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Betty Elkeles * 1885

Bornstraße 4 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
BETTY ELKELES
JG. 1885
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Weitere Stolpersteine in Bornstraße 4:
Erich Alexander Heilbut, Oswald Heilbut, Michel Liepmann Heilbut

Betty Elkeles, geb. am 3.2.1885 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Bornstraße 4, Hamburg-Rotherbaum

Betty Elkeles kam am 3. Februar 1885 als zweites Kind des "Commis" (Handlungsgehilfe) und Buchhalters Salomon (genannt Sigismund) Elkeles und seiner Ehefrau Clara, geborene Nossen, in der Hamburger Caffamacherreihe 38 zur Welt. Ihre Schwester Mary war bereits am 16. Dezember 1882 in Hamburg in der ABC-Straße 59 geboren worden.

Salomon Elkeles war 1852 in Posen zur Welt gekommen. Er ließ sich 1881 in Hamburg nieder und erhielt 1895 die Bürgerrechte. Clara Elkeles’ ursprünglicher Vorname lautete Chawolesch. Sie stammte aus Gnesen (Gniezno/Polen). Bettys Eltern gehörten dem jüdischen Glauben an.
Betty Elkeles war zweieinhalb Jahre alt, als ihre Mutter am 29. August 1887 im Alter von nur knapp dreißig Jahren wahrscheinlich an Tuberkulose starb. Clara Elkeles wurde auf dem früheren Jüdischen Friedhof Neuer Steinweg in der Hamburger Neustadt beigesetzt.

Salomon Elkeles heirate erneut, vermutlich die Schwester seiner verstorbenen Ehefrau. Mit Hannchen Elkeles, geborene Nossen, geboren am 25. Februar 1868 in Gnesen, bekam Salomon Elkeles noch zwei Kinder, Alphons, geboren am 6. Dezember 1896 in Hamburg, und Curt, geboren am 25. Oktober 1889 ebenfalls in Hamburg.
Mary, Salomon Elkeles’ ältere Tochter aus der ersten Ehe, starb im Alter von kaum zwölf Jahren am 28. Juni 1894.

Nachdem die Familie Elkeles viele Jahre in der Hamburger Neustadt gewohnt hatte, verlegte Salomon Elkeles den Wohnsitz etwa 1913 in das seit einigen Jahren von den Hamburger Juden bevorzugte Grindelviertel. Die Adresse lautete nun zunächst Bornstraße 25 und ein Jahr später Bornstraße 4.

Gegen Ende seines Lebens stieg Salomon Elkeles auch beruflich auf. Nach Jahrzehnten, in denen er im Hamburger Adressbuch als Buchhalter vermerkt war, lautete seine Berufsbezeichnung in der Ausgabe von 1921 "Prokurist". Lange konnte er sich jedoch des beruflichen Erfolges nicht erfreuen. Er starb am 2. Mai 1921 im Alter von 69 Jahren und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf an der Straße Ilandkoppel beerdigt.

Über Betty Elkeles Kindheit und Jugendzeit ist uns nichts bekannt. Seit Juli 1915 soll Betty in Wedel gelebt haben. Nachweise dafür lassen sich jedoch nicht finden. Wedel, damals eine kleine an der Elbe gelegene Stadt westlich von Hamburg, zählt heute zu den bevorzugten Hamburger Stadtrandgemeinden. Belegt ist, dass Betty Elkeles seit dem 7. Januar 1927 im Alters- und Pflegeheim Wedel lebte. Dort blieb sie zunächst bis Februar 1936.

Das Alters- und Pflegeheim Wedel war aus dem 1854 in der dortigen Gärtnerstraße eingerichteten Werk- und Armenhaus hervorgegangen. Infolge der Umgestaltung des Fürsorgerechts entstand 1924 ein Fürsorgezweckverband für die Stadt Wedel mit der Gemeinde Holm. Die Verhältnisse im Heim waren beengt und hygienisch mangelhaft. Noch 1931 musste das Wasser aus einem mit Keimen verunreinigten Brunnen entnommen werden. Unter den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern befanden sich auch Kinder, schwere Pflegefälle und Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, die nur von dem "Hausvater" und seiner Ehefrau betreut wurden.

