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Olga Delbanco * 1876

Haynstraße 10 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Haynstraße 10:
Gertrud Brühl, Wilhelm Cohn, Hermann Falkenstein, Josefine Holländer, Fanny Kallmes, Elfriede Ruben

Olga Delbanco, geb. 24.2.1876 in Hamburg, deportiert 18.11.1941 nach Minsk

Haynstraße 10 (Eppendorf)

Olga Delbanco wurde 1876 in Hamburg als Tochter des Kaufmanns Hirsch Elias Delbanco (1831–1906) und Hanna Delbanco geb. Arnhold (1843–1914) geboren.
Die Delbancos waren eine weitverzweigte Hamburger Familie, die schon im Adressbuch der Hansestadt von 1794 mit vier Haushaltsvorständen notiert war, allesamt Kaufleute. Der Großvater Elias Israel Delbanco (1802–1880) lebte zuletzt am Großneumarkt 30 (Neustadt), wo auch der unverheiratete Hirsch E. Delbanco bereits 1864 bis 1867 aufgrund seiner Geschäftstätigkeit einen eigenen Adressbucheintrag hatte. Hirsch E. Delbanco und Hanna Arnhold, Tochter des Kaufmanns Eduard Arnhold u. Caroline geb. Neustadt, hatten sich nach der Ziviltrauung (15.11.1867) auch von Oberrabbiner Dr. Anschel Stern (1820–1888) in der Synagoge trauen lassen (25.12.1867). Vor Olga Delbanco waren die Geschwister Adelheid (1868–1940), Eduard (1869–1925) und Ernst (1871–1932) in der Wohnung Deichthorstraße 8 (St. Georg, Klostertor) zur Welt gekommen. Der Vater hatte 1862 den Bürgerbrief der Hansestadt Hamburg erworben, ein Zeichen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Solidität. Er gründete im Juni 1862 zusammen mit Jens Christian Folkmann das Tuchlager, Kommissions- u. Speditionsgeschäft Delbanco & Folkmann, das von 1872 bis zu seiner Liquidierung im Dezember 1878 seinen Sitz am Alten Wall 74 (Altstadt) hatte. Anschließend betrieb Hirsch Delbanco von 1881 bis 1897 eine "Slips- u. Cravattenfabrik" in der Deichstraße 8 /Altstadt (1881–1883) und Bohnenstraße 12 (1884–1895), direkt bei der St. Nicolaikirche, die auch Vermieterin war. Vermutlich zeitgleich mit der Auflösung der Firma erfolgte der Umzug in die Bogenstraße. Der Vorname von Hirsch Delbanco tauchte in den Adressbüchern immer nur mit einem abgekürzten H. E. auf.

Die Familie von Hirsch und Hanna Delbanco wohnte lange in der Deichthorstraße 8 in St. Georg (1868–1888), einem Haus, das vermutlich den Schwiegereltern von Hirsch Delbanco gehörte. Danach lauteten die Wohnadressen Klosterallee 31 (1889–1892), Bogenstraße 11a in Eimsbüttel (1893–1896), Kielortallee 15/ Eimsbüttel (1896–1901), Eppendorfer Baum 5/ Harvestehude (1901–1903) und Heinrich-Barth-Straße 8/ Rotherbaum (ab 1903). Beide Eltern wurden auf dem Jüdischen Friedhof Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt.

