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Oscar Bernhardt * 1878

Rothenbaumchaussee 95 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
OSCAR BERNHARDT
JG. 1878
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT
DEPORTIERT 1944
AUSCHWITZ
ERMORDET

Oscar Samson Bernhardt, geb. 15.3.1878 in Hamburg, im Sommer 1938 geflohen in die Niederlande, am 17.5.1944 interniert im Kamp Westerbork, am 19.5.1944 deportiert nach Auschwitz, ermordet

Rothenbaumchaussee 95, Rotherbaum

Oscar Samson Bernhardt kam am 15. März 1878 in der Rothenbaumchaussee 74a in Hamburg-Rotherbaum zur Welt. Seine Zwillingsschwester Olga Margaretha wurde laut Geburtsregistereintrag eine halbe Stunde vor ihm geboren. Die Eltern, der Kaufmann Martin Bernhardt, geboren am 17. Februar 1840 in Teterow/Mecklenburg, und seine Ehefrau Fanny, geborene Levy, geboren am 15. Juni 1854 in Hamburg, hatten am 31. Dezember 1872 in Hamburg geheiratet. Sie bekannten sich zum jüdischen Glauben.

Seit den 1850er Jahren war die "Firma Bernhardt, Meyer & Co., Lager von Shawls und Manufacturwaren" im Hamburger Adressbuch in der Rothenbaumchaussee verzeichnet. Einer der Inhaber war Martin Bernhardt, Oscar Samsons Vater. Seine Privatadresse lautete Neue Rabenstraße 18, ab 1868 Rothenbaumchaussee, zunächst Hausnummer 71, ab 1874 Hausnummer 74a.

Martin Bernhardt hatte seiner Ehefrau Fanny im Januar 1878 Prokura (umfassende Handlungsvollmacht) für seine Firma übertragen. Eineinhalb Jahre später wurde er am 27. Juli 1880 im Keller des Central-Hotels in der Straße Zweiter Durchschnitt 68-72, ebenfalls im Stadtteil Rotherbaum gelegen, tot aufgefunden. Die näheren Umstände seines Todes sind nicht bekannt.

Seine Witwe Fanny wohnte mit den Zwillingen zunächst weiterhin in der Rothenbaumchaussee 74a, bis sie 1887 in die Hallerstraße 43 zog. 1893 fand sie eine Wohnung in der Rothenbaumchaussee 71a. Wahrscheinlich im Jahre 1900 erhielt sie mit der Fertigstellung des heute noch bestehenden Gebäudes in der Rothenbaumchaussee 95 eine Wohnung. Fanny Bernhardt dürfte in diesen Jahren wirtschaftlich keine Probleme gehabt haben, im Hamburger Adressbuch ist sie als "Privatiere" eingetragen.

Über Kindheit und Jugend von Oscar Samson Bernhardt ist uns nichts bekannt. Er heiratete 1926 die am 29. Mai 1898 in Altona geborene aus einer evangelischen Arbeiterfamilie stammende Marie Catharina Sievers. Die Ehe wurde im April 1932 geschieden. Sie scheint kinderlos geblieben zu sein.

Oscar Samson Bernhardt flüchtete im Juni 1938 aus Deutschland in die Niederlande. Seine letzte bekannte Adresse dort lautete Amsterdam, Biesboschstraat 64a. Die deutsche Besetzung des Landes brachte für die einheimischen wie die dorthin geflohenen Juden einschneidende Verfolgungsmaßnahmen mit sich, vor allem die Internierung im Lager Westerbork. Oscar Samson Bernhardt wurde am 17. Mai 1944 hier in das "Polizeiliche Judendurchgangslager" Westerbork eingeliefert und am 19. Mai nach Auschwitz deportiert.

Das Niederländische Rote Kreuz teilte neben diesen Daten im November 1945 mit, dass seit der Deportation von Oscar Samson Bernhardt nichts mehr über ihn bekannt geworden sei. "In Erwägung gezogen, dass die deportierten Personen im Allgemeinen unmittelbar bei der Ankunft in diesem Lager vergast wurden [und] nachher kremiert, kann festgestellt werden, dass […] Oscar Samson Bernhardt am oder ungefähr am 22.5.1944 in oder in der Umgebung von Auschwitz zufolge Gaserstickung gestorben ist."
Oscar Samson Bernhardt wurde auf den 4. Februar 1949 für tot erklärt.


Olga Margaretha Bernhardt, Oscar Bernhardts Schwester, hatte in Hamburg die private höhere Mädchenschule von Carl Pracht in der Ernst-Merckstraße 15 besucht. Im Alter von vierzehn Jahren konvertierte sie zum Christentum. Sie ließ sich in München zur Malerin ausbilden und gehörte dem Reichsverband der Bildenden Künstler Deutschlands an, der von 1927 bis 1933 existierte. Nach der Ausbildung kehrte sie nach Hamburg zu ihrer Mutter zurück.

