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Bernhard Bästlein * 1894

Goldbekufer 19 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Zuchthaus Brandenburg
ermordet 18.9.1944

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Goldbekufer 19:
Regina Mendelsohn

Bernhard Karl Bästlein, geb. 3.12.1894 in Hamburg, ab 1933 fast ununterbrochen in Haft, hingerichtet am 18.9.1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden

Der Vater Bernhard Bästlein sen. entstammte einer alten thüringischen Spielzeug- und Büchsenmacherfamilie und zog um 1885 aus Heinrichs bei Suhl nach Hamburg. Er war als Büchsenmacher und Tresorbauer tätig, SPD-Mitglied und überzeugter Gewerkschafter. Die Mutter Cornelia stammte aus der ostfriesischen Schiffer- und Fischerfamilie Kock aus Leer. Die Eltern heirateten in Hamburg und lebten zunächst in der Springeltwiete. Bernhard Bästlein jun. war das vierte von fünf Kindern. Er wuchs mit seinen Geschwistern in der Nähe des Gänsemarktes auf, in der Drehbahn 26.

Nach acht Jahren Volksschule begann er eine vierjährige Lehre zum Feinmechaniker. Gleichzeitig besuchte er Abendkurse im Arbeiterbildungswesen und der Volkshochschule.

Bereits 1911 in seiner Lehrzeit schloss sich Bernhard Bästlein der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) an und lernte dort die Schneiderin Johanna Elisabeth Hermine Berta Zenk kennen, geboren am 25.7.1895 in Hamburg, die er am 12. Juni 1920 heiratete. Sie stammte wie er aus einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Ihre Eltern waren Albert Zenk und Wilhelmine, geb. Schröder.

1912 trat Bernhard Bästlein in den gewerkschaftlichen Deutschen Metallarbeiter-Verband und die SPD ein. Ab 1913 arbeitete er als Feinmechaniker bei verschiedenen Rüstungsbetrie-ben, bis er im Juni 1915 als Soldat eingezogen wurde. 1916 befand er sich an der Westfront in Frankreich. Im Sommer 1917 schrieb er unter dem Synonym "Berne Bums" Artikel über die revolutionäre Entwicklung in Russland und setzte sich für Frieden durch Revolution ein. Das Pseudonym hatte er aufgrund seines Spitznamens gewählt, den er durch den häufig verwendeten Ausdruck "Ich bums Di en" (Ich hau’ Dir eine runter) erhalten hatte. Beim Rückzug von der Front wurde er im November 1918 in den Arbeiter- und Soldatenrat (s. a. Biedermann, Adolf) gewählt, was seine Entlassung aus dem Feldheer zur Folge hatte.

Zunächst arbeitslos, fand Bernhard Bästlein dann wieder eine Anstellung als Feinmechaniker und, ehrenamtlich, als Arbeiterkorrespondent bei der Hamburger Volkszeitung und in der "Freien Arbeiterjugend". Er verließ die SPD 1918 wegen ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten und wechselte zur USPD, die im April 1917 durch Abspaltung aus der SPD hervorgegangen war. Als sich 1920 der linke Flügel der USPD mit der KPD vereinigte, trat das Ehepaar Bästlein der KPD bei. Bernhard Bästlein wurde im März 1921 zum Mitglied der Hamburger Bürgerschaft gewählt. Durch Beschlüsse der Kommunistischen Internationale gedrängt, löste die KPD in Sachsen und dem Ruhrgebiet Unruhen aus. In Hamburg wurde am 23. März 1921 ("Märzaktion") zum Generalstreik aufgerufen. Bernhard Bästlein beteiligte sich am Demonstrationszug zur Werft Blohm & Voss. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Da gegen die beteiligten Abgeordneten Anklage wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" erhoben und am 30. März 1921 ihre Immunität als Volksvertreter aufgehoben wurde, organisierte die KPD seine Flucht per Schiff von Stettin nach Leningrad (heute St. Petersburg). In der Sowjetunion arbeitete Bernhard Bästlein als Redakteur, Lektor und Lehrer an der Deutschen Parteischule in Moskau. Seine Frau kam aus Hamburg nach. Nach der Schließung der Parteischule arbeitete er als Dreher in einer Moskauer Fabrik. Nur durch Schwarzmarktgeschäfte und "Kohlenklau" blieb ihm und seiner Frau genug zum Leben. Das Ehepaar nahm im Dezember 1922 am IV. Weltkongress der Kommunistischen Internationale teil.

