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Minna Dessau
© Yad Vashem

Minna Dessau (geborene Hilsheim) * 1873

Husumer Straße 16 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)


HIER WOHNTE
MINNA DESSAU
GEB. HILSHEIM
JG. 1873
FLUCHT HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Husumer Straße 16:
Emil Abraham Asten, Henriette Asten, Dr. Samuel Dessau, Olga Hertz, Berta Hoffmann

Minna Dessau, geb. Hilsheim, geb. 11.9.1873 in Hamburg, am 20.7.1943 von Westerbork/Niederlande nach Sobibór deportiert
Sam Samuel Dessau, geb. 13.5.1904 in Hamburg, am 11.1.1944 von Westerbork/Niederlande nach Bergen-Belsen deportiert, dort am 21.2.1945 gestorben

Husumerstraße 16

Minna Dessaus Eltern Simon und Josephine Hilsheim, geb. Levi, lebten zum Zeitpunkt ihrer Geburt in Hamburg. Über ihre Kindheit und Ausbildung gibt es keine Angaben. Die Hochzeit mit Salomon Dessau, einem in Hamburg ansässigen Makler, wurde am 19. November 1899 in Bad Bevensen im großbürgerlichen Rahmen gefeiert. Salomon Dessau stammte aus einer Rabbiner- und Gelehrtenfamilie, sein Vater Samuel war Direktor der Israelitischen Bürger-Realschule in Fürth. Seine Brüder waren der angesehene Historiker Herrmann Dessau in Berlin und der Professor für Physik Bernardo Dessau im italienischen Perugia. Die aus der Tradition der Familie stammende konservativ-religiöse Grundeinstellung lässt sich an der Einladung zur Hochzeit und der Menükarte ablesen, in der besonderer Wert auf koscheres Essen gelegt wurde.

Innerhalb von acht Jahren bekam das Ehepaar Dessau fünf Kinder: Lisa 1902, Samuel 1904, Lotte 1906, Alfred 1908 und Fritz 1910. Samuel Dessau wurde nach seinem kurz vor seiner Geburt verstorbenen Großvater benannt. Bei der Erziehung der Kinder wurde besonderer Wert auf die weltliche Ausbildung gelegt. So wurden die Söhne nicht auf die Talmud Tora Schule geschickt, sondern auf das Heinrich-Hertz-Realgymnasium, da man sich dort eine bessere Ausbildung erhoffte. Samuel und Fritz legten das Abitur ab, studierten und promovierten. Samuel studierte in Hamburg und Marburg Jura, trat 1925 sein Referendariat an und promovierte 1926 in Hamburg. Im Anschluss wurde er Gerichtsassessor und 1929 als Rechts­anwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht zugelassen, seine Kanzlei befand sich in der Ger­hofstraße 3/5.

Fritz studierte von April 1928 bis Dezember 1933 Medizin an der Universität in Hamburg, von Mai 1934 bis Januar 1937 arbeitete er in Amsterdam in einem Labor und promovierte 1937 in Hamburg. Im darauffolgenden Jahr arbeitete er an der Universität in Istanbul und emigrierte Ende 1938 in die Vereinigten Staaten, wo er unter dem Namen Frederick Isaac als Pathologe in New York bekannt wurde. Alfred verließ die Schule nach sechs Jahren und machte eine kaufmännische Ausbildung, ab 1924 arbeitete er für die Warburg Bank in Hamburg und Amsterdam. Er emigrierte mit seiner Frau Sitta, geb. Golde, in die USA.

Bei den beiden Töchtern der Dessaus wurde ebenfalls auf eine gute Ausbildung geachtet; Lisa machte Abitur und studierte Sprachen. Sie arbeitete als Lehrerin, bis sie durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das u. a. jüdische Beamte vom Schuldienst ausschloss, ihre Anstellung verlor. Die jüngste Tochter Lotte erhielt eine Aus­bildung zur Krankenschwester. Beide Schwestern emigrierten 1933 nach Palästina, heirateten und bekamen je ein Kind. Samuels Zulassung als Rechtsanwalt war ihm wegen seiner jüdischen Abstammung am 25. April 1933 entzogen worden. Gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Samuel zog das Ehepaar Dessau im Sommer 1933 nach Amsterdam. Nach seiner Emigration in die Niederlande hatte Samuel "nur eine kleine Bürostellung in einer Amsterdamer Bank". Er heiratete dort 1938 Jeanette (genannt Netti) Golde, die am 19. Juni 1909 in Frankfurt am Main geboren worden war. Ihre Tochter Lotte Nechama kam am 10. Dezember 1939 zur Welt. Salomon Dessau starb 1941 im Alter von 79 Jahren eines natürlichen Todes.

Ab dem 2. Mai 1942 mussten auch die Dessaus laut Verordnung für die Juden in den Niederlanden den Judenstern tragen. Aus der Familienkorrespondenz geht hervor, dass sich Fritz von den USA aus sehr für die Emigration der Familie in die USA einsetzte, er bemühte sich um Visa für seine Mutter und Samuels Familie für Uruguay. Samuel und seine Frau wären auch nach Palästina ausgewandert, konnten dies jedoch wegen der britischen Einreisebeschränkungen nicht bewerkstelligen.

Minna Dessau wurde am 20. Juli 1943 von Westerbork aus nach Sobibor deportiert und auf den 23. Juli 1943 für tot erklärt.

Samuel Dessaus Verhaftung erfolgte am 6. November 1943, zusammen mit seiner Frau und dem 3-jährigen Kind wurde er im Sammellager Westerbork interniert und von dort am 11. Januar 1944 nach Bergen-Belsen deportiert. Dort starb Samuel Dessau am 21. Februar 1945 an Unterernährung. Seine Frau Jeanette und seine Tochter überlebten das Lager Bergen-Belsen und emigrierten nach New York. Die Tochter Lotte erlitt durch die Lebensbedingungen im Konzentrationslager eine "Dauerlähmung des linken Armes und Beines".

© Claudia Pufahl

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 390 Wählerliste 1930; StaH 362-2/19, Heinrich Hertz-Schule; AfW 280702, AfW 190609, AfW 191239; Wannack Herrmann Dessau, 2007, S. 4–9, 177; Morisse, Jüdische Rechtsanwälte, 2003, S. 82, 123f.; persönliche Mitteilungen von Angehörigen.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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