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Stolperstein für Gustav Joseph Cohen
© Johann-Hinrich Möller

Gustav Joseph Cohen * 1887

Trommelstraße Ecke Lincolnstraße (vormals Trommelstraße 25a) (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
GUSTAV JOSEPH
COHEN
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 2.3.1942

Weitere Stolpersteine in Trommelstraße Ecke Lincolnstraße (vormals Trommelstraße 25a):
Alfred Siegbert Cohen

Alfred Siegbert Cohen, geb. am 26.12.1923, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, deportiert ins Vernichtungslager Chelmno am 7.9.1942, dort ermordet
Gustav Joseph Cohen, geb. am 29.1.1887, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, gestorben am 2.3.1942
Martha Cohen, geb. Aron, geb. am 11.11.1891, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, gestorben am 12.2.1942

Trommelstraße/Ecke Lincolnstraße (Trommelstraße 25 a)

Die Transportliste der am 25. Oktober 1941 vom Hannoverschen Bahnhof von Hamburg nach Lodz deportierten Juden und Jüdinnen verzeichnete Gustav Cohen, seine geschiedene Ehefrau Martha Cohen und den Sohn Alfred. Niemand von ihnen kehrte zurück. Ein Auswanderungsvorhaben nach Shanghai war wenige Monate zuvor gescheitert.

Am 3. Februar 1887 zeigte der jüdische Kaufmann Joseph Levy (Leopold) Cohen beim Hamburgischen Standesamt die Geburt seines Sohnes Gustav Joseph an. Seine Ehefrau Rosalie, geb. Meyer, ebenfalls jüdischer Religion, hatte den Jungen am 29. Januar in der Wohnung des Ehepaares, Großer Burstah 10, zur Welt gebracht. Laut Angabe auf seiner Kultussteuerkarte war Gustav Cohen getauft.

Im Alter von 26 Jahren wurde Gustav Cohen selbst Vater; seine Ehefrau Rosi, geb. Horwitz, gebar am 25. Dezember 1913 einen Sohn namens Werner Joseph.

Ein Jahr zuvor hatte Gustav Cohen in der Schäferkampsallee 4 ein Gewerbe als Zeitungsverleger und Kaufmann angemeldet. Anschließend fand er Beschäftigung in der Tabakgroßhandlung seines Schwiegervaters, der Firma "Siegmund Horwitz, Rohtabak" in der Hallerstraße in Hamburg. 1919, sechs Jahre nach der Geburt ihres Sohnes, erkrankte Rosi Cohen an einer Grippe und verstarb.

1920/21 betrieb Gustav Cohen gemeinsam mit seinem Schwager Meno Horwitz die Firma "Cohen und Horwitz", die er ab 1921 als Alleininhaber führte, bis 1924 ein Konkursverfahren eröffnet werden musste. Gustav Cohen heiratete ein zweites Mal: Martha, die am 11. November 1891 als Tochter von Martin und Therese Aron, geb. Cohen, zur Welt gekommen war. Sie war gelernte Hutmacherin. Am 26. Dezember 1923 bekam das Ehepaar den Sohn Alfred Siegbert. Der inzwischen zehnjährige Werner, Sohn aus der ersten Ehe, lebte ebenfalls bei ihnen.

Seit dem Konkurs der Firma "Cohen und Horwitz" zahlte Cohen keine Kultussteuern mehr an die Jüdische Gemeinde. 1930/31 wohnte er in der Schäferkampsallee 44 in Hamburg und bemühte sich, seinen Lebensunterhalt als Kleinhändler in der Tabakbranche zu verdienen. 1934 war auf seinen Namen ein Zigarren- und Tabakgeschäft in der Marthastraße 3 in Hamburg angemeldet. 1935 betrieb er eine Zigarrenhandlung im Erdgeschoss der Trommelstraße 25 a in Hamburg-St. Pauli (heute Altona-Altstadt), später ein Zigarrengeschäft in der Eckernförderstraße 65 (ab 1941 Simon-von-Utrecht-Straße), wo er auch wohnte. Zuvor befand sich das Geschäft im Besitz seines Schwagers Meno Horwitz, der 1936 nach Frankreich ausgewandert war.

Inzwischen war die Ehe von Gustav und Martha Cohen geschieden worden. Gustav Cohen lebte in der Kellerwohnung Eckernförderstraße 65 mit seiner Freundin Inge Aronoff, genannt Minna, zusammen. Nachdem sie 1938 ihre Anstellung verloren hatte, wanderte die Kontoristin und Buchhalterin im folgenden Jahr mit einer Hausmädchen-Lizenz nach England aus.

Werner Cohen hatte von April 1924 bis März 1931 die Talmud Tora Schule besucht und dann bis April 1933 eine kaufmännische Lehre bei den Lack- und Farbwerken "Stern" A. G. in Fulda absolviert, wo er anschließend als Angestellter tätig war, infolge der "Arisierung" der Firma jedoch entlassen wurde. Seither bereitete er seine Auswanderung nach Palästina vor. 1934 erlernte er dafür neun Monate lang das Schlosserhandwerk in einem Umschulungskurs der Hamburgischen Jüdischen Beratungsstelle für Wirtschaftshilfe. Zudem leitete er den Zentraleinkauf des Kibbuz Maanith, einer Lebensmitteleinkaufsstelle für die Ausbildungsstätten in Hamburg und Umgebung. Wegen eines Herzfehlers war ihm jedoch die Einwanderung nach Palästina verwehrt. 1938 arbeitete er als Mechaniker für die Hamburger Firma Max Due-ring, Lötapparate und Reparatur. Während des Pogroms am 10. November 1938 wurde er in der Grindelallee auf offener Straße verhaftet. Bis zum 24. Dezember saß er im KZ Sachsenhausen ein und leistete schwere Zwangsarbeit beim Bau. Bedingung für seine Freilassung war die Ausreise. Werner Cohen emigrierte im März/April 1939 über Paris und Marseille nach Shanghai.

