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Maria Rebecca Auerbach (geborene Reé) * 1856

Behnstraße 28 (Altona, Altona-Altstadt)

1943 Theresienstadt
ermordet 15.08.1943

Maria Rebecca Auerbach, geb. Rée, geb. am 4.1.1856, deportiert am 9.6.1943 nach Theresienstadt, dort gestorben am 15.10.1943

Behnstraße 28

Maria Rebecca Auerbach wurde am 4. Januar 1856 als Tochter von Martin und Clara Rée, geb. Symons, in Altona geboren. Die Angehörigen der jüdischen Familie Rée waren in Hamburg und Dänemark als Kaufleute und Landwirte tätig. Der Hamburger Zweig befasste sich vor allem mit Getreidehandel, die Familienbeziehungen und Geschäftskontakte reichten bis nach Nord- und Südamerika. Familie Rée war sehr religiös und wirkte aktiv in den örtlichen jüdischen Gemeinden mit, es gab musikalische und literarische Begabungen, verwandtschaftliche Verbindungen bestanden etwa zu den Familien Melchior und Warburg. Martin Rée betrieb in Hamburg einen Kornhandel und pflegte intensive wirtschaftliche Beziehungen nach Großbritannien. Seine Frau Clara war in Altona geboren.

Maria Rebecca Rée wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen einer assimilierten jüdischen Familie auf, deren Kontakte zu christlichen Familien sehr ausgeprägt waren und deren Bereitschaft wuchs, ihre Kinder evangelisch-lutherisch taufen zu lassen.

Als Maria Rebecca zwei Jahre alt war, starb ihre Mutter. Nachdem der Vater 1860 in zweiter Ehe Emma Rée, geb. Ruben, geheiratet hatte, lebte sie mit vier Brüdern, einer Schwester und einer Stiefschwester in einem großen Haushalt. Der Vater zog von Hamburg nach Ottensen in die Chausseestraße und erwarb ein weiteres, noch im Bau befindliches Haus in Ottensen, Klopstockstraße 5, in dem Maria Rebecca Rée bis zu ihrer Heirat wohnte.

Am 9. Dezember 1876 heiratete Maria Rebecca Rée in Altona den vierzehn Jahre älteren, am 18. April 1842 geborenen Ludwig Auerbach, der einer jüdischen Familie entstammte und dessen Eltern auf dem jüdischen Friedhof am Bornkampsweg bestattet sind.

Ihr Ehemann Ludwig Auerbach hatte nach seinem 1868 abgelegten Doktorexamen mit seinem Kollegen Paulsen 1870 die Augen- und Ohrenklinik in Altona gegründet, dann freiwillig als Sanitätsrat am preußisch-französischen Krieg teilgenommen und vor allem in Straßburger Lazaretten als Arzt gearbeitet. Nach dem Krieg setzte er die Arbeit mit seinem Kollegen Paulsen in der neu gekauften Altonaer Augen- und Ohrenklinik in der Blücherstraße fort. Nach der Heirat lebte das Ehepaar Auerbach in der Behnstraße 28 in Altona und bekam mehrere Kinder: Die Tochter Tony Henriette wurde am 9. Oktober 1877 geboren, am 26. Oktober 1878 die zweite Tochter Gertrud (später verheiratete Benckendorff), am 23. Oktober 1882 kam der Sohn Walter Theodor zur Welt. Eine weitere Tochter, Hedwig, wurde 1895 geboren. Zwei Kinder starben im Kleinkindalter. Alle Kinder wurden evangelisch getauft.

Auch die Eltern Ludwig und Maria Rebecca Auerbach traten zum evangelisch-lutherischen Glauben über. Am 22. September 1910 starb Ludwig Auerbach im Alter von 68 Jahren; als Witwe lebte Maria Rebecca Auerbach weiterhin in der Parterrewohnung des Hauses Behnstraße 28.

Maria Rebecca Auerbach, die im jüdischen Glauben erzogen worden war und nach dem Übertritt zur christlichen Religion der evangelisch-lutherischen Konfession angehörte, wurde 1939 wie alle Menschen jüdischer Herkunft zur Zwangsmitgliedschaft in der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland verpflichtet. Auch ihre Tochter Tony Henriette Auerbach, die am 20. Dezember 1940 starb, war dort Mitglied.