Aufgrund einer Amnestie kehrte das Ehepaar Bästlein im Januar 1923 nach Deutschland zurück. Bernhard Bästlein war dann im Parteiauftrag von 1923 bis 1930 bei verschiedenen Zeitungen im rheinisch-westfälischen Industriegebiet als Redakteur tätig. 1928 lebte das Ehepaar in Hagen, 1930 in Düsseldorf. Mindestens dreimal wurde Bernhard Bästlein wegen Presse-Delikten und einmal wegen Vorbereitung zum Hochverrat vor Gericht gestellt. Da er inzwischen gute Kenntnisse des politischen Strafrechtes hatte, verteidigte er sich erfolgreich selbst. Im Oktober 1929 wurde Bernhard Bästlein Unterbezirksleiter der KPD in Düsseldorf, 1930 Bezirksleiter in Köln. Da er in diesen Jahren kaum Lohn für seine Tätigkeiten erhielt, musste das Ehepaar bei Genossen zur Untermiete leben.
1924 verstarb ihr erstes Kind kurz nach der Geburt.

Von Februar 1931 bis März 1933 war Bernhard Bästlein Politischer Sekretär der KPD-Bezirksleitung Mittelrhein und erhielt das erste Mal eine ausreichende Besoldung. Im April 1932 wurde er in den preußischen Landtag gewählt. Johanna Bästlein engagierte sich bis 1932 in der kommunistischen Frauenarbeit. Sohn Bernt Henry Jürgen wurde am 3.12.1932 geboren. Bernhard Bästlein nahm am 7. Februar 1933 an der letzten illegalen Tagung der KPD unter dem Vorsitz Ernst Thälmanns im "Sporthaus Ziegenhals" bei Berlin teil. Er wurde am 5. März 1933 in den Reichstag gewählt, konnte das Mandat aber aufgrund der einsetzenden Verfolgung nicht mehr annehmen.

Als 1933 das Kölner KPD-Parteihaus in der Aquinostraße 11 beschlagnahmt wurde, musste Johanna Bästlein mit ihrem Sohn die dortige Dreizimmerwohnung räumen, in der sie seit 1931 lebten. Ihre Bibliothek wurde beschlagnahmt. Johanna Bästlein stellte ihren Hausstand bei fremden Leuten unter und bekam später nichts davon ausgehändigt. Sie kehrte wieder nach Hamburg zurück und lebte von Wohlfahrtsunterstützung durch die Stadt Köln.

Ab März 1933 hielt sich Bernhard Bästlein als Organisator der illegalen KPD in Frankfurt am Main auf und wurde dort im Mai 1933 verhaftet. Der Volksgerichtshof klagte ihn erst im Dezember 1934 wegen Hoch- und Landesverrates an. Diese Anklage wandelte das Gericht in "Vorbereitung zum Hochverrat" um und verurteilte ihn zu 20 Monaten Zuchthaus. Vom 12. Juni 1933 bis zum 12. Februar 1935 befand er sich im Gefängnis Siegburg in Haft. Danach ging er zu seiner Familie nach Hamburg, die zu der Zeit in der Straßburger Straße 33 lebte.

