Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Wilhelm Buch * 1883

Amandastraße 35 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
WILHELM BUCH
JG. 1883
IM WIDERSTAND / KPD
SEIT 1933 MEHRMALS
VERHAFTET / INHAFTIERT
KZ FUHLSBÜTTEL
NEUENGAMME
ERMORDET 24.3.1943

Wilhelm Heinrich Friedrich Buch, geb. 31.7.1883, im Widerstand KPD mehrmals verhaftet 1933-1934, 1939, 1941-1942, eingewiesen in das KZ Fuhlsbüttel, überstellt in das KZ Neuengamme, ermordet am 24.3.1943

Amandastraße 35, Eimsbüttel

Wilhelm Heinrich Friedrich Buch wurde am 31. Juli 1883 in Gaarden bei Kiel in Schleswig-Holstein geboren. Er war das vierte Kind von Joachim Friedrich Wilhelm Buch (1848) und Anna Maria Buch, geb. Bielenberg (geb. 4.10.1850). Er hatte eine Schwester Wilhelmine (geb. 21.10.1885) und drei Brüder: Ernst Heinrich Friedrich (geb. 10.9.1875), Johannes Hermann Rudolph (geb. 23.1.1877), Carl August Nis Buch (geb. 12.03.1879).

Über die Kindheit und Jugendzeit von Wilhelm Buch ist uns nichts bekannt. Als er 14 Jahre alt war, verstarb sein Vater am 8. Mai 1898. Ein paar Jahre später, 1903, legte Wilhelm Buch auf der Kaiserlichen Werft in Kiel seine Gesellenprüfung im Schiffbau ab. Am 9. Dezember 1905 heiratete er Lina Auguste, geborene Wagner (geb. 14.9.1885), die ebenfalls aus Gaarden stammte, wo ihre Eltern, der "Landmann" (Landarbeiter) Carl Wagner und Henriette Wagner, geb. Paul, lebten.

Das Ehepaar Buch bekam einen Sohn, Hermann Rudolf Wilhelm Buch (hier Wilhelm Buch jun(ior) genannt), der am 17. Juni 1906 geboren wurde. Auch er erlernte später wie sein Vater den Beruf des Drehers. Ein halbes Jahr darauf zog die Familie Buch nach Hamburg. 1908 wohnten sie in der Marthastraße 52/ Eimsbüttel, 1909 zogen sie in die Amandastraße 49, 1911 in die Bartelsstraße 58/ Sternschanze und 1915 in die Susannenstraße 35/ Sternschanze, im Parterre.

Wilhelm Buch erhielt während des Ersten Weltkrieges die Einberufung zum Heer: Am 21. September 1917 begann er seinen Dienst als Kanonier beim Reserve-Fußartillerie-Regiment Nr. 20. Dieses Reserve-Regiment gehörte zum Lauenburgischem Fussartillerie-Regiment. Dessen drei aktiven Bataillone waren auf drei Divisionen verteilt mit einem Ersatz (Reserve)-Bataillon. Es lag im Wesen von Ersatz-Bataillonen, in der Heimat zu bleiben, um als "Personalreservoir" zur Ergänzung der aktiven Bataillone zu dienen. Vermutlich wurde Wilhelm Buch in einer der drei Divisionen und in Gefechten mit dem Reserve-Regiment eingesetzt, verlässliche Informationen dazu existieren nicht.

Nachgewiesen ist aber, dass Wilhelm Buch mehrmals in Kriegslazaretten behandelt wurde: am 20. November 1917, am 7. Januar 1918 wegen Magenkatarrh und Mandelentzündung, vom 1. März bis zum 12. März 1918 wegen einer Quetschung der Zehen und von 15. März bis zum 11. Mai 1918 wegen einer Quetschung des linken Fußes. Mindestens ein Aufenthalt fand im Kriegslazarett Le Chateau statt.

