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Thekla Daltrop (geborene Fuchs) * 1883

Großneumarkt 56 (Hamburg-Mitte, Neustadt)

entrechtet gedemütigt
Flucht in den Tod 24.10.1941

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 56:
Sella Cohen, Bertha Cohen, A(h)ron Albert Cohn, David Elias, Theresia Elias, Louisa(e) Elias, Helene Martha Fernich, Martha Minna Fernich, Camilla Fuchs, Siegmund Josephi, Robert Martin Levy, Hertha Liebermann, Fritz Mainzer, Elsa Nathan, Ruth Nathan, Siegfried Neumann, Fanny Neumann, Lieselotte Neumann, Mirjam Neumann, Max Leo Neumann, Therese Neumann, Bela Neumann, Josef Polack, Bertha Polack, Eva Samuel, Rosa Therese Weil, Bernhard Weil, Rosa Weinberg, Siegfried Weinberg

Thekla Daltrop, geb. Fuchs, geb. am 28.5.1883 in Prag, Freitod am 24.10.1941 in Hamburg

Großneumarkt 56

Camilla Fuchs, geb. am 1.2.1886 in Prag, Freitod am 24.10.1941 in Hamburg

Großneumarkt 56
Dammtorstraße 28 (Oper)

Am 24. Oktober 1941 erschien der Hauswart aus dem ehemaligen Hertz-Joseph-Levy-Stift, Josef Polack (s. dort), auf dem Polizeirevier 34 und meldete den Tod der Schwestern Thekla Daltrop und Camilla Fuchs aus dem gegenüberliegenden Hause Großneumarkt 56A. Da er die Schwestern in den vergangenen Tagen nicht gesehen hatte und sie sich auch nicht an der Wohnungstür meldeten, ließ er die Tür von einem benachbarten Schlosser öffnen.

In der Küche fand er die beiden Frauen in Korbsesseln tot auf. Sie hatten vom Herd den Gasschlauch entfernt und waren an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben. Der Grund ihres Freitods war neben mehreren Urkunden am Küchenbüfett befestigt: die "Evakuierungsbefehle" Nr. 416 und Nr. 1205.

Als die Schwestern Thekla und Camilla in einer kinderreichen jüdischen Familie in Prag geboren wurden, gehörte ihre Heimat zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Ihr Vater Samuel Fuchs (geb. 1827), stammte aus Hořice (Horitz/Horschitz) in Ostböhmen (heute Tschechien), wo auch die beiden älteren Kinder Siegfried (geb. 1863) und Anna (geb. 1865), geboren wurden. Ende 1865 zogen die Eltern nach Prag in die Heimatstadt der Mutter Helene/Lotti, geb. Klemperer (geb. 1840). Dort wurden die Kinder Julie (geb. 1866), Pauline (geb. 1867), Rudolf (geb. 1870), Ernst (geb. 1871), Hugo (geb. 1872), Arthur (geb. 1874), Karl (geb. 1876), Leopold (geb. 1878), Josef (geb. 1879) und Eduard (geb. 1882) geboren. Thekla und Camilla folgten als die jüngsten der insgesamt vierzehn Kinder. Nach einem Eintrag des Melderegisters der Stadt Prag war der Vater als Hausierer tätig. Die Mutter Helene soll eine Geflügelhandlung betrieben haben.

Wann die Schwestern, die die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, Prag verließen, ist nicht bekannt. Thekla wohnte seit 1914 in der Straße Kohlhöfen 17 und verdiente ihren Lebensunterhalt als Verkäuferin. Sie zog in die Dammtorstraße 21 und von dort, 1925, in die Altstadt, Brandsende 21/23. Am 27. Oktober 1927 heiratete sie 44-jährig den Makler Hermann Daltrop (geb. 28.2.1879), der einer jüdischen Familie aus Gütersloh entstammte, die ihren Wohnsitz 1883 nach Harburg verlegt hatte (s. Stolpersteine in Hamburg-Harburg über Familie Else, Fritz und Theodor Daltrop und Henny Hansen, geb. Daltrop).

Hermann Daltrop betrieb ein Büro für "Finanzierungen, Geschäftsverkäufe und Teilhaberbeschaffungen" im "Guatemala-Haus" in der Gerhofstraße 3–5. Das kinderlose Ehepaar wohnte im Münstermannsweg 6, später im Rungestieg 3 in Hamburg-Barmbek. Hermann Daltrop verstarb am 12. März 1935. Thekla Daltrop verließ Barmbek und zog in die Kaiser-Wilhelm-Straße 23–31 in den Rosenhof. Auf ihrer Kultussteuerkarte vermerkte ein Mitarbeiter der Deutsch-Israelitischen Gemeinde im November 1940: "völlig mittellos".