Bereits am 8. März 1935 kam Bernhard Bästlein erneut in "Schutzhaft". Er wurde als intellektueller Urheber eines Mordes in Bonn unter Anklage gestellt. Obwohl das Verfahren eingestellt wurde, hielt man ihn in den Konzentrationslagern Esterwegen und – ab 1936 – Sachsenhausen fest. Dort lernte er Robert Abshagen, Franz Jacob (s. d.), Julius Leber (SPD), Harry Naujoks, Wilhelm Guddorf und Martin Weise kennen. 1937 gehörte er zu den Verfassern des Sachsenhausenliedes, das auf Anweisung des SS-Lagerführers Weiseborn als Lagerlied entstand, dann aber verboten wurde. Im April 1939 wurde er in das Kölner Gefängnis "Klingelpütz" überstellt und blieb dort bis zum 6. April 1940 in Polizeihaft.

Nach seiner Entlassung kehrte er zu seiner Familie in Hamburg zurück und lebte mit ihr ab dem 10. April 1940 am Goldbekufer 19. Er arbeitete als Wagenwäscher, Chauffeur und dann in den Altonaer Riepe-Werken, die Tintenkugelschreiber herstellten. Bernhard Bästlein traf sich mit anderen entlassenen Kameraden aus dem KZ Sachsenhausen. Sie wollten den aktiven Widerstandskampf gegen das NS-Regime fortsetzen. So baute er mit Robert Abshagen, Franz Jacob, Oskar Reincke und anderen Kommunisten eine Widerstandsorganisation auf. Ihre vorrangigen Ziele waren die politische Mitgliederschulung, Aufklärungsarbeit und Produktionssabotage in den Betrieben. Als Gründungssitzung wird ein Treffen im November 1941 angesehen, auf dem Bernhard Bästlein mit der Ausarbeitung einer Konzeption beauftragt wurde. Im Dezember 1941 kamen in Berlin Bernhard Bästlein, Robert Abshagen, Wilhelm Guddorf, Martin Weise und Fritz Lange zusammen, um das sechsseitige Papier zu beraten. Wilhelm Guddorf gehörte zur KPD und hatte über Martin Weise Kontakte zu Berliner Widerstandsgruppen wie der Uhrig- und Schulze-Boysen/Harnack-Organisation geknüpft ("Rote Kapelle", s. Rittmeister, John).

Bernhard Bästlein war als politischer Leiter für die Abwehr von Spitzeln, die Nachrichtenbeschaffung und Bereitstellung von Waffen verantwortlich. Es existierten, oft nur lose, Verbindungen zu Widerstandskreisen in Hamburg, wie dem Zweig der "Weißen Rose" (s. Rothe, Margaretha), der Etter-Hampel- (s. Etter, Werner) und der KdF-Gruppe (s. Ladewig), sowie zu Gruppen in anderen Teilen Deutschlands. Die Widerstandstätigkeiten konzentrierten sich weitgehend auf die Großbetriebe der Bereiche "Werften" und "Metall", in denen es über 30 illegale Betriebsgruppen gab. Die Widerstandskämpfer unterstützten Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, wodurch auch Kontakte zu ausländischen Gruppen entstanden. Mitte 1942 kam es zur wohl einzigen größeren Flugblatt-Aktion. Das "Merkblatt für Bauarbeiter" richtete sich insbesondere an Hamburger Bauarbeiter, die zu Bauvorhaben der "Organisation Todt" nach Norwegen und in die Sowjetunion zwangsverpflichtet wurden. Es verknüpfte allgemeine sozialpolitische Forderungen (Lohnhöhe, Trennungsgelder) mit dem Aufruf zu Sabotageakten sowie der anständigen Behandlung der einheimischen Bevölkerung und schloss mit der Losung "Hitlers Niederlage ist nicht unsere Niederlage, sondern unser Sieg!"