Nach Aussagen seines Sohnes Wilhelm Buch jun. arbeitete sein Vater vor und nach dem Ersten Weltkrieg als Dreher in Hamburg. Seit 1921 wohnte die Familie in der Amandastraße 35/ Eimsbüttel im dritten Stock. 1928 bestand Wilhelm Buch die Führerscheinprüfung. 1929 trat er in die KPD ein und wurde auch Mitglied im Rotfrontkämpferbund (RFB) und dem DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband).

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 geriet die Familie Buch ins Visier der Verfolgungsorgane. Wilhelm Buch wurde Opfer gleich der ersten staatlichen Repressionsmaßnahmen gegen Kommunisten. Aufgrund der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat", die am 28. Februar 1933 nach dem Brand des Reichstags erlassen wurde, konnten missliebige Personen festgenommen und beliebig lange inhaftiert werden. So geschah es Wilhelm Buch, der vom 26. Juli 1933 bis zum 12. April 1934 in "Schutzhaft" im Konzentrationslager Fuhlsbüttel einsaß. Die Begründung lautete, er habe sich wahrscheinlich als Vertrauensperson der KPD zur Verfügung gestellt, um als Absender auf Briefen genannt zur werden. Ebenfalls verhaftet wurden seine Frau Lina Auguste Buch, Wilhelm jun. und die zukünftige Schwiegertochter Nanny Emma Johann Buch, geborene Steinhagen.

Die Ehefrau und Schwiegertochter kamen nach 12 Wochen frei, Wilhelm Buch jun. blieb bis Mai 1934 inhaftiert. Wilhelm Buch sen. Wurde gleich nach seiner "Entlassung" als "Schutzhäftling" in Untersuchungshaft genommen, die vom 13. April bis zum 22. Juni 1934 andauerte. Wieder entlassen, fand er Arbeit als Dreher bei der Firma Kampnagel.

Während der Verhaftung hatte die Gestapo auch ein Motorrad der Marke Triumpf im Wert von über 1000 RM und ein weiteres Motorrad der Marke Super-Ex mit Seitenwagen beschlagnahmt.

Wilhelm Buchs Freiheit währte nur kurz: Am 7. September 1934 wurde er abermals verhaftet und durch ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht vom 14. November 1934 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach Aussage seines Sohnes war Wilhelm im Besitz einer Maizeitung gewesen (KPD-Zeitung zum 1. Mai), laut Gestapo wegen Verbreitung von Flugblättern verurteilt worden. Er verbüsste seine Strafe im Gefängnis in Lübeck-Lauerhof.

Am 3. Mai 1935 stellten Wilhelm Buch und sein Rechtsanwalt Dr. Walter Klaas ein Gnadengesuch. Wilhelm Buch bat um die Anrechnung der "Schutzhaft" und - mit Rücksicht auf seine kranke Frau Lina Auguste Buch - um vorzeitige Entlassung. Der Verteidiger hoffte zudem mit Verweis auf den mässig geringen Umfang der strafwürdigen Tätigkeit auf den Erlass der Reststrafe. Doch der Generalstaatsanwalt lehnte das Gnadengesuch wegen der angeblichen Gefährlichkeit der Tat ab und führte weiter aus, dass die Strafzumessung die Zeit der Schutzhaft bereits stillschweigend berücksichtigt habe. Das Gericht schloss sich dem am 9. Mai 1935 an. Wilhelm Buch wurde erst am 7. September 1935 aus der Haft entlassen. Er war zu diesem Zeitpunkt 52 Jahre alt.

Seine Mutter Anna Maria Buch verstarb am 25. Dezember 1935 in Kiel.

Wilhelm Buch nahm seine Arbeit bei Kampnagel wieder auf und wechselte dann zu Blohm & Voss. Nach vier Wochen dort wurde er auf Veranlassung der Gestapo entlassen. Eine neue Anstellung bei der Werft "Stülcken Sohn" verlor er nach acht Wochen, wiederum auf Veranlassung der Gestapo.

