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Fritz Meincke * 1912

Schäferkampsallee 56 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
FRITZ MEINCKE
JG. 1912
VERHAFTET 1936
KZ FUHLSBÜTTEL
’FRONTBEWÄHRUNG’
TOT 27.7.1941
SMOLENSK/SOWJETUNION

Fritz Meincke, geb. am 11.1.1912 in Hamburg, gestorben am 27.7.1941 in Sloboda/Sowjetunion

Schäferkampsallee 56

Die Umstände, warum im Februar 1936 die Geheime Staatspolizei auf den geschiedenen Adolf Großkopf aufmerksam wurde, sind in der überlieferten, jedoch ausgedünnten Strafakte nicht überliefert. Möglicherweise war eine Denunziation aus der Nachbarschaft im Grindelhof 89 Haus 1 Auslöser umfangreicher Ermittlungen. In den Fokus geriet dabei auch der Lebensgefährte und Untermieter von Adolf Großkopf. Dieser Fritz Meincke, der sich selbst Meinke schrieb, kam 1912 als unehelicher Sohn des ledigen Dienstmädchens Adelheit Meincke in der Eppendorfer Martinistraße zur Welt. Als seinen Vater benannte er später einen in Bochum lebenden Fritz Rockmann. Die spätere Reinmachefrau gab ihren Sohn, nachdem er zu­nächst für kurze Zeit in Hamburg die Volksschule besucht hatte, in eine Pflegestelle nach Rhena in Mecklenburg. Nach der Beendigung seiner Schulzeit begann er im Hotel "Erbgroßherzog" in Teterow eine Ausbildung zum Kellner, aus der er jedoch nach zwei Jahren vorzeitig entlassen wurde. Er ging zurück nach Hamburg und wurde durch das Jugendamt unter anderem in der Erziehungsanstalt Wulfsdorf untergebracht. Wiederholt soll er, nach einem im Juni 1936 angefertigten Bericht der "Gerichtshilfe für Erwachsene", nach Diebstählen aus der Fürsorgeerziehung entwichen sein. Bereits zu dieser Zeit sei auf seine "anormale Geschlechtsbetätigung" aufmerksam gemacht worden sein, die eine "schwere Gefahr" als Verführer für "unreife und willensschwache Zöglinge" darstellte. Besonders vermerkt wurde, dass er 1929 für über 50 RM "kosmetische Artikel, und zwar beispielsweise Gesichtswasser, Lippen- und Augenbrauenstifte, diverse Arten Puder, Hautcreme, Spezialseife usw." gekauft habe und die Rechnung dem Jugendamt übersenden ließ. Da er sich bereits als Jugendlicher als Strichjunge Geld verdiente und dafür schminkte, führte das für die Gerichtshilfe zu dem Resümee, dass Fritz Meincke "zu den gefährlichsten Elementen auf homosexuellem Gebiet" gehöre. Später dann versuchte er in verschiedenen Pensionen und Hotels, darunter im Hotel Reichshof, Anstellungen zu erhalten, die jedoch nie lange bestanden. Nach einer Unterschlagung von 20 RM und einem Manteldiebstahl wurde Fritz Meincke 1931 zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt. Von November 1933 bis April 1934 arbeitete er als Hausbursche und Kellner im Neustädter Homosexuellen-Lokal "Zu den 3 Sternen" in der Straße Hütten, wo er den Gästen auch als Strichjunge vermittelt wurde. Im Januar 1934 lernte er im ebenfalls einschlägigen Homosexuellen-Lokal "Indra" auf St. Pauli den aus Koblenz gebürtigen Angestellten des Hamburger Arbeitsamtes, Adolf Großkopf (geb. 1906, gest. 1975), ken­nen und wohnte ab April 1934 auch in dessen Wohnung.

Auch Adolf Großkopf verkehrte seit mehreren Jahren in dem Lokal "Zu den 3 Sternen" und berichtete 1936 gegenüber der Polizei, dass er homosexuelle Handlungen auch in der dortigen Damentoilette durchgeführt habe. In diesem Lokal lernte er auch um 1929 den Bäcker Wilhelm Oefele (geb. 1910, gestorben 1948, Stolperstein Hamburg-St. Pauli, Blücherstraße 21) als festen Freund und Sexpartner kennen. Wie andere Homosexuelle auch, schloss Adolf Großkopf eine Ehe mit einer lesbisch veranlagten Frau, um sich so eine heterosexuelle Tarnung geben zu können. In Irma Fischer (geb. 1908, gest. 2001) fand er eine geeignete Frau für eine solche "Kameradschaftsehe", die am 23. März 1935 besiegelt, jedoch bereits Ende des Jahres schon wieder geschieden wurde. Durch diese Verbindung gelangte das Paar auch an ein Ehestandsdarlehen. Nach dem bereits erwähnten Bericht der Gerichtshilfe für Erwachsene teilte Adolf Großkopf in der Hochzeitsnacht sein Bett mit Fritz Meincke.