Mitte Mai 1942 sprangen über Ostpreußen vier Personen mit Fallschirmen aus sowjetischen Flugzeugen ab. Sie sollten wohl durch mitgeführte Funkgeräte und gefälschte Papiere die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation in Berlin unterstützen. Da sie aber dort keinen Kontakt herstellen konnten, machten sich zwei von ihnen, Erna Eifler und Wilhelm Fellendorf, auf den Weg nach Hamburg zur Mutter von Wilhelm Fellendorf. Anfang Juli gelang es Erna Eifler und Wilhelm Fellendorf Kontakt zur Bästlein-Organisation herzustellen, die nun für ein Versteck und Verpflegung sorgte. Inzwischen war ihnen allerdings die Gestapo auf der Spur. Am 15. Oktober 1942 begann in Hamburg eine Verhaftungswelle, der am 17. Oktober auch Oskar Reincke und Bernhard Bästlein zum Opfer fielen. Ein Fluchtversuch Bernhard Bästleins scheiterte an einem Schuss in den Unterschenkel. Nach schweren Folterungen im Hamburger Stadthaus, dem Sitz der Staatspolizeileitstelle, unternahm er einen Selbstmordversuch, indem er sich einen Treppenschacht hinunterstürzte. Er überlebte – und blieb trotz der folgenden Torturen bei seiner Haltung des politischen Widerstandes. Am 30. November 1942 gab er vor der Gestapo eine schriftliche Erklärung dazu ab, die jetzt auch die Erfahrungen während der NS-Herrschaft einbezog. Ein Auszug: "Der erste Faktor war meine siebenjährige Haft von 1933 bis 1940 – davon vier Jahre in Konzentrationslagern – während der ich entsetzliche Dinge erlebt, gesehen und gehört habe. Diese Zeit hat mir jede Möglichkeit des Zweifelns in Bezug auf meine weltanschauliche Einstellung genommen, denn meine Überzeugung, dass eine Gesellschaftsordnung, in der solche Dinge möglich sind, wie ich sie erlebte, beseitigt werden muss, wurde dadurch grundfest gemacht. Der zweite Faktor war der 1939 begonnene zweite Weltkrieg."

Im August 1943 wurde Bernhard Bästlein aus der Untersuchungshaft in Fuhlsbüttel in die Strafanstalt Berlin-Plötzensee überstellt, um als Zeuge im Prozess gegen Martin Weise auszusagen. Bei einem Luftangriff am 30. Januar 1944 wurde das Berliner Gefängnis getroffen. Bernhard Bästlein konnte fliehen und seiner Frau per Brief darüber berichten. Er fand bei Berliner Kommunisten Unterschlupf und war weiterhin im Widerstand aktiv. Im April 1944 sah er Franz Jacob zufällig in der S-Bahn. Zusammen mit Anton Saefkow wurden sie der "Dreierkopf" der illegalen KPD Berlin. Doch wurde Bernhard Bästlein am 30. Mai 1944 verhaftet, in Berlin im Reichssicherheitshauptamt in der Prinz-Albrecht-Straße vernommen und tagelang gefoltert. Er kam im Juli in das KZ Sachsenhausen. Das am 5. September 1944 durch den Volksgerichtshof gefällte Urteil wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung galt auch für Franz Jacob und Anton Saefkow. In der Urteilsbegründung heißt es: "Sie sind unbelehrbar und unverbesserlich."

Bernhard Bästlein wurde am 18. September 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil enthauptet.

Johanna Bästlein arbeitete nach Streichung ihrer Wohlfahrtsunterstützung ab 1938 als Uniformnäherin. Sie wurde im Juli 1943 ausgebombt und lebte seitdem mit ihrem Sohn in einer primitiven Wohnlaube am Ziegelsee 60 in Jenfeld, die ihr Mann bereits vorausschauend als Notquartier ausgebaut hatte. Als sie ihre Arbeit verlor, nähte sie für Privatleute. Zweimal wurde sie verhaftet und aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Vom Tod ihres Mannes erfuhr Johanna Bästlein erst am 30. September 1944. Die Veröffentlichung einer Todesanzeige wurde ihr untersagt.

Die Urne von Bernhard Bästlein wurde 1946 nach Hamburg überführt, eine Woche im Hamburger Rathaus aufgebahrt und am 8. September 1946 im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer auf dem Friedhof Ohlsdorf bestattet.