Der nationalsozialistische Staat hatte inzwischen der Ausraubung und Enteignung der Menschen jüdischer Herkunft durch Gesetz eine legal erscheinende Fassade verliehen. Auf Anordnung der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten musste Maria Rebecca Auerbach einen Fragebogen zur Prüfung ihrer Vermögensverhältnisse ausfüllen und den Wert des Grundbesitzes einschätzen, der mit einer Hypothek belastet war. Ihre monatlichen Ausgaben für Miete mit Nebenkosten, Lebensunterhalt und Ausgaben für eine Hausangestellte beliefen sich laut ihren Angaben auf 95,00 Reichsmark (RM). Für die Verwaltung des Grundbesitzes zahlte sie 70,00 RM monatlich, dem standen Mieteinnahmen von 130,00 RM gegenüber. Ihre Konten wurden gesperrt, sie durfte nur über Mittel zur Deckung der monatlichen Lebenshaltungskosten verfügen. Angesichts einer drohenden "Arisierung" vermachte Maria Rebecca Auerbach am 18. Dezember 1940 testamentarisch das Haus und Grundstück Behnstraße 28 ihren Enkelinnen Margarethe Maria Louise Auerbach und Ruth Maria Elisabeth Hedwig Auerbach. Zusätzlich zur testamentarischen Verfügung stellte sie am 30. April 1941 einen Antrag auf Schenkung des Grundstückes Altona, Behnstraße 28, an ihre Enkelin Margarethe Maria Louise Auerbach, um das Haus für die Familie zu erhalten. Der Schenkungsvertrag zwischen Maria Rebecca Auerbach und Ruth Auerbach und Walter Auerbach als gesetzliche Vertreter der minderjährigen Margarethe Maria Louise Auerbach wurde am 1. Juli 1941 genehmigt.

Am 29. April 1943 wurde von der Gestapo der sogenannte Abwanderungsbefehl, der Deportationsbefehl, für Maria Rebecca Auerbach ausgestellt. Am 5. Mai 1943 hatte sie sich im Haus Beneckestr. 2/6 einzufinden, einem jüdischen Altersheim und einem der sogenannten Judenhäuser. Aber freiwillig verließ sie ihr Heim in der Behnstraße 28 nicht. Ihr Sohn Walter Auerbach berichtete nach dem Krieg, seine Mutter sei am 5. Mai 1943 aus ihrer Wohnung abtransportiert worden. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. Für etwa vier Wochen wurde ihr in der Beneckestraße eine Unterkunft zugewiesen. Am 9. Juni 1943 wurde sie von dort im Alter von 87 Jahren nach Theresienstadt deportiert. Insgesamt 81 Menschen kamen mit diesem Transport in das Getto in der vom Deutschen Reich besetzten Tschechoslowakei, nur acht von ihnen sollten überleben. In den Ankunftslisten der von Hamburg aus deportierten Juden, die im Getto Theresienstadt am 11. Juni 1943 eintrafen, steht an erster Stelle: "Auerbach, Marie S., geb. Rée, 4.1.1856 Altona". Im Getto, einer alten Festung, wurde Maria Rebecca Auerbach das "Marodenzimmer" in der Badhausgasse 8 zugeteilt. Die hoch betagte Frau starb dort zwei Monate später am 15. August 1943. Auf der Todesfallanzeige gab der behandelnde Arzt als Todesursache "Altersschwäche" an.

Walter Auerbach, Sohn von Maria Rebecca und Ludwig Auerbach, der bis zu seiner Absetzung 1935 als evangelischer Pastor in Altenkrempe gearbeitet hatte, wohnte weiterhin in Hamburg-Altona in der Behnstraße 28. Am 4. Januar 1949 bestätigte Walter Auerbach vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona, von dem er seine Mutter für tot erklären ließ, er sei von Anna Daus über ihren Tod informiert worden. Anna Daus und Maria Rebecca Auerbach kannten sich, weil der Rechtsanwalt Dr. Ernst Daus, Vater von Anna Daus, mit Maria Rebeccas Ehemann, dem Vater von Walter Auerbach, befreundet gewesen war. "Meine Mutter [...] hat von dort aus [Theresienstadt] noch mehrere Male geschrieben. Dann bekam ich von Frl. Anna Daus, die ebenfalls in Theresienstadt war, eine Karte mit der Mitteilung: Ich habe deiner Mutter am 15. August 1943 die Augen zugedrückt."

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 2 (R 1941/105 Auerbach, Maria); 3; 4; 7; 8; AB Altona; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 44463 (Auerbach, Margarethe); StaH 424-111 Amtsgericht Altona 5554, (Aufgebot zur Todeserklärung der Witwe Maria Rebecka [sic] Auerbach); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 m 1 Band 3 (Ankunftslisten der von Hamburg in das KZ Theresienstadt deportierten Juden, Ankunft 11.6.1943); Dokumente im Besitz der Familie Auerbach/Jacoby: Private Briefe, Aufzeichnungen der genannten Familienmitglieder; Informationen und Fotografien des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg, Zweigstelle Altona von 1938 über die Familien Rée und Auerbach; diverse Berichte, Kataloge, Informationen über Anita Rée, Carl Melchior, Paul Rée, Familie Warburg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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