Durch die Ermittlungen des 1936 für kurze Zeit gegen Homosexuelle ermittelnden Sonderkommandos der Geheimen Staatspolizei aus Berlin flog im Februar die "Scheinehe" Großkopf auf und auch seine homosexuellen Partner wurden verhaftet und verhört. Nach einem solchen Verhör wurde auch Fritz Meincke verhaftet und befand sich vom 14. bis 20 Februar 1936 in "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel, anschließend im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Der Gestapo waren zu dieser Zeit bereits drei Vorgänge zu Fritz Meincke bekannt, die jedoch aus der Zeit von 1931 und davor datierten. Da Fritz Meincke für Adolf Großkopf den Haushalt führte und dafür auch Geld erhielt, wurde diese homosexuelle Verbindung auch als "Mißbrauch einer durch ein Dienstverhältnis begründeten Abhängigkeit" angeklagt. Das durch die "Kameradschaftsehe" erlangte Ehestandsdarlehen wurde als Schädigung am "Wohl des Volkes" angesehen. Im Urteil des Landgerichts Hamburg vom September 1936 erhielt Adolf Großkopf eine zweieinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen fortgesetzten Vergehens nach § 175 und eines einfachen Betrugs. Irma Großkopf wurde wegen des Betrugs zu einer dreimonatigen Haftzeit verurteilt, für die Strafaussetzung gewährt wurde. Wilhelm Oefele wurde freigesprochen. Fritz Meincke wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnishaft nach § 175 verurteilt. Die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft, "Ausnutzung eines dienstlichen Abhängigkeitsverhältnisses" und "gewerbsmäßige Unzucht", wurden vor Gericht nicht anerkannt. Gleichwohl hatte die erkannte Gefängnisstrafe für ihn erhebliche Konsequenzen, denn am 19. Dezember 1936 erfolgte seine Verlegung in die berüchtigten Emslandlager. Zuerst gelangte er in das Strafgefangenenlager III Brual-Rhede und von dort am 7. Juni 1937 in das Lager V Neusustrum, aus dem er am 11. August 1937 wieder entlassen wurde. Er bezog dann ein Zimmer in der Gustav-Falke-Straße 66, bevor er im August 1939 ein Unter­miet­ver­hältnis in der Schäferkampsallee 56 im II. Stock begründete. Im gleichen Haus wohnte seit seiner Haftentlassung 1938 aus dem Männergefängnis Wolfenbüttel im I. Stock auch sein Freund Adolf Großkopf. Über das weitere Schicksal von Fritz Meincke bis zu dessen Einberufung zur Wehrmacht ist nichts weiter bekannt, eine erneute Haftstrafe musste er vermutlich nicht erleiden. Ob daher seine Einberufung tatsächlich mit einer "Frontbewährung" in Verbindung zu bringen ist, muss nach aktuellen Forschungserkenntnissen in Frage gestellt werden. Auch viele homosexuelle Männer, deren Vorstrafen einige Zeit zurücklagen, sind ab 1939 regulär eingezogen worden, ohne dass auf ihre Vorstrafen Bezug genommen wurde. Lediglich bei Auffälligkeiten, Dienstvergehen und Straftaten während ihres Einsatzes an der Front wurden auch die Vorstrafen genauer angeschaut und Akteneinsicht genommen, was in der Regel Diskriminierungen und verschärfte Einsatzbedingungen an der Front zur Folge hatte. Auch wenn wir nicht wissen, wie es sich genau bei Fritz Meincke verhalten hat, scheint uns ein Stolperstein in Erinnerung an dieses Verfolgungsschicksal vor seinem letzten Wohnsitz weiterhin gerechtfertigt. Sein Kriegstod am 27. Juli 1941 im "östlichen Kriegsschauplatz Sloboda", im heutigen Weißrussland in der Nähe von Witebsk, wurde bereits im November 1941 vom Oberkommando der Wehrmacht an die Mutter nach Hamburg gemeldet.

© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 9180/36; 241-1 I Justizverwaltung I, 2911; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 u. 16; 332-5 Standesämter, 64168 (Sammelakte Nr. 501); 332-8 Meldewesen, A 51/1; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 236.

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