Die DDR ehrte Bernhard Bästlein unter anderem mit Denkmälern und Straßenbenennungen in Berlin und Rostock.
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Das Sachsenhausenlied:
Wir schreiten fest im gleichen Schritt
Melodie: "Die Bauern wollten freie sein"

Wir schreiten fest im gleichen Schritt
wir trotzen Not und Sorgen
denn in uns zieht die Hoffnung mit
auf Freiheit und das Morgen.

Was hinter uns, ist abgetan
gewesen und verklungen
die Zukunft will den ganzen Mann
ihr sei unser Lied gesungen.

Aus Esterwegen zogen wir leicht
es liegt verlassen im Moore
doch bald war Sachsenhausen erreicht
es schlossen sich wieder die Tore.

Wir schaffen hinter Stacheldraht
mit Schwielen in den Händen
und packen zu und werden hart
die Arbeit will nicht enden.

So mancher kommt, kaum einer geht
es gehen Mond´ und Jahre
und bis das ganze Lager steht
hat mancher graue Haare.

Das Leben lockt hinter Drahtverhau
wir möchten´s mit Händen greifen
dann werden unsre Kehlen rauh
und die Gedanken schweifen.

Wir schreiten fest im gleichen Schritt
wir trotzen Not und Sorgen
denn in uns zieht die Hoffnung mit
auf Freiheit und das Morgen.



© Maike Bruchmann

Quellen: AfW 031294; Ursel Hochmuth, Niemand und nichts wird vergessen, Biogramme und Briefe Hamburger Widerstandskämpfer 1933–1945, Hamburg 2005, S. 31–34; Andreas Klaus, Gewalt und Widerstand in Hamburg-Nord während der NS-Zeit, Hamburg 1986, S. 66–76; Frank Müller (Hrsg.), Mitglieder der Bürgerschaft, Opfer totalitärer Verfolgung, Hamburg 1995, S. 15–18; www.politisch-verfolgte.de (eingesehen am 18.08.2007); www.volksliedarchiv.de (eingesehen am 18.08.2007); Telefonisches Interview mit Bernhard Bästlein am 26.08.2007; Klaus Bästlein, "Hitlers Niederlage ist nicht unsere Niederlage, sondern unser Sieg!", Die Bästlein-Organisation, in: Beate Meyer/Joachim Szodrzynski (Hrsg.), Vom Zweifeln und Weitermachen, Fragmente der KPD-Geschichte, Hamburg 1988, S. 44–89; Volker Ullrich, Weltkrieg und Novemberrevolution: Die Hamburger Arbeiterbewegung 1914 bis 1918, in: Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Hamburg im ersten Viertel des Jahrhunderts: die Zeit des Politikers Otto Stolten, Hamburg 2000, S. 106–107, Angelika Voss, Der "Hamburger Aufstand" im Oktober 1923, aaO, S. 171; Harry Naujoks, Mein Leben im KZ Sachsenhausen 1936–1942, Köln 1987, S. 49, 51, 52, 134; Ursel Hochmuth/Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933–1945, Frankfurt am Main 1980, S. 360.


Bernhard Bästlein MdHB

Das politische Profil Bernhard Karl Bästleins ergibt sich rückblickend weniger aus seiner parlamentarischen Tätigkeit in der Hamburger Bürgerschaft, der er nur vier Monate angehörte, sondern vielmehr aus seiner zentralen Rolle im kommunistischen Widerstand: "Hitlers Niederlage ist nicht unsere Niederlage, sondern unser Sieg!" – diese Erkenntnis wurde zum Antriebsmoment des herausragenden Wirkens Bernhard Bästleins im kommunistischen Widerstand der 1940er Jahre.

Geboren am 3. Dezember 1894 in Hamburg, erlernte er hier nach dem Besuch der achtjährigen Volksschule den Beruf des Feinmechanikers. Der junge Bernhard Bästlein war tief geprägt durch sein sozialistisches Elternhaus.

