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Rebecca Blogg (geborene Zinkower) * 1871

Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
REBECCA BLOGG
GEB. ZINKOWER
JG. 1871
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße):
Hanna Aghitstein, Julie Baruch, Ludwig Louis Baruch, Julius Blogg, Kurt Cossmann, Mathilde Cossmann, Frieda Dannenberg, Alice Graff, Leopold Graff, Flora Halberstadt, Elsa Hamburger, Herbert Hamburger, Louis Hecker, Max Hecker, Marianne Minna Hecker, Lea Heymann, Alfred Heymann, Wilma Heymann, Paul Heymann, Jettchen Kahn, Adolf Kahn, Curt Koppel, Johanna Koppel, Hannchen Liepmann, Henriette Liepmann, Bernhard Liepmann, Johanna Löwe, Martin Moses, Beate Ruben, Flora Samuel, Karl Schack, Minna Schack, Werner Sochaczewski, Margot Sochazewski, verh. Darvill, Sophie Vogel, Sara Vogel

Julius Blogg, geb. am 3.4.1863 in Uchte, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 nach Treblinka
Rebecca Blogg, geb. Zinkower, verw. Gruber, geb. am 1.7.1871 in Brody, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 nach Treblinka

Großneumarkt 38 (Schlachterstraße 40/42)

Als Rebecca Gruber und Julius Blogg am 26. Mai 1942 in Hamburg heirateten, waren sie bereits 71 und 79 Jahre alt. Vier Monate später, am 21. September, wurden sie im Vernichtungslager Treblinka zusammen mit weiteren 2001 zumeist alten Personen ermordet, die zunächst, wie auch sie, im Sommer in das "Altersgetto" nach Theresienstadt deportiert worden waren.

Julius Blogg kam am 3. April 1863 in Uchte, im Landkreis Nienburg/Weser zur Welt. Seine ältere Schwester Emma wurde am 11. Februar 1858 geboren. Der jüngere Bruder Georg am 20. März 1865 und Siegmund am 8. November 1867. Ihre Eltern, der Handelsmann Moses David Blogg (geb. 18.3.1830) und Sophia Sara, geb. Heckscher, zogen ein Jahr später in die Geburtsstadt der Mutter nach Hamburg. Sie wohnten zunächst in einer sogenannten Bude (die ebenerdigen Wohnungen der alten Fachwerkhäuser wurden Buden genannt, die darüber liegenden Wohnungen mit separatem Eingang hießen Sähle) im Hinterhof der Peterstraße 27 und später im Oppenheimer’s Stift im Kraienkamp 18 (heute Krayenkamp). Sophia Sara Blogg starb am 29. Januar 1890 im Alter von 60 Jahren. Im selben Jahr heiratete Julius’ Vater in zweiter Ehe die Hamburgerin Amalie Holländer (geb. 20.4.1846, gest. 12.10.1911). Moses David Blogg starb am 25. Februar 1905.

Mit 24 Jahren ging Julius Blogg seine erste Ehe ein. Am 31. Mai 1887 heiratete er die jüdische Schuhmachertochter Friederike Oppenheimer, geboren am 12. August 1860. Friederike, auch Rieke genannt, stammte aus Liebenau bei Hannover. Ihre Eltern hießen Salomon Oppenheimer und Sofie, geb. Stein. Das junge Paar zog nach Eimsbüttel, zunächst in die Marthastraße 1, in der Rappstraße 11 wohnten sie 1911. Julius Blogg arbeitete als Zigarrensortierer, war aber zwischenzeitlich auch als Reisender tätig. 1928 wurde er wegen Arbeitsmangels in der Zigarrenfabrik C.F.G. Schmidt, Hochstraße 4 in Altona entlassen. Das kinderlose Ehepaar lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen von einer kleinen Rente, seit 1913 im jüdischen Lazarus-Gumpel-Stift, Schlachterstraße 46/47 Haus 4 und wurde zusätzlich aus öffentlichen Mitteln unterstützt. Am 1. August 1938 starb Friederike Blogg nach längerer Krankheit. Nach dem Tod seiner Frau zog Julius übergangsweise zu seiner Nichte Sophie Cohn, geb. Koppel (geb. 25.12.1891). Die Tochter seiner 1921 verstorbenen Schwester Emma Koppel, geb. Blogg, wohnte in der Glashüttenstraße 36. Dann fand er im "Nordheim-Stift", einem der Altenheime der Jüdischen Gemeinde, in der Schlachterstraße 40/42 Aufnahme.