Ihre Schwester Camilla blieb unverheiratet und wohnte im Grindelviertel, Durchschnitt 13. Sie war Sopranistin und wurde im Sommer 1931 aus dem Chor des Hamburger Stadttheaters entlassen. Ein Jahr nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde 1934 das Stadttheater in Hamburgische Staatsoper umbenannt. Den jüdischen Ensemblemitgliedern und Angestellten wurde gekündigt oder sie wurden zwangsweise in den Ruhestand versetzt.

Camilla Fuchs zog vom Grindel an den Hammer Berg 44 in Hamburg-Hamm. 1934 lebte sie als Pensionärin im Mittelweg 175. 1937 wohnte auch sie in der Kaiser-Wilhelm-Straße 23–31. Von dort zogen die Schwestern in das jüdische Hertz-Joseph-Levy-Stift, Großneumarkt 56.

Camilla Fuchs bewohnte eine 2-Zimmerwohnung im dritten Stock, Thekla Daltrop eine 1-Zimmerwohnung im Hinterhaus des Stiftes. Thekla hatte mit der Eheschließung die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Ihre Schwester Camilla hingegen wurde nach der deutschen Besetzung der Gebiete Böhmen und Mähren am 15. März 1939, aufgrund ihres Geburtsortes Prag zur "Protektoratsangehörigen" erklärt.

Am 21. Oktober 1941 erhielten die Schwestern ihre "Evakuierungsbefehle". Sie sollten mit dem ersten Hamburger Transport am 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert werden. Um der bevorstehenden Deportation zu entgehen, zogen sie es vor, sich gemeinsam das Leben zu nehmen.

Ein handgeschriebener Zettel ohne Unterschrift enthielt knapp ihren letzten Willen: "Unser letzter Wunsch: wir bitten, dass Frau Simon nicht unsere Leichen bewacht [Trauerritual, hebr. Schiwa]. Dann bitte die blaue Tasche, braunen Hut Herrn Harriel Elias für unsere Schwester Pauline Eckhard zu überreichen. Das Geld für die Beerdigung [ist] nach Ohlsdorf überwiesen. Dann möchte ich meinen Trauring anbehalten."

Thekla Daltrops letzter Wunsch wurde nicht erfüllt. Ihr Ehering wurde mit dem noch verbliebenen Besitz der Schwestern zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt. Ihre Wertgegenstände hatten sie bereits lange vorher bei den staatlichen Stellen abgeben müssen.

Ihre erwähnte Schwester Pauline Eckhard (geb. 18.5.1867) hatte nach Beendigung der Volksschule Gesang studiert und war anschließend im Deutschen Theater in Prag als Chorsängerin beschäftigt. Am 12. Dezember 1897 heiratete sie den Hotelportier und Dolmetscher Karl/Charles Eckhard (geb. 1874 in New York). Die Ehe wurde früh geschieden. Ihr einziger Sohn Egon (geb. 19.5.1899) erlag im März 1935 in Italien einem Lungenleiden, einer Kampfgasvergiftung aus dem Ersten Weltkrieg. Von 1912 bis 1918 sang auch Pauline Eckhard im Hamburger Stadttheater. Sie lebte im jüdischen Lazarus-Gumpel-Stift in der ehemaligen Schlachterstraße 46/47 in unmittelbarer Nähe ihrer Schwestern.

Pauline Eckhard erhielt ihren "Evakuierungsbefehl" für den 19. Juli 1942 und musste sich einen Tag vor ihrem Abtransport nach Theresienstadt im Sammellager der Volksschule in der Schanzenstraße 105 einfinden. Pauline Eckhard überlebte das Getto Theresienstadt, am 8. Mai 1945 wurde sie von russischen Truppen befreit. Sie kehrte nach Hamburg zurück und starb im Alter von 91 Jahren am 31. Dezember 1958 im jüdischen Altersheim in der Schäferkämpsallee 27.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 9; StaH 331-5 Polizeibehörde-Unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1942/331; StaH 331-5 Polizeibehörde-Unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1941/1899; StaH 351-11 AfW 1148 (Eckhard, Pauline); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1128 (Eckhard, Pauline); StaH 332-5 Standesämter 3553 u 719/1927; StaH 332-5 Standesämter 7170 u 380/1935; StaH 332-5 Standesämter 1139 u 388/1941; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; AB 1915, 1927, 1931; Narodni archiv, Conscriptions (1850–1914) – Applications for Residence Permit of Prague Police Headquarters in: www.nacr.cz/english/conscriptions.aspx (Zugriff 3.8.2011).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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