Am 15. Juli 1903 heiratete sie den am 28. Juni 1870 in Posen geborenen ebenfalls jüdischen Handelsvertreter Herrmann Guttmann. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, Martin (Geburtsdatum nicht bekannt) und Elisabeth Margareta, geboren am 23. Dezember 1905. Die Ehe wurde 1914 geschieden. Olga Margaretha Guttmann bezeichnete sich nach der Scheidung als Witwe.

Sie heiratete 1915 ein zweites Mal, und zwar den 1885 in Rumburg in Böhmen geborenen Josef Bandler, einen Bruder des Konzertmeisters des Philharmonischen Orchesters in Hamburg Heinrich Bandler. (Dieser am 8. Juni 1931 gestorbene Musiker wurde unter Anwesenheit des Bürgermeisters Carl Wilhelm Petersen sowie weiterer Hamburger Prominenz auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.)

Olga Margaretha und Josef Bandler wohnten wohl situiert in Berlin-Zehlendorf in der Straße Auerhahn 13. Am 24. August 1916 kam ihr Sohn Kurt zur Welt. Olga Margaretha Bandler erwähnte in dem Wiedergutmachungsverfahren nach dem Kriege, sie habe vier Kinder gehabt. Einzelheiten zu dem vierten Kind sind nicht bekannt.

Die in ihrer Jugend zum Christentum konvertierte Olga Margaretha Bandler galt den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme wieder als Jüdin und war allen gegen Juden gerichteten Diskriminierungen ausgesetzt. Sie durfte nicht mehr als Künstlerin arbeiten und verarmte völlig. 1938 zog sie bei ihrer Mutter in der Rothenbaumchaussee 95 ein, nachdem sie sich zuvor von ihrem Ehemann getrennt hatte. Sie bereitete für sich und ihren Sohn Kurt aus der Ehe mit Josef Bandler die Ausreise nach Argentinien vor. Beide flüchteten aus Deutschland am 30. Juli 1938. Martin, ihr Sohn aus der ersten Ehe, hielt sich bereits dort auf.

Olga Margaretha Bandlers Tochter Elisabeth Margareta war seit 22. Mai 1926 mit dem jüdischen Frauenarzt Walther Bernhard Neubauer, geboren am 15. Februar 1894 in Rothendithmold (heute ein Stadtteil von Kassel), verheiratet. Diese Familie, zu der auch deren am 25. August 1928 in Hamburg geborene Susie gehörte, emigrierte 1933 nach Shanghai.


Fanny Bernhardt, Oscar Samsons Mutter, blieb in Hamburg zurück. Sie musste im September 1942 ihre Wohnung in der Rothenbaumchaussee 95 verlassen und wurde in das "Judenhaus" Beneckestraße 6 eingewiesen. Sie starb am 26. Oktober 1942 im Pflegeheim des Jüdischen Religionsverbandes, wie sich die Jüdische Gemeinde inzwischen nennen musste, in der Schäferkampsallee 29, das als "Judenhaus" missbraucht wurde.

Stand: Februar 2023
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg, 1; 2; 4; StaH 231-3 Handelsregister B 11848 Martin Bernhardt & Co, 314-15 Oberfinanzdirektion FVg 3315 Olga Margaretha Bandler verw. Guttmann, 332-3 Zivilstandaufsicht B 105 Geburtsregister Nr. 3/1873 Martin Bernhardt, 332-5 Standesämter 8928 Geburtsregister Nr. 766/1878 Olga Margaretha Bernhardt, Nr. 767/1878 Oscar Samson Bernhardt, 6303 Geburtsregister Nr. 1576/1898 Marie Catharina Sievers, 14497 Geburtsregister Nr. 695/1905 Elisabeth Margareta Guttmann, 8624 Heiratsregister Nr. 359/1878 Olga Margaretha Bernhardt/Herrmann Guttmann, 9608 Heiratsregister Nr. 262/1926 Walther Neuerbauer/Elisabeth Margareta Guttmann, 8179 Sterberegister Nr. 504/1942 Fanny Bernhardt, 7772 Sterberegister Nr. 1703/1880 Martin Bernhardt, 8107 Sterberegister Nr. 293/1931 Heinrich Bandler, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 3795 Olga Bandler, 15916 Dr. Walther Neubauer. Anna von Villez, Mit aller Kraft verdrängt. Entrichtung und Verfolgung "nicht arischer" Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945, Hamburg 2009, S. 369f.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsverband_bildender_Künstler_Deutschlands, Zugriff am 7.10.22.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen"

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