Am 25. Februar 1936 brachte der "Hausvater" Betty Elkeles in die Landesheilanstalt Neustadt/Holstein. Sie berichtete bei der Aufnahme, sie habe die Hilfsschule besucht und schon als kleines Kind an Krampfanfällen gelitten. Nach einer guten Eingewöhnungsphase erlitt Betty Elkeles im März mehrere dieser Anfälle, die zu zeitweiser Desorientiertheit führten. Schon bei der Aufnahme in Neustadt hatte Betty Elkeles geäußert, dass sie dort nicht sein möge und nach Wedel zurück möchte. Einer Zwangssterilisation nach dem "Gesetz über die Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 entging Betty Elkeles nur, weil sie als "zu alt" beurteilt wurde. Das als "Sippentafel" bezeichneten Blatt, das den angeblichen erbbiologischen Hintergrund erfassen sollte, enthielt auch ein Feld für den Eintrag des "Vorwiegenden Rasseanteils". Für Betty Elkeles wurde "vorderasiatisch" eingetragen. In Betty Elkeles’ Beschreibung bei der Aufnahme in Neustadt "differenzierte" der Arzt diese Beurteilung, indem er schrieb: "Rassentyp: vorwiegend vorderasiatisch mit mediterranem Einschlag; nicht typisch jüdisches Aussehen."

Am 2. April 1936 holte der Wedeler "Hausvater" Betty Elkeles nach Wedel zurück, "ungeheilt", wie es hieß. Anscheinend blieb sie in den folgenden drei Jahren in der Wedeler Einrichtung. Nach einem Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes in Pinneberg vom 28. April 1939 bedurfte Betty Elkeles erneut der Aufnahme in die Landesheilanstalt Neustadt, in die sie am 4. Mai 1939 mit einem Krankentransportauto eingeliefert wurde.

Die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen bestimmte, dass Jüdinnen ab 1. Januar 1939 als weiteren Vornamen den Namen "Sara" anzunehmen hatten. Davon waren auch Bewohner von Anstalten betroffen. Betty Elkeles hieß nun "Betty Sara Elkeles". Ihre Kennkarte mit der Kennnummer A. 000 002, ausgestellt in Wedel/Holstein, ist noch erhalten.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Jüdinnen und Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Betty Elkeles traf am 13. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und tötete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

In diesem Todestransport befand sich auch Alice Elkeles, eine entfernte Verwandte von Betty Elkeles (siehe dort). Ob die beiden Frauen sich kannten und in den letzten Tagen in Langenhorn oder während des Transportes Kontakt miteinander hatten, wissen wir nicht.

Auf dem Geburtsregistereintrag von Betty Elkeles ist vermerkt, dass das Standesamt Cholm II ihren Tod unter der Nummer 269/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Cholm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Betty Elkeles’ Stiefmutter Hannchen Elkeles, geborene Nossen, ihr Halbbruder Alphons und dessen Ehefrau Ida Elkeles, geborene Kaschmann, wurden am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort fanden Hannchen Elkeles am 27. November 1942 und Ida Elkeles am 20. September 1944 den Tod. Alphons Elkeles wurde am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz weiter deportiert. Curt Elkeles überlebte die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schicksal dieser Menschen wird ausführlich in dem Band "Stolpersteine in Hamburg" und im Internet unter www.stolpersteine-hamburg.de dargestellt. Für sie liegen Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel, Flagentwiet 5.

Stand: Juli 2021
© Ingo Wille

Quellen: 1; 3; 4; 5; 7; 8; 9; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 2033 Geburtsregister Nr. 4531/1882 Mary Elkeles, 2099 Geburtsregister Nr. 627/1885 Betty Elkeles, 8064 Sterberegister Nr. 237/1927 Salomon Elkeles, 324 Sterberegister Nr. 2800/1887 Clara Elkeles, 2193 Geburtsregister 3182/1889 Curt Elkeles, 9129 Geburtsregister Nr. 2830/1896 Alphons Elkeles, 889 Sterberegister Nr. 605/1894 Mary Elkeles, 227 Sterberegister Nr. 2800/1887 Clara Elkeles; 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht A I e 40 Bd. 9 1876-1896 Nr. 22499; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; Landesarchiv Schleswig LAS Abt. 377 Nr. 8349 Patientenakte Landesheilanstalt Neustadt Betty Elkeles; Stadtarchiv Wedel, 854.2 Alters- und Pflegeheim Wedel, Insassen des Pflegeheimes, Pfleglinge des Landesfürsorgeverbandes 1936-1946; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig. Gillis-Carlebach, Miriam (Hrsg.), Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen, Hamburg 1996. Rannegger, Anke, Armen- und Altenversorgung in Wedel, Wedel 1989.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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