Schon sein Vater, der Büchsenmacher und Tresorbauer Bernhard Bästlein sen., war SPDMitglied und aktiver Gewerkschafter. Als 17jähriger schloss sich Bästlein jun. der Sozialistischen Arbeiterjugend an, ein Jahr später, 1912, trat er der SPD bei und organisierte sich gewerkschaftlich im Deutschen Metallarbeiterverband (DMV). In seiner Freizeit war er eifriger Hörer im Arbeiterbildungswesen. Den Ersten Weltkrieg erlebte Bästlein als Mannschaftsdienstgrad an der Westfront. Ab 1916, dem Jahr der totalen Mobilisierung unter Hindenburg und Ludendorff, kam er an den Frontabschnitten von Ypern, Verdun und der Somme zum Einsatz. Im Sommer 1917 wurde er durch einen Granatsplitter an der Hand verwundet. Noch vor der Demobilisierung erfolgte im November 1918 die Wahl in den Soldatenrat seiner Einheit.

Nach dem Krieg war Bästlein am Aufbau der links von der Sozialdemokratie stehenden "Freien Arbeiterjugend" beteiligt – mit der SPD hatte er wegen deren Haltung während des Krieges inzwischen gebrochen. Den Weg in die KPD fand Bästlein über den linken Flügel der "Unabhängigen Sozialdemokratie" (USPD), der sich Ende 1920 mit der bis dahin unbedeutenden kommunistischen Partei vereinigte.

Im März 1921 wurde Bernhard Bästlein als jüngster Abgeordneter in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Zur selben Zeit war er an der sog. "Märzaktion" beteiligt, mit der die deutschen Kommunisten auf Weisung der Komintern die parlamentarische Republik zu stürzen hofften. Auch in Hamburg suchte die Kommunistische Partei als erste Stufe ihres Umsturzplanes die Arbeiterschaft zum Generalstreik zu mobilisieren. Hier stand Bästlein am 23. März 1921 in vorderster Linie eines Demonstrationszuges zur Werft Blohm & Voss, wo er an der höchsten Helling die Rote Fahne hisste. Doch der aus einer völligen Fehleinschätzung der eigenen Kräfte heraus begonnene Aufstand mit seinem Zentrum im mitteldeutschen Industriegebiet um Merseburg und Halle, brach schon nach wenigen Tagen unter dem massiven Einsatz von Polizeikräften zusammen.

Als die KPD nach dieser Niederlage starken parteiinternen Zerreißproben ausgesetzt war und sich gar die Reichstagsfraktion spaltete, war gegen den Hamburger Abgeordneten bereits Anklage wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" erhoben worden. Nachdem am 30. März 1921 auch seine Immunität als Volksvertreter aufgehoben worden war, organisierte die KPD seine Flucht in die Sowjetunion.

An Bord eines Schiffes, das russische Kriegsgefangene von Stettin nach Leningrad brachte, verließ Bästlein Deutschland und wurde nach nur vier Monaten Zugehörigkeit zur Hamburger Bürgerschaft im Juni 1921 durch den nachrückenden Johann Paulus Ziegler ersetzt. Parlamentarisch ist Bernhard Bästlein nicht in Erscheinung getreten.

In der Sowjetunion war Bästlein zunächst als Redakteur in der autonomen Republik der Wolgadeutschen tätig, wo er für die "Deutsche Bauernzeitung" schrieb. Wenig später wirkte er an der Deutschen Parteischule in Moskau. Deren Schließung zwang ihn, eine Tätigkeit als Dreher in einer Moskauer Fabrik anzunehmen. Als ihm Anfang 1923 eine Amnestie die Rückkehr nach Deutschland erlaubte, versuchte sich Bästlein zunächst als Droschkenunternehmer selbständig zu machen.

Seine Partei schickte ihn jedoch in die Redaktion der "Westfälischen Arbeiterzeitung" nach Dortmund. Auch in den folgenden Jahren der relativen Stabilisierung der Republik war er als Redakteur bei kommunistischen Tageszeitungen in Dortmund, Hagen und Remscheid tätig, zuletzt als Chefredakteur bei der "Arbeiterstimme" in Solingen.