Gustav Cohen, der als Fürsorgeempfänger seit 1940 zur "Pflichtarbeit" eingeteilt war, versuchte nun ebenfalls nach Shanghai zu entkommen. Die chinesische Stadt war in den Jahren 1939 bis 1941 neben wenigen südamerikanischen Ländern eines der letzten verbliebenen Fluchtziele; zudem verlangte Shanghai kein Visum.

Unerlässlich für die Auswanderungserlaubnis war die "Unbedenklichkeitsbescheinigung" der Behörde des Oberfinanzpräsidenten mit der Bestätigung, dass alle Steuern und Abgaben entrichtet waren. Dem Finanzamt Hamburg-St. Pauli-Eimsbüttel legte Gustav Cohen eine Vermögenserklärung vor, aus der hervorging, dass er weder Vermögen besaß noch über nennenswertes Bargeld verfügte. Nach den Erklärungen der Reichsbankhauptstelle Hamburg und der Steuerverwaltung, dass er mit keinerlei Abgaben im Rückstand sei, wurde am 19. Januar 1940 die "Unbedenklichkeitsbescheinigung" "zum Zwecke der Auswanderung für den Zigarrenhändler G. J. Cohen" erteilt. Es dauerte aber noch einmal zwei Wochen, bis die "UB" Anfang Februar zugestellt wurde.

Nun kontrollierte die Devisenstelle sein Umzugsgut und die angeforderten, von ihm aufgestellten Listen für Reise- und Handgepäck. Seine Umzugsgutkisten wurden wegen "Geringfügigkeit" nicht vom Gerichtsvollzieher überprüft; mit der Notiz "hat kein Vermögen und Einkommen" wurde die Verbringung der Sachen ins Ausland am 10. Februar genehmigt. Die Jüdische Gemeinde unterstützte seine Auswanderung. Die Hamburger Beratungsstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Abteilung Wanderung, eine Auswanderungsberatungsstelle für jüdische Emigranten, bestätigte am 18. Februar, dass Gustav Cohen "die Einreise nach Shanghai besitzt und die Fahrkosten von uns geregelt werden".

Doch die Auswanderungsbemühungen schlugen fehl. Am 6. Mai 1940 musste Gustav Cohen zu einer "persönlichen Aussprache" in der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten erscheinen. Zwei Wochen später verfügte die Devisenstelle: "Die Auswanderung des Gustav Israel Joseph Cohen kann zurzeit noch nicht erfolgen." Eine letzte Notiz in den Auswanderungsformularen lautete: "Handgepäckliste erst bei der Schlussabfertigung genehmigen, da noch ein versiegeltes Paket vorgelegt werden muss mit versilberten Sachen." Vielleicht lieferte das den Anlass, seine Ausreise zu blockieren. Nach der Verzögerung der vorgeschriebenen Formalitäten durch die Behörden und einem fast halbjährigen Nervenkrieg schwand die letzte Chance, der Verfolgung zu entrinnen.

Ab dem 19. September 1941 mussten die Cohens den "Judenstern" tragen. Mit Beginn der Deportationen im Oktober 1941 wurde die Auswanderung generell verboten.

Der letzte Wohnsitz von Gustav und Alfred Cohen war die Wohnung des gebürtigen Wieners Alfred Deutsch in der Grindelallee 156, in der auch Martha Cohen einquartiert war. Auf Gustav Cohens Kultussteuerkarte, auf der bereits das Auswanderungsvorhaben "Shanghai Feb./März 40" notiert worden war, erfolgte der letzte Eintrag mit der durch die Gestapo vorgeschriebenen Formulierung: "ausgeschieden den 25. Okt. 1941 durch Aussiedelg."

Gustav Cohen, sein Sohn Alfred und seine geschiedene Frau Martha Cohen wurden mit dem Großtransport am 25. Oktober 1941 nach Lodz im deutsch besetzten Polen deportiert. Der 1. November war der Ankunftstag im Getto. Martha Cohen starb dort noch im selben Winter am 12. Februar 1942. Zweieinhalb Wochen später, am 2. März 1942, kam auch Gustav Cohen im Alter von 55 Jahren ums Leben. Der gemeinsame Sohn Alfred überlebte Kälte, Hunger und Infektionskrankheiten noch ein halbes Jahr, in dessen Verlauf er mehrfach im Getto umzog. Am 7. September 1942 musste der Neunzehnjährige die Fahrt ins nahegelegene Vernichtungslager Chelmno antreten und wurde dort in einem der dafür umgerüsteten Lastwagen mit Gas ermordet.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 2 (FVg 8676, Cohen, Gustav); 4; 5; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 1 Band 1 (Deportationsliste Litzmannstadt 25.10.1941); AB Altona und Hamburg; StaH 332-5 Standesämter, 2138 (Eintrag Nr. 403); StaH 351-11, Amt für Wiedergutmachung, 10004 (Cohen, Gustav), 39352 (Cohen, Werner), 27228 (Aronoff, Inge, Minna); Archiwum Panstwowe w Lodzi, Ankunfts- und Abgangsdokumente des Gettos Litzmannstadt.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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