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Paul Drucker * 1863

Propst-Paulsen-Straße 1 (Altona, Blankenese)

1942 Theresienstadt
ermordet 10.08.1942

Paul Drucker, geb. am 18.1.1863, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 10.8.1942

Propst-Paulsen-Straße 1

Der in Leipzig am 18. Januar 1863 geborene Paul Drucker wurde ab 26. Februar 1936 als Mitglied der Jüdischen Gemeinde Altona geführt. Erst in dieser Zeit, mit 73 Jahren, gelangte er nach Hamburg. Seine ersten Hamburger Adressen hatte er als Untermieter u. a. im Grindelviertel, ab 26. Februar 1936 in der Isestraße 37 bei Romann, dann in der Bismarckstraße 90 bei Levy und schließlich ab 26. Oktober 1939 in der Lindenallee 26 bei Libelsky. Anschließend lebte er ab 16. April 1940 in der Isestraße 71 bei Sallinger und ab 30. Mai 1940 am Eppendorfer Baum 58 bei Heymann. Die Familien, selbst jüdisch, halfen sich gegenseitig, so gut es eben ging. Die Wohnsituation war seinem geringen Einkommen als Privatier geschuldet. Paul Drucker brauchte die Gemeindesteuer in der Hamburger Zeit, insbesondere seit Ende August 1940, nicht mehr abzuführen. Hierzu wurde in der Kultussteuerkarte vermerkt, dass er ab 2. September 1940 von der Unterstützung seitens eines Neffen in Höhe von 65 Reichsmark, also unterhalb des Existenzminimums, lebe. Pensionen wurden an Juden in Deutschland nicht mehr ausgezahlt und Paul Drucker musste sehen, wie er über die Runden kam.

Seine Eltern waren Siegmund und Emma Drucker, die Mutter eine geborene Porat. Allein die Vornamen verweisen auf eine assimilationswillige Familie; so erklärt sich, dass der Sohn Paul erst 1931 in die Jüdische Gemeinde zu Leipzig eintrat und sich seines Jüdischseins erneut versicherte. Beruflich war er als "kaufmännischer Untercollecteur" tätig, das beinhaltete u. a. das "Ausspielgeschäft der Lotterie" und bedeutete, dass Drucker für seine Kunden staatlich lizensierte Lotterieverträge abschloss. Vermutlich nahm er die Lose teilweise von einem Haupt-Collecteur in Kommission und bestritt auf spärlicher Provisionsbasis seinen Lebensunterhalt. Reich konnte man dabei nicht werden. Dementsprechend musste er eine kaufmännische Unterweisung erhalten haben, die ihm auch die Buchführung ermöglichte. Paul Drucker war ledig und blieb kinderlos. Er war deutscher Staatsbürger und musste seinen Namen in Hamburg mit dem Zusatz "Israel" führen, als Religion wurde "mosaisch" angegeben. Für die Jahre 1931/32 konnte Paul Drucker Kultussteuergebühren abführen, dann nicht mehr. Er lebte ab 7. Dezember 1933 von der Unterstützung des Jüdischen Hilfsfonds und wurde laut Vermerk aus Altona per handschriftlichem Eintrag in der Gemeindesteuerkarte ab Februar 1938 als vollkommen "mittellos" geführt.

Paul Drucker zog häufig um, denn die Leute, bei denen er wohnte, wurden selbst Opfer des Verfolgungsapparates. In Blankenese, welches zu Altona gehörte, war er in der Probst-Paulsen Straße 1 und zuletzt in der Blankeneser Bahnhofsstraße 52 wohnhaft, beide Häuser sind unweit des Marktes mit Sicht auf die Kirche gelegen. Schließlich musste er in die Blücherstraße 20 in ein in Altona gelegenes "Judenhaus" ziehen. Laut Reichsgesetz über die "Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 wurden Mieterschutz und freie Wohnungswahl für Juden aufgehoben und so konnte die jüdische Bevölkerung in der Folge in bestimmten Stadtteilen gettoisiert werden.

Allerdings war die letzte Hamburger Adresse in den Dokumenten aus Theresienstadt mit Vesternstraße (sic) 27 angegeben, also korrekt Westerstraße, wo Paul Drucker vom 25. April 1942 an mit nur wenigen Habseligkeiten lebte. Dieses Gebäude war bekannt als Daniel-Wormser-Haus, in dem zur Jahrhundertwende auswanderungswillige jüdische Durchreisende untergebracht worden waren und das durch den "Israelitischen Unterstützungsverein für Obdachlose" auf Initiative von Daniel Wormser, einem Lehrer der Talmud Tora Schule mit finanzieller Unterstützung des Philanthropen Baron Moritz von Hirsch aus Paris 1909 rea-lisiert wurde. Hier, zwischen Hauptbahnhof und Lohseplatz, im alten Münzviertel wurden, wie auch andernorts in der Hansestadt, die jüdischen Hamburgerinnen und Hamburger in den frühen 1940er Jahren in sogenannten Judenhäusern, die vom Jüdischen Religionsverband Hamburg bewirtschaftet wurden, kaserniert. Paul Drucker war in Blankenese aufgrund entsprechender Adresslisten der Jüdischen Gemeinde von den Behörden ermittelt worden. Schließlich wurde er per "Evakuierungsbefehl" vom Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz zur "Verschickung nach dem Osten" deportiert. In den Dokumenten der Jüdischen Gemeinde Hamburg war zu Paul Drucker ab dem 19. Juli 1942 "ausgeschieden" durch "Abwanderung" vermerkt, dieses verweist auf den Tag der Deportation mit dem Transport VI/2, Nummer 114 am 19. Juli 1942 von Hamburg in das auch als "Prominenten- und Altenghetto" bekannte Lager von Theresienstadt. Auf dem Transport waren insgesamt 803 Personen, von denen 720 ermordet wurden und nur 83 überlebten. Die hygienischen Bedingungen, Toilette, Essen und Trinken, im Zug, der Terezin erreichte, waren katastrophal. Am 21. Juli wurde ihm dort im Lager eine Unterkunft zugewiesen.

Laut Todesanzeige des Ältestenrates in Theresienstadt litt Paul Drucker an Arteriosklerose, also Arterienverkalkung, und starb am 10. August 1942 um 4.40 Uhr an Herzschwäche (Paralysis Cordis) in dem Lagergebäude Ea III, vermutlich in seinem Zimmer mit der Nummer 166, oder auf einer Krankenstation, wo der Lagerarzt Paul Fischer den Tod des Hamburgers Leipziger Herkunft offiziell attestierte. Wir wissen nicht, ob Paul Drucker rüstig genug war, um an kulturellen Veranstaltungen im Lager teilnehmen zu können, oder ob er schlicht am Verhungern war und an körperlicher und seelischer Auszehrung starb, wie so viele andere mit ihm vor Ort. Allein der Name Drucker erscheint vierzigmal in den heutigen Datenbanken von Terezin. Der Philosoph Franz Rosenzweig sagte einmal: "Jeder Mensch hat ein Recht auf seinen Vor- und Zunamen" und man mag noch ergänzen "eben auch auf seine/ihre ganz eigene gelebte und erzählte Geschichte …"

Stand September 2015

© Jakob Krajewsky

Quellen: 1; 3; 5; 7; Nationalarchiv Prag, Terezin Initiative Institut, Zidowske nawiky, Ohleduci listy, Ghetto Terezin, Band 10; Beate Meyer, Judenhäuser, in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg, S. 130–131.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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