Im Anschluss fand er Arbeit bei der "U.v.d. Osten & Kreisinger, Maschinenfabrik und Eisengießerei, Winterhuder Weg", als Dreher. Bei dieser Firma konnte er bis zu seiner dritten Verhaftung bleiben.

Am 24. Dezember 1936 heiratete sein Sohn, Wilhelm Buch jun., Nanny Emma Johann Buch, Wilhelm Buch sen. fungierte als Trauzeuge. Inzwischen war er auch Großvater: Das junge Ehepaar Buch hatte bereits – so ist einem späteren polizeilichen Vernehmungsprotokoll zu entnehmen – einen 1934 geborenen Sohn, ein zweiter wurde vermutlich 1944 geboren.

1936/1937 zogen das Ehepaar Buch wie die Familie des Sohnes in die Lindenallee 10 / Eimsbüttel (die Hausnummer gibt es heute nicht mehr).

Bei Kriegsbeginn wurde Wilhelm Buch sen. nicht eingezogen, aufgrund seiner politischen Vorstrafen galt er als "wehrunwürdig".

Am 13. November 1941 bestellte die Gestapo Dienststelle K.II A ("Kommunismus und Marxismus") Wilhelm Buch sen. ein und nahm ihn fest. Vielfach verhört, verblieb er zum 20. November in Polizeihaft im Stadthaus und wurde am 22. November 1941 in das nun "Polizei-Gefängnis Fuhlsbüttel" genannte "Kolafu" überstellt. Ein Gerichtsverfahren folgte, in dem ihm vorgeworfen wurde, einem Schwerverbrecher eine Pistole überlassen zu haben. Deswegen und wegen Hehlerei (Kauf von ca. zwei Pfund Butter) erhielt er eine Haftstrafe von 4 Monaten Gefängnis.

Obwohl Wilhelm Buch diese Strafe bereits durch die "Schutzhaft" verbüsst hatte, wurde er in das KZ Neuengamme "zur Umerziehung" überstellt, da er immer noch als Regimegegner galt. Dies erfuhr seine Frau mündlich in der Gestapo-Dienstelle Stadthausbrücke, als sie sich erkundigte, warum ihr Mann nicht aus der Haft entlassen wurde, obwohl er laut Gerichtsdokumenten seine Strafe verbüsst habe.

(Die Schwiegertochter erinnerte, sie habe damit gerechnet, dass auch ihr Ehemann nach Neuengamme eingewiesen würde. Dies sei jedoch dadurch verhindert worden, dass der Arbeitgeber Kampnagel, ihn als unentbehrliche Arbeitskraft reklamiert habe.)

Das Ehepaar Buch sen. wie die Familie des Sohnes verloren 1942 durch einen Bombenschaden die Wohnungseinrichtungen.

Wilhelm Buch war am 2. Juli 1942 aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel "entlassen" und am 3. Juli 1942 in das KZ Neuengamme eingewiesen worden. Er erhielt dort die Häftlingsnummer: 07675. Die Haftnummer-Präfix "Pol.", stand für "politischen Häftling", wahrscheinlich trug seine Kleidung einen roten Winkel. Zu diesem Zeitpunkt war er schon 59 Jahre alt, durch die harte Arbeit als Dreher, seine Verletzungen aus dem Ersten Weltkrieg und durch mehrjährige Haft körperlich gezeichnet.

Der Tagesablauf der Häftlinge in Neuengamme war hart, die Arbeitszeit betrug 10 bis 12 Stunden täglich, dazu kam, dass die hygienische Situation völlig unzureichend war. Unterlagen der heutigen Gedenkstätte Neuengamme geben Auskunft, dass Wilhelm Buch zwischen Juli und den Wintermonaten 1942 mehrmals auf der Krankenstation behandelt wurde (was selbstredend nicht mit einer gewöhnlichen medizinischer Versorgung vergleichbar war). Die von der SS zugestandene medizinische Versorgung diente nur sehr bedingt einer Heilung der Häftlinge, Ziel war es vielmehr, die Arbeitskraft der Häftlinge mit minimalem Aufwand zu erhalten, wobei der Tod vieler Häftlinge in Kauf genommen wurde.