Im Oktober 1929 wurde Bästlein Unterbezirksleiter der KPD in Düsseldorf, von Februar 1931 bis März 1933 war er Parteisekretär des KPD-Bezirks Mittelrhein. In dieser Funktion beteiligte er sich aktiv an dem auch von rechten Kräften unterstützten Volksbegehren für die Auflösung des Preußischen Landtages und dem Versuch, die regierende Koalition aus SPD und Zentrum als wichtigste demokratische Bastion der Republik zu stürzen. Bei den Reichspräsidentenwahlen 1932 führte er Wahlkampf für den Kandidaten der KPD, seinen früheren Hamburger Ortsgruppenvorsitzenden Ernst Thälmann, der im ersten Wahlgang immerhin 13,2 % der Stimmen auf sich verbuchen konnte, damit aber deutlich hinter den Stimmenanteilen Hindenburgs (49,6 %) und Hitlers (30,1 %) zurückblieb.

Im April 1932 wurde Bästlein als Abgeordneter in den Preußischen Landtag gewählt. Bei den bereits unter den Bedingungen des Ausnahmezustandes und offenen Terrors gegen politische Gegner der NSDAP stattfindenden und damit letztlich illegalen Reichstagswahlen vom 5. März 1933 erhielt Bernhard Bästlein schließlich noch ein Reichstagsmandat, das er aber nicht mehr wahrnehmen konnte. Als der Reichstag am 21.3.1933 vor der Garnisonskirche in Potsdam eröffnet wurde, war keiner der 81 gewählten KPD-Abgeordneten anwesend.

Sie befanden sich entweder in Haft, waren ins Ausland geflohen oder mussten sich versteckt halten. Bernhard Bästlein, der am 7. Februar 1933 an der letzten illegalen Tagung des ZK der KPD im "Sporthaus Ziegenhals" bei Berlin teilgenommen hatte, war inzwischen mit dem Aufbau der illegalen Parteiorganisation im Großraum Frankfurt beauftragt. Hier wurde er im Mai 1933 verhaftet.

Nach mehr als eineinhalbjähriger Untersuchungshaft wurde Bästlein im Dezember 1934 vom neugegründeten "Volksgerichtshof " wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 20 Monaten Zuchthaus verurteilt. Diese verbüßte er bis Februar 1935 im Zuchthaus Siegburg. Es folgten weitere fünf Jahre "Schutzhaft" in den Konzentrationslagern Esterwegen und Sachsenhausen. In Sachsenhausen lernte Bästlein die Hamburger Kommunisten Franz Jacob und Robert Abshagen kennen und kam darüber hinaus in Kontakt mit dem Sozialdemokraten Julius Leber. Die hier entstandenen Kontakte sollten später zur tragenden Säule der kommunistischen Widerstandsorganisation in Norddeutschland werden und zugleich Berührungspunkte zum sozialdemokratischen Widerstand schaffen.

"Wir schreiten fest im gleichen Schritt – Wir trotzen Not und Sorgen – Denn in uns zieht die Hoffnung mit – Auf Freiheit und das Morgen", diese einleitende und zugleich letzte Strophe des sog. "Sachsenhausen-Liedes", zu dessen Verfassern auch Bernhard Bästlein zählte, erfuhr durch die illegalen politischen Diskussionszirkel im Lager ihre politische Konkretisierung. Als er schließlich Anfang 1940 nach Hamburg entlassen wurde, ging er zunächst Gelegenheitsarbeiten als Wagenwäscher und Chauffeur nach, bis er schließlich eine feste Anstellung als Feinmechaniker bei den Altonaer Riepe-Werken fand. Die Jahre der KZHaft hatten den überzeugten Kommunisten jedoch nicht in seiner Widerstandshaltung gebrochen, sondern im Gegenteil seine Absicht gestärkt, die Untergrundarbeit gegen das nationalsozialistische Regime fortzusetzen. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, der die völlige Isolierung und Desorientierung der deutschen Kommunisten zumindest teilweise beendete, baute er ab Sommer 1941 gemeinsam mit Oskar Reincke, Franz Jacob und anderen Hamburger Kommunisten die sog. "Bästlein-Organisation" auf.

