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Heinrich Harth * 1866

Schäferkampsallee 29 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1943 Theresienstadt
ermordet am 15.1.1944

Weitere Stolpersteine in Schäferkampsallee 29:
Dr. Rudolf Borgzinner, Martha Dessen, Meyer Jelinewski, Margaretha Magnus, Eva Emma Mathiason, Gertrud Stillschweig, Clara Streim, Emma Weiland

Heinrich Harth, geb. am 8.4.1866 in Czernowitz, deportiert am 23.6.1943 nach Theresienstadt, dort gestorben am 15.1.1944

Schäferkampsallee 29

Der Stolperstein für Heinrich Harth liegt in der Schäferkampsallee 29 vor dem ehemaligen Siechenheim der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Von hier wurde Heinrich Harth im Alter von 77 Jahren nach Theresienstadt deportiert. Sein Lebensmittelpunkt in Hamburg war am Rande von Marienthal, wo er in der Hammerstraße 8 dreißig Jahre lang in einer Dreizimmerwohnung im vierten Stock gelebt hatte. Diese Wohnung musste er Anfang 1941 verlassen.

Heinrich Harth wurde am 8.4.1866 als Sohn des jüdischen Ehepaars Esther und Chaim Harth in Czernowitz in der Bukowina geboren. Von 1770 bis 1918 gehörte die Stadt zu Österreich-Ungarn. Bei seiner Geburt bekam er den Vornamen Henich, den er 1901 – noch in Czernowitz – in Heinrich umändern ließ.

Heinrich Harth kam im Alter von 23 Jahren nach Hamburg. Im Jahr seines Zuzugs 1889 konvertierte er zum Protestantismus und sagte sich vom jüdischen Glauben los. Seine Ehefrau Amanda Henriette Marie, geb. Kalckbrenner (geb. 16.4.1864), die er am 30. November 1900 in Hamburg heiratete, stammte aus einer protestantischen Familie. Ihr Vater Heinrich Conrad Kalckbrenner war Bäckermeister. Marie starb im Mai 1937 im Barmbeker Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt lebte auch der gemeinsame Sohn Franz Harth schon nicht mehr. Der junge Kaufmann starb auf einer Dienstreise im Ausland bei einem Autounfall.

Heinrich Harth war Buchhalter und arbeitete bis 1930 für das Bankhaus L. Behrens Söhne. In der Heiratsurkunde wurde er als "Bankbeamter" tituliert. 1930 verlor er seinen Arbeitsplatz in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Seine finanzielle Situation war aber nicht ganz schlecht, da er über monatlich ungefähr 150 Reichsmark Einkommen aus Rente und Versicherung verfügte. Um Geld zu sparen, hatte er zwei seiner drei Zimmer untervermietet. Ab 1940 wurden ihm diese Untermietverhältnisse mit "Ariern" untersagt: eine bittere Erfahrung für einen Mann, der sich vom Judentum losgesagt hatte und nun von den Nationalsozialisten wieder zum "Rassejuden" gemacht und mit den entsprechenden Vorschriften drangsaliert wurde.

Im Juli 1940 wurde er von der Gestapo vorgeladen, weil er wiederholt Briefe mit "deutschem Gruß" unterzeichnet hatte. Man drang auch darauf, dass er seine Wohnung frei machte und in ein Jüdisches Stift umzog. Er selbst tat sich schwer damit, in eine Stiftswohnung zu ziehen, aber die Wohnungs- bzw. Zimmersuche gestaltete sich äußerst schwierig. Die Wohnsituation für Jüdinnen und Juden wurde immer schlechter. Heinrich Harth wandte sich an den Jüdischen Religionsverband mit der Bitte, ihm bei der Wohnungssuche zu helfen. Die Kommunikation zwischen ihm und den Institutionen war von gegenseitigem Misstrauen geprägt. In einem Brief hieß es über Heinrich Harth: "Ich halte Herrn Harth für sehr eigensinnig und verkalkt. Mit allem, was er an Familie hat, ist er überworfen und kommt nicht zusammen." Ein Hindernis für den Umzug in ein Jüdisches Stift stellte auch seine Konversion dar. Zwar schien sich eine Möglichkeit zu eröffnen, in ein Zimmer der Samuel-Levy-Stiftung zu ziehen, zusammen mit einem jüdischen Ehepaar. Dieses Ehepaar war orthodox, und es mussten Vorkehrungen getroffen werden, damit sich die beiden Parteien die Küche nicht teilen mussten. Es gab einen Briefwechsel, und nach vielem hin und her verzichtete Heinrich Harth auf das Zimmer im Stift. In das Samuel-Levy-Stift sollten nach dem Willen des Stifters nur "Glaubensjuden" einziehen. Der Konflikt, der sich hier zeigte, ist typisch für diesen Zeitraum. Die jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen hatten sich um die religiös lebenden Jüdinnen und Juden der Gemeinde gekümmert. Jetzt verschärfte sich die "rassische" Verfolgung, immer mehr "Rassejuden" gerieten unter finanziellen Druck und brauchten Wohnraum. Die jüdischen Stiftungen sorgten oft nur für Juden, deren finanzielle Mittel sehr beschränkt waren. Das traf für Heinrich Harth nicht zu. Er bekam eine kleine Rente, aber, da er verfolgt wurde, war es für ihn trotzdem fast unmöglich, Wohnraum zu finden. Wäre es ihm nicht verboten worden, "arische" Untermieter aufzunehmen, hätte er in seiner Hammer Wohnung bleiben können.

Das Wohnungsproblem ließ sich nicht lösen. Von Februar bis August 1941 wohnte Heinrich Harth in der Burchardstraße 12 bei einem Ehepaar zur Untermiete, das ihn anscheinend bestahl. Im Herbst 1941 lebte er in der Hansastraße 57 und Anfang 1942 konnte er dann letztlich doch ins Samuel-Levy-Stift in ein Zimmer in der Bundesstraße 35, Haus C ziehen. In den Stiftsgebäuden, die zum "Judenhaus" gemacht wurden, gestalteten sich die Lebensbedingungen immer schwieriger. Die Menschen mussten immer enger zusammenrücken. Um durch die Enge bedingte Streitigkeiten zu mildern, waren kleine Umbauten nötig. Es mussten z. B. zusätzliche Öfen und Herde eingebaut werden, damit sich die Familien besser voneinander abgrenzen konnten.

In der Bundesstraße wohnte Heinrich Harth nur ganz kurz. Schon am 12. Februar 1942 wurde er ins Israelitische Krankenhaus in der Schäferkampsallee 29 wegen Bronchitis und Herzbeschwerden eingeliefert. Hier blieb er lange, und es gab Streit ums Geld, weil die Krankenkasse nur bis zum 15. August bezahlte. In noch vorhandenen Akten wird er als "höchst eigenwilliger schwieriger Querulant" bezeichnet. Ab November 1942 lebte Heinrich Harth im Pflegeheim in der Schäferkampsallee, bis er im Juni ins Getto Theresienstadt deportiert wurde, wo er ein halbes Jahr später starb.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; 5; StaH 332-5 Standesämter, 6421 und 441/1900; StaH 332-5, 7197 und 981/1937; StaH 552-1 Jüdische Gemeinden, 992n Band 13; HAB II 1926; HAB VI 1941 und 1943.

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