Julius Bloggs zweite Frau, die Schneiderin Rebecca Gruber war am 1. Juli 1871 als Rebecca Zinkower in Brody im Kronland Galizien (heute Ukraine) zur Welt gekommen. Sie war österreichische Staatsbürgerin, als sie im Jahr 1895 nach England ging. Dort lernte sie den Mützenmacher Samuel Gruber kennen, der wie sie aus Galizien stammte. Am 15. Juli 1871 war er in der Ortschaft Sokole geboren worden.

Rebecca Zinkower und Samuel Gruber heirateten am 14. Februar 1897 in Manchester. Obwohl sich das Ehepaar Gruber nach fünf Jahren in England einbürgern ließ, kehrte es nach Deutschland zurück. Ein erster Eintrag im Adressbuch findet sich 1907 in der Winsener Straße 8 in Harburg, wo das Ehepaar ein Manufakturwarengeschäft eröffnete. Die Eheleute behielten die britische Staatsbürgerschaft, ihr Einbürgerungsantrag wurde 1920 in Hamburg abgelehnt. Im Oktober 1922 zogen sie von Harburg nach Hamburg. Laut Hamburger Adressbuch wohnten sie seit 1924 im Hertz-Joseph-Levy-Stift, Großneumarkt 56 und betrieben in der Wexstraße 17 ein Wäschegeschäft. Hohe Umsätze erzielten sie nicht und wurden in den folgenden Jahren von den Gemeindesteuern, die sie als Mitglieder an die Jüdische Gemeinde zu entrichten hatten, nahezu befreit. Auf ihrer Kultussteuerkarte wurde unter der Rubrik "Kinder" verzeichnet: "Lotte Lobstein, 12 Jahre". Die Bedeutung dieses Eintrages ließ sich nicht klären. Rebecca Gruber war nach den Einträgen der Hamburger Adressbücher seit 1930 verwitwet und betrieb ihr Wäschegeschäft noch bis Ende der 1930er Jahre.

Als Rebecca Gruber und Julius Blogg Anfang 1942 beim zuständigen Standesamt ihr Aufgebot bestellten, benötigte Rebecca als Ausländerin ein "Ehefähigkeitszeugnis". Gegen ihren Antrag, von der Einreichung des Dokuments befreit zu werden, hegte der Standesbeamte Bedenken; wie er dem Reichsministerium in Berlin mitteilte, habe "die Antragstellerin mit ihrem Antrag nur beabsichtigt, ihre spätere Ausweisung als lästige Ausländerin oder die Trennung von ihrem Verlobten zu verhindern". Die Bedenken des Standesbeamten teilte Curt Rothenberger, Staatssekretär im Reichsministerium der Justiz, in seinem Antwortschreiben nicht, "da mit der restlosen Durchführung der Evakuierung der Juden zu rechnen ist", und erteilte am 9. Mai 1942 die erbetene Befreiung. Rebecca Gruber und Julius Blogg konnten sieben Tage später heiraten, und mit der Eheschließung wurde Rebecca Blogg zur deutschen Staatsbürgerin. Am 19. Juli 1942 wurden sie gemeinsam mit Julius’ verwitweter Nichte Sophie Cohn aus der Schlachterstraße nach Theresienstadt deportiert. Das Ehepaar Blogg wurde am 21. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Sophie Cohn wurde am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert.

Ludwig Blogg (geb. 24.10.1901), Sohn von Julius’ jüngerem Bruder Siegmund Blogg, war bereits am 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert worden.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 5; 7; 9; StaH 213-1 Hanseatisches Oberlandesgericht 1211; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 987 (Blogg, Julius); StaH 332-5 Standesämter 2697 u 540/1886; StaH 332-5 Standesämter 2712 u 680/1887; StaH 332-5 Standesämter 2762 u 1061/1890; StaH 332-5 Standesämter 2262 u 5233/1891; StaH 332-5 Standesämter 2377 u 4077/1895; StaH 332-5 Standesämter 13562 u 2873/1901; StaH 332-5 Standesämter 550 u 219/1905; StaH 332-5 Standesämter 8064 u 72/1921; StaH 332-5 Standesämter 1087 u 221/1938; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; www.ancestry.com (Heiratsregister Rebecca Zinkower und Samuel Gruber in Manchester England am 14.2.1897, Zugriff 6.11.2015); diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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