Ziel dieser Widerstandsorganisation war es, politische Mitgliederschulung zu leisten, Aufklärungsarbeit und Produktionssabotage in den Betrieben zu organisieren sowie Zwangsarbeiter zu unterstützen. Bernhard Bästlein war als Politischer Leiter der Kopf dieser weitverzweigten etriebszellenorganisation mit ihrem Schwerpunkt in den Bereichen "Metall" und "Werften". Die Organisation oblag Oskar Reincke, der Bereich "Agitation und Propaganda" Franz Jacob.

Die groß angelegte Verhaftungsaktion der Gestapo gegen die Bästlein-Organisation und ihr Umfeld begann am 17. Oktober 1942. Bästlein wurde an seinem Arbeitsplatz in Altona festgenommen. Auf dem Weg ins Gefängnis scheiterte ein Fluchtversuch, bei dem er einen Steckschuss in den Unterschenkel erhielt. Einen anschließenden Selbstmordversuch im Stadthaus, dem Gestapo-Hauptquartier, überlebte er. Nach langen und quälenden Verhören im berüchtigten Folterkeller des Stadthauses und in Fuhlsbüttel wurde Bernhard Bästlein im Sommer 1943 zur Verurteilung nach Berlin-Plötzensee verbracht.

Bästlein hatte in seinen Verhören keinen Zweifel an den Motiven seiner Widerstandsaktivität gelassen. Er gab zu Protokoll, dass er sich als "Täter aus weltanschaulicher Überzeugung" verstehe und es seine langjährige Haft in Gefängnissen und im Konzentrationslager sowie der Beginn des Krieges gewesen seien, die ihn in der Überzeugung bestärkt hätten, "daß eine Gesellschaftsordnung, in der solche Dinge möglich sind [...] beseitigt werden muß." Was in Hamburg scheiterte, gelang Bernd Bästlein in Plötzensee: bei einem Luftangriff Ende 1943, bei dem auch das Gefängnisgebäude beschädigt wurde, konnte er fliehen.

Er versteckte sich bei Freunden und fand im Frühjahr 1944 zur Widerstandsgruppe um Anton Saefkow und dem inzwischen ebenfalls in Berlin wirkenden Franz Jacob. Gemeinsam versuchten sie, der KPD eine neue Führungs- und Organisationsstruktur zu geben und gleichzeitig in Rüstungsbetrieben die Produktion zu sabotieren. Seine in Hamburg lebende Frau konnte Bästlein in einem Brief wissen lassen, er "tue weiter (seine) Pflicht".

Für kurze Zeit war er nun neben Saefkow und Jacob Mitglied der zentralen operativen Leitung der KPD, die zu diesem Zeitpunkt bereits über ein gut organisiertes Verbindungsnetz in mehreren Berliner Betrieben verfügte. Manches spricht dafür, dass die Gestapo bereits zu diesem Zeitpunkt in die Organisation eingedrungen war. Als die Gruppe schließlich Ende Mai 1944 von der Gestapo zerschlagen wurde, gehörte auch Bernhard Bästlein zu den Opfern der Verhaftungswelle.

Am 5. September 1944 wurde er vom "Volksgerichtshof " wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt und zwei Wochen später, am 18. September 1944, zusammen mit Franz Jacob und Anton Saefkow im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Die Urnen Bernhard Bästleins und seines Freundes Franz Jacob wurden 1946 nach Hamburg überführt, hier zunächst für eine Woche im Rathaus aufgebahrt und schließlich im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Auch die von den Nationalsozialisten ermordeten Bürgerschaftsabgeordneten Etkar André und Hans Westermann fanden dort ihre letzte Ruhestätte.

Neben seiner Frau hinterließ Bernhard Bästlein einen zehnjährigen Sohn.

© Text mit freundlicher Genehmigung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) entnommen aus: Jörn Lindner/Frank Müller: "Mitglieder der Bürgerschaft – Opfer totalitärer Verfolgung", 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Hamburg 2012

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