes an. Lilly wuchs mit ihren Geschwistern Henry (geb.1876), Elsa (geb. 1877) und Erna (geb. 1884) in bescheidenen Verhältnissen auf St. Pauli auf. Sie heiratete den siebzehn Jahre älteren Moritz Meyer Bauer, Agent und Commissionist. Da dieser nach dem Tod seines Vaters auch seine Mutter ernähren musste, war das Geld stets knapp; wiederholt ließen sie die Kultussteuer für die Jüdische Gemeinde stunden.

Das kinderlose Ehepaar zog mehrfach um: von der Admiralitätsstraße 19 in den Küterwall 26, von dort in die Glashüttenstraße 108 und schließlich in die Gärtnerstraße 125. 1932 bewarb es sich um eine Wohnung im Martin-Brunn-Stift in der Frickestraße 24 in Eppendorf, wo die beiden am 1. März 1933 eine kleine Fa­mi­lien­woh­nung im Erdgeschoss beziehen konnten. Moritz Meyer Bauer war beim Einzug 68 Jahre alt, seine Frau Lilly 51.

Diese Wohnanlage wurde seit 1905 von der Vaterstädtischen Stiftung verwaltet, der größten Einrichtung für Freiwohnungen in Hamburg mit insgesamt elf Stiften. Die Vaterstädtische Stiftung ging auf jüdische Geldgeber zurück, die 1849 aus Anlass der bürgerlichen Gleichstellung der Hamburger Juden eine paritätische Stiftung gegründet hatten, in der die Wohnungen ohne Berücksichtigung der Konfession vergeben wurden. Der kontinuierliche Ausbau gelang durch großzügige Spenden des jüdischen Bürgertums.

Trotz zunehmender antijüdischer Repressalien lebte das Ehepaar hier in den Jahren bis zum Tod Moritz Meyer Bauers im Oktober 1937 noch relativ geschützt. 1938 wurde dann jedoch die "Arisierung" des jüdischen und paritätischen Stiftungswesens und damit auch der Vaterstädtischen Stiftung eingeleitet. Den jüdischen Vorstandsmitgliedern, die oft schon jahrzehntelang die Geschicke der Stiftung lenkten und häufig Nachfahren der Stifter waren, wurden ihre Ämter entzogen, und die jüdischen Bewohner und Bewohnerinnen mussten aus den nunmehr "arisierten" Stiften innerhalb weniger Monate ausziehen. Lediglich drei ehemals paritätische Wohnstifte, das John R. Warburg-Stift, das Mendelsohn-Israel-Stift und das Martin-Brunn-Stift sowie zwölf jüdische Wohnstifte blieben für jüdische Personen erhalten; alle wurden dem Fürsorgewesen des "Jüdischen Religionsverbandes" unterstellt.

Nach dem "Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 wurde die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung immer bedrohlicher. Das Gesetz hob den Mieterschutz für sie auf, sodass ihnen nun fristlos gekündigt werden konnte. Damit wurde die Einrichtung von "Judenhäusern" forciert, in die Jüdinnen und Juden zwangsweise einziehen mussten. Zu diesen zählten auch die insgesamt 15 Stifte, die immer mehr Menschen aufnehmen mussten.

Im September 1940 war die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner im Martin-Brunn-Stift von ursprünglich 58 auf 83 angewachsen und erreichte mit 144 Bewohnern im Juni 1942 den Höchststand. Die Richtlinien für die Belegung sahen vor, dass Einzimmer­woh­nun­gen von drei Personen und Zweizimmerwohnungen von vier bis fünf Personen belegt werden sollten.

Auch Lilly Bauer wohnte jetzt in ihrer 35 Quadratmeter großen Wohnung mit fremden Menschen zusammen, die ihres Besitzes und ihrer Wohnungen beraubt worden waren.

Eine tragische Rolle spielten die "Judenhäuser" als letzter Wohnort vor den Deportationen. Am 25. Oktober wurden die ersten beiden Frauen aus dem Stift nach Lodz deportiert, am 8. November bekamen das Ehepaar Alfred und Gertrud Friedensohn und Marianne Boas den sogenannten "Evakuierungsbefehl" und für den 18. November 1941 stand auch Lilly Bauers Name auf der Transportliste. Sie wurde ins Getto Minsk deportiert und ermordet. Insgesamt 112 Menschen wurden aus dem Martin-Brunn-Stift mit den Transporten im Juli 1942 in die Konzentrationslager deportiert.

© Maria Koser

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 332-5 Personenstandsbuch, 2002 Nr. 1674/1881 (Lilly Riess); StaH 332-5 Personenstandsbuch, 1070 Nr. 403/1937 (Moritz Meyer Bauer); StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 992e2 Band 3; Schwarz, Die Vaterstädtische Stiftung 2007, S. 162ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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