Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Katharina Corleis mit ihrem Sohn Dietrich, 1899
© Privtbesitz

Katharina Corleis * 1877

Öjendorfer Weg 41 (Hamburg-Mitte, Billstedt)


HIER WOHNTE
KATHARINA CORLEIS
JG. 1877
INHAFTIERT
KZ FUHLSBÜTTEL
ERMORDET 26.6.1935

Siehe auch:

Katharina Corleis, geb. Engelke, geb. 15.12.1877 in Groß-Fredenbeck bei Stade, Suizid am 25.6.1935 im KZ Fuhlsbüttel

Öjendorfer Weg 41

Katharina Engelke wurde am 15. Dezember 1877 in Groß-Fredenbeck bei Stade geboren. Ihr späterer Mann, Friedrich Corleis, kam am 23. April 1879 in Deinste, einem Dorf in der Nähe, zur Welt. Nach ihrer Heirat erwarben sie in Schiffbek ein Grundstück am Öjendorfer Weg 41, wo sie in den dreißiger Jahren ein Eigenheim bauten. Das Ehepaar Corleis bekam zwei Töchter und drei Söhne. Friedrich Corleis arbeitete bei den Gaswerken und nach Feierabend ebenso wie seine Frau und die Kinder in ihrer kleinen Gärtnerei. Der Garten lieferte Obst, Gemüse und Blumen, die die Mädchen in Hamm verkauften. Katharina und Friedrich Corleis waren in der SPD organisiert, außerdem in der Konsumgenossenschaft der "PRO".

Nach dem Verbot der SPD 1933 arbeiteten einige Genossen in Billstedt illegal weiter. Sie vertrieben umfangreiches Material, in dem vor dem Nationalsozialismus und einem durch ihn ins­zenierten Krieg gewarnt wurde, und stellten es zum Teil auch selbst her. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1935 wurden 48 Bill­stedter Frauen und Männer verhaftet. Unter den acht verhafteten Frauen befanden sich die alte Genossin Benthien, Katharina Strutz, geb. Mehrens, und Katharina Corleis.

In seinen Erinnerungen vom 30. Januar 1946 berichtete Friedrich Corleis: "Meine Frau, Ka­tha­­­rina Corleis, wurde um 4 Uhr morgens von der Gestapo in ihrem Haus im Öjendorfer Weg 41 verhaftet. Sie erhob mutig gegen ihre Verhaftung Einspruch und wurde daraufhin in meiner Gegenwart angepöbelt. Man sagte ihr, dass bekannt sei, was sie auf dem Kerbholz habe, denn sie bekleide in der verbotenen SPD einen wichtigen Posten. Außerdem sei sie im Besitz von illegalen Schriften und verteile diese trotz des Verbots weiter." Corleis warf ein, dass sie nur gewöhnliche Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei gewesen seien. Seine Frau wurde ins Polizeigefängnis Stadthaus und von dort ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel überführt. Am 26. Juni 1935 bekam Corleis die Mitteilung, seine Frau habe sich in der Nacht zum 25. Juni 1935 in ihrer Zelle erhängt.

Zum 27. Juni wurde er ins Stadthaus bestellt. Dort wurde ihm u. a. mitgeteilt, seine Frau sei in eine größere verbotene SPD-Organisation verwickelt gewesen, die seit Weihnachten 1934 von der Gestapo beobachtet worden sei. Diese Kolonne (Gruppe) habe unausgesetzt Gelder für die SPD gesammelt und daran habe seine Frau maßgeblichen Anteil gehabt. Sie habe mit Sicherheit ein schlechtes Gewissen gehabt und sich deshalb erhängt. Den anderen Verhafteten warf das Hanseatische Oberlandes­gericht "Vorbereitung zum Hochverrat" vor. Sechs von ihnen wurden zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten und drei Jahren verurteilt.

Friedrich Corleis durfte seine Frau nicht in Billstedt beerdigen, damit die Beerdigung nicht zu Propagandazwecken genutzt werden konnte. Die Verbrennung der Leiche fand im Ohlsdorfer Krematorium statt; bei der vorangegangenen Leichenschau durfte die Familie die Tote nur von Ferne betrachten. Ausdrücklich wurde ihr das Nähertreten verboten. Die Asche wurde Friedrich Corleis zur Beerdigung ausgehändigt. Katharina Corleis wurde auf dem Schiffbeker Friedhof beigesetzt, unter der Bedingung, dass kein Gefolge daran teilnehme.

Katharina Corleis’ Enkelin, Helga Witt, war damals zu Besuch bei den Großeltern. Als sie am nächsten Morgen ihre Großmutter nicht vorfand, erfuhr sie von ihrem Großvater, man habe die Großmutter abgeholt.

Die Mitangeklagte Katharina Strutz erklärte später eidesstattlich, "dass die im Konzentrationslager Hamburg-Fuhlsbüttel ums Leben gekommene Frau Corleis, wohnhaft gewesen Hamburg-Billstedt, Öjendorfer Weg, mit mir zusammen in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1935 durch die Gestapo verhaftet wurde. Wir wurden am 18. Juni 1935 gegen Mittag vom Stadthaus aus nach Fuhlsbüttel gebracht, wo wir (insgesamt 8 Billstedter Frauen) in Einzelhaft kamen. Der Tod von Frau Corleis wurde mir Anfang Juli bekannt, als ich zur ersten Vernehmung im Stadthaus war. Eine mir unbekannte Mitgefangene, die in Gemeinschaftshaft war, teilte mir mit, dass Frau Corleis bereits seit mehreren Tagen tot sei."

Katharina Corleis war die erste Frau, die im Konzentrationslager Fuhlsbüttel ums Leben kam. Sie hatte in Billstedt im Rahmen des "illegalen antifaschistischen Widerstandskampfes" der SPD NS-Gegnerinnen und -Gegner sowie Angehörige von Verfolgten zum Beispiel durch kleine Geldbeträge unterstützt. Mit den Spenden, die sie sammelte und verteilte, half sie Not zu lindern. Einige Menschen konnten dadurch ihre Wohnung behalten, andere bekamen etwas zu essen oder konnten Medikamente oder ein Schulheft für ihr Kind kaufen. Besonders die Menschen, die sich gegen das NS-System stellten, mussten viel entbehren. Oft verloren sie ihre Arbeit und damit ihr Einkommen. So waren die kleinen Hilfen für sie ein Segen. Katharina Corleis wusste, worauf sie sich einließ und was ihr deshalb passieren konnte. Trotzdem tat sie, was sie tat.

© Christiane Chodinski

Quellen: Kola-Fu Gedenkbuch; StaH 351-11 AfW, 4443; Gedächtnisprotokoll vom 30.01.1946 von Friedrich Corleis; mündliche Mitteilungen von Angehörigen.

druckansicht  / Seitenanfang