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Uwe Diekwisch * 1940

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER
HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

UWE DIEKWISCH
GEB. 2.12.1940
ERMORDET 3.1.1942

Weitere Stolpersteine in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Uwe Diekwisch, geb. am 2.12.1940 in Hamburg, getötet am 3.1.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Uwe Diekwisch kam am 2. Dezember 1940 in Hamburg zur Welt. Für seine Eltern, Else, geb. Crause, und den Kraftfahrer Erich Johannes Diekwisch, war er das erste gemeinsame Kind; die Mutter hatte ein Geschwisterkind mit in die Ehe gebracht.

Bei Uwes Geburt in der Frauenklinik Finkenau, die normal verlief, wurde bei ihm ein ungewöhnlich großer Hinterkopf festgestellt. Mit elf Tagen, am 13. Dezember 1940, erfolgte seine Verlegung in die Kinderklinik Rothenburgsort. Dort wurde seine Krankengeschichte aufgezeichnet. Uwe hatte eine Fehlstellung der Füße, die aber durch geringen Druck manuell ausgleichbar war, sie wurden wegen eines "Platt-Knickfusses" geschient. Täglich bekam er eine Massage, die von der Mutter zu Hause fortgesetzt werden sollte. Die Gewichtskurve stieg befriedigend an, der Kopfumfang nahm jedoch aus nicht geklärten Gründen immer weiter zu. Am 16. Januar 1941 wurde Uwe aus der Klinik Rothenburgsort in die häusliche Pflege zu seinen Eltern entlassen. Er lebte zunächst mit der Familie in der Hamburger Neustadt, Peterstraße 15, und wurde evangelisch getauft.

Der Bericht über seinen Krankenhausaufenthalt im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort ging an das Universitätskrankenhaus Eppendorf. Dort wurde er im Juni 1941 noch einmal untersucht und sollte operiert werden.
Im Alter von elf Monaten, am 20. Oktober 1941, wies das Hamburger Gesundheitsamt ihn mit dem Attest "Idiotie" in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" ein. Die Diagnose bei der Aufnahme lautete: "Hydrocephalus" ("Wasserkopf", eine krankhafte Erweiterung der mit Liquor [Nervenwasser] gefüllten Flüssigkeitsräume des Gehirns [Hirnventrikel]). "Mißbildungen der Füße Epileptiforme Anfälle". Im Aufnahmeprotokoll ist vermerkt: "Ref. ist mit jedem Verhandlungsverfahren [Behandlungsverfahren], das Erfolg verspricht, einverstanden." Mit dieser Täuschung der Eltern, die sich mit der "Behandlung" eine Besserung erhofften, gab sich der behandelnde Arzt Dr. Friedrich Knigge die Berechtigung zur Tötung.

Am 17. November 1941 wurde in der Krankengeschichte protokolliert: "Es werden pro Tag oft 3 bis 5 Anfälle beobachtet, meistens während des Fütterns." Noch am 22. Dezember konnte festgestellt werden, dass der Kopfumfang nicht mehr zugenommen hatte, er war bei 52 cm stehen geblieben.

Am Neujahrstag 1942 wurde Uwes Tod in Haus M 10 vermutlich eingeleitet. Im Protokoll hielt Friedrich Knigge fest: "Hat Fieber über 39°. Di-Abstrich: Nase u. Rachen positiv. Über der Lunge bronchitische Geräusche." Am 3. Januar 1942 schrieb er: "Exitus" (Tod), 10:30 Uhr, "bei einer Temperatur von 40,7 Diagnose: Hydrocephalus mit epileptiformen Anfällen. Mißbildungen der Füße" und gab als Todesursache "Hydrocephalus, Diphterie-Bazillenträger, Bronchopneumonie" an.

Knigge tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, wie auch bei Uwe, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.

Uwe wurde 1 Jahr, 1 Monat und 1 Tag alt.

Sechs Tage später fand seine Beisetzung auf dem Friedhof Ohlsdorf durch die Beerdigungsgesellschaft Farnow am 9. Januar 1942 um 13:30 Uhr statt, für die seine Eltern Dekoration, Pflanzen und Harmonium- bzw. Orgelmusik bestellt hatten, Grablage Bh 58, Reihe 33, Nr. 11. Die Grabstelle ist nicht mehr erhalten.

Nach dem Krieg äußerte sich Friedrich Knigge zu den erhobenen Beschuldigungen wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn. In einem Schreiben vom 13. Juni 1945 an die Kriminalpolizei über Prof. Rudolf Degkwitz, Leitender Beamter der Hamburger Gesundheitsbehörde, gab er lediglich Sterbehilfe bei zehn bis elf "geisteskranken und mißgestalteten" Kindern zu, die er durch die Anordnung des "Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" für gerechtfertigt hielt. Den Namen von Uwe Diekwisch verschwieg er.

Ich möchte Sie höflichst bitten, sich in den Krankenakten zu überzeugen, daß noch weitere 16 Eltern der "Behandlung" zustimmten und mir damit den Auftrag zur Euthanasie erteilten:
1. Zapf 2. Ziemer 3. Cordes 4. Lorenzen 5. Boehm 6. Diekwisch 7. Gosch 8. Schulz 9. Knudsen 10. Nonnsen 11. Fokuhl 12. Meyer 13. Meibohm 14. Oje 15. Würflinger 16. Groß.

In allen diesen Fällen wurde der Auftrag z.T. zur offensichtlich schweren Enttäuschung der Eltern nicht ausgeführt. Die große Bereitwilligkeit der Eltern mußte bei mir und bei meinem Referat auf der Gesundheitsbehörde den Eindruck verstärken, nicht nur im wahren Sinne des Kindes sozial, sondern auch legal zu handeln."

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a., S. 126 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64217 u. 11/1942 Uwe Diekwisch; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9933 u.11/1942 Uwe Diekwisch; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 11 Uwe Diekwisch; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 29 Akte 29112; Standesamt Hamburg 6, Geburtsregister, Nr. 5426/1940 Uwe Diekwisch; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister 1942, Nr. 200.

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