Das Krankenrevier-Totenbuch vom 24. März 1943, dem Todesdatum von Wilhelm Buch, verzeichnet als Todesursache "Cardiale Insuffizienz" (Herzinsuffizienz). Die Gedenkstätte Neuengamme dazu: "Ob dies zutrifft, ist unklar, da die SS oftmals willkürliche Gründe für den Tod der Häftlinge in diese Dokumente eingetragen hat, um die tatsächlichen Todesursachen wie Misshandlung, Hunger und tödliche Erschöpfung zu verschleiern".

Nach der Einäscherung der Leiche im KZ Neuengamme im eigenen "Krematorium" wurde die Urne auf dem Friedhof in Ohlsdorf in der Grablage Plot 6, Nr. 707 beigesetzt. (Wilhelm Buch jun. ließ die Urne am 15. Juli 1954 auf den Friedhof der Evangelischen Kirche in Bergstedt überführen. Nach Aussage der Friedhofverwaltung kann nicht festgestellt werden, ob die Urne noch dort vorhanden ist.)

Lina Auguste Buch erhielt als Hinterbliebene des als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zu Tode gekommenen Wilhelm Buch im Juli 1948 einen Bescheid über Hinterbliebenenrente nach dem ʺGesetz über Sonderhilfsrentenʺ der Arbeitsbehörde Hansestadt Hamburg. Ihre monatliche Rente betrug 140 DM. Sie verstarb am 5. Juli 1954 im Hamburg.

Nach dem Ende des Krieges reichte Wilhelm Buch junior zahlreiche Klagen ein. Unter anderem erhielt er in einem Vergleich für die beschlagnahmten Motorräder von der Landesversicherungsanstalt in Hamburg eine Entschädigung. Er verstarb am 26. Februar 1964, seine Frau Nanny am 5. September 1986, beide in Hamburg.

Stand: August 2022
© Marc Petzoldt/Bärbel Klein

Quellen: StaH, 213-13 Staatsanwaltschaft – Strafsachen 26026 (Wilhelm Buch), 67720 (Wilhelm Scheuermann); 351-11 Amt f. Wiedergutmachung 8254 (Wilhelmine Fabreck), 30988 (Wilhelm Buch), 30991 (Lina Auguste Buch); 332-5 Heiratsregister 8652 Nr. 51/1907 Fabeck/Buch,14688 Nr. 665/1936 Buch/Steinhagen, Sterberegister 431 Nr. 641/1899 Joachim Adolf Friedrich Buch,10721 Nr. 1496/1943 Wilhelm Heinrich Buch; ITS Archives Bad Arolsen Digital Archive 1.2.2.1 [11341381], [3425208], [3425209], 1.1.30.2 [3432412], 1.1.30.1 [3417832], [3417427], (Email vom 6.10.2021); Kremation in Neuengamme, Arbeitsnachweis Kampnagel, DRK, KZ Nachweis schriftliche Unterlagen von der Ernst Thälmann Gedenkstätte 1.11.2021; Nachweis zur Grabstätte Friedhof Ohlsdorf; Bundesarchiv Berlin R 3001/181083 und R 3018/9967 Verurteilung; Archiv der Gedenkstätte Neuengamme: Krankenreviertotenbuch, Laboruntersuchungsbuch, E-Mail vom 13.11.2020 von Johanna Kornell; Unterlagen der VVN, E-Mail vom 14.10.2021, ein Karteiblatt "Unsere Toten", sowie In den Personenakten desselben Komitees fanden sich Akten zu Lina Buch (geb. Wagner), Hermann Rudolf Wilhelm Buch und Nanny Buch (geb. Steinhagen); www.wikipedea.de (Einsicht am 6.10.2021).

druckansicht  / Seitenanfang