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Willy Heinecke * 1894

Friesenweg 4 (Altona, Othmarschen)


HIER WOHNTE
WILLY HEINECKE
JG. 1894
VERHAFTET 1937
ZUCHTHAUS FUHLSBÜTTEL
TOT AN HAFTFOLGEN
10.3.1939

Karl Willy Heinecke, geb. am 1.8.1894 in Halle/Saale, gestorben am 10.3.1939 in Hamburg

Friesenweg 4 (Friedensallee 331–333)

Willy Heinecke wurde 1894 in Halle an der Saale als Sohn des Max Heinecke und dessen Frau Hedwig, geb. Brandenberger, geboren. Er hatte mindestens eine Schwester namens Margarete. Die Familie verzog nach Hamburg.

Nach der Mittleren Reife begann er ab 1909 eine kaufmännische Lehre, wurde 1913 zum Wehrdienst eingezogen und diente im Ersten Weltkrieg bis 1918 als Unteroffizier an der Front und erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse. In Hamburg war er nach Kriegsende als Arbeiter, später als Abteilungsleiter und Betriebsassistent in der Kunstspeisefettfabrik "Bahrenfelder Margarinewerke A. L. Mohr" beschäftigt. Von 1921 bis 1926 gehörte er dem "Stahlhelm" an, einem antidemokratischen, paramilitärischen Verband ehemaliger Frontsoldaten, die die Monarchie der Kaiserzeit zurücksehnten. Wegen "widernatürlicher" Verfehlungen musste Willy Heinicke 1926 aus dem Verband ausscheiden: Er hatte seit 1923 mit dem damals 17-jährigen kaufmännischen Angestellten Herbert Hübner (geb. 1905) aus Altona ein homosexuelles Liebesverhältnis. Bis 1935 verbrachten sie gemeinsame Urlaube in Schleswig-Holstein, in Meldorf und im Ostseebad Kellenhusen. Als sein Freund sich 1935 mit einer Frau verlobte, endete die langjährige Beziehung Weihnachten 1935 im Streit. In dieser schweren Lebenskrise trug sich Willy Heinecke mit Suizidgedanken. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Homosexualität sympathisierte Willy Heinecke offensichtlich mit der NS-Bewegung, die bis zur Ermordung des gleichfalls homosexuellen SA-Führers Ernst Röhm im Juli 1934 noch nicht offensiv gegen mann-männliche Sexualität vorging und mit ihren männerbündischen Organisationsformen auf einige Homosexuelle einen Reiz ausübte. Willy Heinicke trat im September 1931 in die NSDAP und Ende November desselben Jahres in die Motor-SA ein. Durch sein "kraftvolles Auftreten" wurde ihm im März 1933 die Führung des "Motorsturms M/13" übertragen. Zudem war er "Sturmführer" des Nationalsozialistischen Kraftfahrzeugkorps NSKK. Doch ähnlich wie Ernst Röhm, schützten ihn diese Ämter und Mitgliedschaften nicht vor der NS-Verfolgungsmaschinerie gegenüber Homosexuellen.

Kurz vor Weihnachten 1936 geriet Willy Heinecke an seinem volkstümlich "Ramawerke" genannten Arbeitsplatz bei den Bahrenfelder Margarinewerken in den Verdacht, homosexuell veranlagt zu sein, weil er "ständig Umgang mit jungen Leuten habe" und "Verkehr mit Frauen meide". Direktor Hendrik Meurkens benachrichtigte daraufhin die Altonaer Kriminalpolizei, die zwar zunächst keine Beweise gegen Willy Heinecke vorlegen konnte, jedoch ab Januar 1937 umfangreiche Ermittlungen im privaten Umfeld des Verdächtigten aufnahm. Über das Privatleben seines Mitarbeiters und ihm verdächtig vorkommende Verhaltensweisen erteilte der Direktor der Kripo bereitwillig Auskunft. Mehrere Vorgesetzte und Kollegen betonten in den Verhören gegenüber den ermittelnden Beamten zwar, keine "direkten Beweise" für die Homosexualität Willy Heineckes und seines früheren Partners und Arbeitskollegen Herbert Hübner zu besitzen, hielten es aber für ihre "Pflicht", entsprechende "Mitteilungen" zu machen.

Während eines ersten Verhörs am 20. Februar 1937 bestritt Willy Heinecke noch, bi- oder homosexuell veranlagt zu sein, bei seiner zweiten Vorladung am 25. Februar durch die Altonaer Kriminalbeamten gestand er dann die langjährige homosexuelle Verbindung zu Herbert Hübner. Als nach weiteren Verhören in seinem Freundeskreis der 19-jährige Wilhelm Bade (geb. 1917) ein sexuelles Erlebnis mit ihm aus jüngerer Zeit einräumte, wurde Willy Heinecke am 1. März 1937 wegen des Verdachts "widernatürlicher Unzucht" verhaftet und im Gerichtsgefängnis Altona inhaftiert. In dem am 4. Mai 1937 vom Landgericht Altona gefällten Urteil nach §§ 175 alter und neuer Fassung und 175 a Ziffer 2 wurde Willy Heinecke als treibende Kraft gegenüber seinen jüngeren Partnern angesehen und erhielt, obwohl bisher unbestraft, eine Zuchthausstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Erschwerend kam für Willy Heinecke hinzu, dass Wilhelm Bade als NSKK-Mitglied in einem Untergebenenverhältnis zu ihm stand und die "Partei im Besonderen auf Reinheit in ihren Reihen zu achten" habe. Nach dem Urteil wurde er Ende Mai 1937 ins Zuchthaus Fuhlsbüttel überstellt. Während seiner Haft riss der Kontakt zu seiner Familie nicht ab, der die Haftbedingungen für den Sohn und Bruder nicht verborgen blieb. Bereits im September 1937 stellte seine Schwester Margarete Petersen, geb. Heinecke, ein umfangreiches Gnadengesuch an den "Führer", dem sie zahlreiche Leumundszeugnisse beifügte. Aus diesen ging hervor, dass Willy Heinecke nach Beginn seines Strafverfahrens Ende April aus der Margarinefabrik "ausgeschieden" war, er aber noch ein gutes Zeugnis erhalten hatte, das Formulierungen wie "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" und "dienstliche Führung einwandfrei" enthielt. Gleichwohl wurde das Gnadengesuch abgelehnt und Heinecke verbüßte bis zum 7. September 1938 die vollständige Zuchthausstrafe. Während der Haft scheint er sich eine schwere Lungenerkrankung zugezogen zu haben, von deren Folgen er sich auch nach seiner Entlassung nicht wieder erholte. Am 10. März 1939 starb der erst 44-Jährige nach einer Lungenentzündung an einem Lungenabszess im Hamburger Marienkrankenhaus.

Auch wenn als seine letzte Wohnadresse die Straße Am Pachthof 12 in Horn, wohin die Mutter nach dem Tod des Vaters gezogen war, und vor seiner Inhaftierung für kurze Zeit die Rückertstraße 12 in Altona angegeben wurde, ist der Stolperstein für Willy Heinecke vor dem elterlichen Wohnhaus in der früheren Friedensallee 331, heute Friesenweg 4, verlegt worden, da er dort von 1918 bis 1936 mit seinen Eltern gelebt hatte.

Stand September 2015

© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann

Quellen: AB Altona 1936; StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 8938/38; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13; StaH 332-5 Standesämter, 7223 (Eintrag Nr. 396); Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg, S. 217.

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