Olga Delbanco begann nach ihrer Ausbildung auf dem Lehrerinnen-Seminar in Hamburg im Oktober 1895 mit der Unterrichtstätigkeit als Volksschul-Lehrerin, sie war zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt und damit noch nicht volljährig. Im Januar 1899 erfolgte ihr Eintritt in den Hamburgischen Schuldienst. Sie unterrichtete in Hamburg-Eimsbüttel an der Knaben- und Mädchenschule Tornquiststraße 19a (u.a. 1907–1915) sowie an der Mädchenschule Hohe Weide 12 (u. a. 1918–1923). Die Volksschule Hohe Weide war 1887 bis 1890 als Knaben- und Mädchenschule mit separaten Eingangsbereichen, in einem einheitlichen Baukörper mit gemeinsamer Turnhalle für jeweils vierzehn Klassen errichtet worden – ein damals üblicher Bautyp für die steigenden Schüler/innenzahlen der wachsenden Hansestadt. Während des Ersten Weltkrieges wurden auch im Stadtteil Eimsbüttel Schulen zu Lazaretten umfunktioniert und die Schüler/innen auf andere Schulen verteilt. 1923 hatte das Deutsche Reich Krisen historischen Ausmaßes zu bewältigen, darunter die Bekämpfung der Inflation durch das "Wunder" der neuen stabilen Rentenmark (1 Dollar = 4,20 Rentenmark = 4,2 Billionen Papiermark). Zu den rigorosen Maßnahmen des Deutschen Reiches wie des Stadtstaates Hamburg gehörte auch der Personalabbau von rund 1,6 Millionen Beamten und Angestellten, die bis zum 1. April 1924 in den Ruhestand geschickt wurden. Davon war auch das Schul- und Erziehungswesen betroffen. So bezog auch die mittlerweile 48jährige Olga Delbanco ab 1. April 1924 als einstweilig in den Ruhestand (Wartestand) versetzte Beamtin ein "Wartegeld".

Erst nach ihrem einstweiligen Ruhestand 1924 wurde Olga Delbanco als eigenständiges Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde geführt.
Die unverheiratete Olga Delbanco wohnte auch als Lehrerin weiterhin bei den Eltern und nach dem Tod des Vaters bei der Mutter in der Heinrich-Barth-Straße 8/Rotherbaum (1903–1907) und der Oberstraße 3/ Harvestehude (1908–1914). Vermutlich wurde nach dem Tod der Mutter (Dezember 1914) die Wohnung in der Oberstraße aufgelöst und Olga Delbanco zog zu ihrem Bruder Eduard Delbanco (geb. 27.11.1869) in die Wrangelstraße 2 (Hoheluft-West), der dort seit September 1915 im 3. Stock wohnte. Der ebenfalls unverheiratete Bruder hatte nach längeren Auslandsaufenthalten 1900 die Firma Eduard Delbanco Agentur und Commission gegründet.
Von 1916 bis 1934 war Olga Delbanco im Hamburger Adressbuch mit einer eigenen Wohnung in der Wrangelstraße 2 verzeichnet. Ihr Bruder Eduard Delbanco war im Juli 1919 nach Groß Flottbek verzogen, das damals außerhalb der Stadt Hamburg lag.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten und deren antisemitischen Maßnahmen änderte sich auch die Wohnsituation von Olga Delbanco, die nun, laut Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde, in wechselnden Untermietverhältnissen in Hamburg-Eppendorf lebte: vermutlich ab 1935 Beim Andreasbrunnen 8 bei der Witwe Betty Asch (1865–1938), danach in der Haynstraße 13 bei der unverheirateten Schneiderin für Damenhüte und Modistin Frieda Eller (geb. 3.10.1904 in Hamburg), anschließend in der Haynstraße 10 bei Rosenberg (deren Name aber in den Hamburger Adressbüchern 1936–1941 unter dieser Adresse nicht verzeichnet ist) und zuletzt in der Haynstraße 5 in der Pension des ehemaligen Kaufmanns Alfred Heidemann (geb. 3.8.1884 in Osterholz-Scharmbeck). Die Häuser Haynstraße 5 und Haynstraße 7 waren als sogenannte Judenhäuser von den staatlichen Stellen als Sammelquartiere in die Vorbereitung der Deportationen einbezogen. Abweichend von der Kultussteuerkartei führte das Hamburger Adressbuch Olga Delbanco von 1939 bis 1941 mit einem eigenen Eintrag für die Erdgeschosswohnung Haynstraße 13 (ab 1940 Senator-Hayn-Straße 13), wo bis zu seiner Emigration im Februar 1938 der Kaufmann Siegfried S. (Samuel) Strauss (geb. 29.10.1898 in Mergentheim) wohnte und eine 1930 nach ihm benannte Maklerfirma für Metalle sowie Im- und Exportfirma betrieb. Woher diese abweichenden Wohneinträge kommen ließ sich nicht klären; auch nicht, wer eventuell anstelle von Olga Delbanco in der Erdgeschosswohnung lebte..

Mittlerweile entrechtet und finanziell ausgeplündert, wurde Olga Delbanco am 18. November 1941 ins Getto Minsk ins besetzte Weißrußland deportiert, von wo sie nicht zurückkehrte.
Ihr Todesdatum ist nicht bekannt, ebensowenig ob sie an Hunger oder Infektionskrankheiten starb oder bei den Erschießungsaktionen der SS umkam.

Ihr Cousin Prof. Dr. Ernst Delbanco (siehe dort) nahm sich am 31. März 1935 das Leben. An ihn erinnern Stolpersteine in der Alten Rabenstraße 12 (Wohnung) und Edmund-Siemers-Allee 1 (Universitätshauptgebäude).

Auch die Vermieter von Olga Delbanco wurden deportiert: Alfred Heidemann am 25. Oktober 1941 nach Lodz und Frieda Eller am 6. Dezember 1941 nach Riga.

Stand September 2014
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 231-3 (Handelsregister), B 12503 (Delbanco & Folkmann, 1862–1897); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht 1866–1875), B Nr. 15 (2215/1867, Heirat von Hirsch Elias Delbanco und Hanna Arnhold); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), A Nr. 56 (5323/ 1868, Geburtsregister 1868, Adelheid Delbanco); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), A Nr. 79 (6945/1869, Geburtsregister 1869, Eduard Delbanco); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), A Nr. 112 (3617/ 1871, Geburtsregister 1871, Ernst Delbanco);StaH 332-5 (Standesämter), 7985 u. 133/1906 (Sterberegister 1906, Hirsch Elias Delbanco); StaH 332-5 (Standesämter), 8021 u. 652/1914 (Sterberegister 1914, Hanna Delbanco geb. Arnhold); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg) Betty Asch, Joseph Asch, Eduard Delbanco, Ernst Delbanco, Olga Delbanco, Frieda Eller, Alfred Heidemann, Siegfried Samuel Strauss; StaH 741-4 (Mikrofilm Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925), Hirsch Elias Delbanco, Eduard Delbanco; StaH Bibliothek, A 555/0001 Kapsel 01, Denkschrift der Lehrerkammer bei der Berufsschulbehörde, betr. die Durchführung der Personalabbauverordnung, Hamburg März 1924, 16 Seiten; Adressbuch Hamburg 1867, 1871–1872, 1874, 1877–1882 1884, 1888–1890, 1895, 1897, 1898, 1900, 1908, 1916–1918, 1923, 1927, 1933, 1934, 1939, 1940, 1941; Hamburger Lehrerverzeichnis 1907/1908, 1914/1915, 1918/1919, 1922/1923; Staatsarchiv Hamburg, Gedenkbuch, Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Hamburg, 1995, Seite 79 (Olga Delbanco, Prof. Dr. Ernst Delbanco); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1910, Seite 130 ("Eduard Delbanco, Ag. u. C. in Manufactur- u. Kurzw., techn. Bedarfsart."); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1935, Seite 828 (Siegfried S. Strauss); Helmut Alter/ Fritz Lachmund/ Monika Menze, Mein Eimsbüttel. Von der ländlichen Idylle zum großstädtischen Bezirk, Hamburg 1975, S. 38–43 (Eimsbüttels Schulen); Klaus Schwabe, Der Weg von der Republik vom Kapp-Putsch 1920 bis zum Scheitern des Kabinetts Müller 1930, in: Karl-Dietrich Bracher/Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen, Die Weimarer Republik 1918–1933, Bundeszentrale für politische Bildung Band 251, Bonn 1988, S. 104–118; Jüdischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Gräberverzeichnis (C 10-51 Hirsch Elias Delbanco, C 10-50 Hanna Delbanco geb. Arnhold).

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