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Bereits verlegte Stolpersteine


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Gertrud Frank * 1902

Markusstraße (Durchgang zur Neanderstraße, vor Sportplatz; früher Peterstraße 10) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
GERTRUD FRANK
JG. 1902
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Markusstraße (Durchgang zur Neanderstraße, vor Sportplatz; früher Peterstraße 10):
David Elias

Gertrud Frank, geb. am 13.10.1902 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Helene Frank, geb. am 12.7.1907 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Julie Frank, geb. Weinberg, geb. am 28.1.1874 in Freren, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Markusstraße/Ecke Peterstraße 15 (Peterstraße 63)

In der Markusstraße/Ecke Peterstraße 15 liegen acht Stolpersteine, drei davon mit dem Familiennamen Frank. Julie Frank und ihre Töchter Gertrud und Helene Frank wohnten in der Peterstraße 63, im Durchgang zur Straße Hütten. Dieser Teilabschnitt der ehemaligen Peterstraße wurde während der schweren Luftangriffe auf Hamburg ("Operation Gomorrha") zerstört und nicht wieder mit Wohnungen bebaut.

Julie Frank war als Tochter des Schlachters Meyer Weinberg und seiner Ehefrau Bertha, geb. de Vries, in einem jüdischen Elternhaus in Freren, Kreis Lingen a. d. Ems, zur Welt gekommen. Vielleicht besuchte sie dort die 1878 von der Jüdischen Gemeinde erbaute Schule am Gertrudenweg. Ansonsten gingen auch die jüdischen Kinder in Freren in die evangelische Bürgerschule in Lingen. Ihre jüngere Schwester Lina, geboren am 1. März 1878, eines der sechs Geschwister, besuchte die Dorfschule in Leer. Sie war möglicherweise das erste Familienmitglied, das nach Hamburg kam. 1893 ging sie hier als Köchin in Stellung. Lina Weinberg heiratete am 7. August 1906 den nichtjüdischen Schneidergesellen Heinrich Weller (geb. 7.5.1880, gest. 25.2.1938). Das Ehepaar lebte in der Bornstraße 6.

Bis zu ihrer Heirat am 9. September 1895 arbeitete Julie Frank in Hamburg als Dienstmädchen. Ihr Ehemann, Isidor Frank, Sally genannt, war am 9. Oktober 1869 als Sohn des Schlachters Kalmann Frank und Karoline, geb. Kahn, im hessischen Homberg geboren worden.

Das Ehepaar Julie und Isidor Frank wohnte dann viele Jahrzehnte in der Peterstraße 63 und bekam zwischen 1895 und 1909 sechs Kinder. Obwohl Sally Frank Schlachtergeselle war, arbeitete er als Bote im Warenhaus der Rudolf Karstadt AG und später als "Kontorist" (kaufmännischer Angestellter).

Ihre drei Söhne, Kalmann Max, geboren am 6. November 1895, Arthur Joseph, geboren am 28. Dezember 1897, und Herbert, geboren am 21. Januar 1899 besuchten die Talmud Tora Realschule am Grindelhof; die Mädchen Gertrud, geboren am 13. Oktober 1902, Helene, geboren am 12. Juli 1907 und die jüngste Tochter Edith, geboren am 30. Dezember 1909 die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße. Von Helene und Gertrud ist bekannt, dass sie anschließend die Handelsschule Caroli absolvierten. Die Brüder wurden im Ersten Weltkrieg eingezogen. Der ältere Max kehrte aus dem Heeresdienst nicht zurück, er wurde mit 21 Jahren am 27. September 1916 bei Korytnika in Polen getötet.

Am 12. November 1932 wurde Julie Frank Witwe, ihr Ehemann Sally starb 63-jährig an Drüsenkrebs.

Noch bis zum Juli 1939 lebte sie mit ihren unverheirateten Töchtern in der Peterstraße 63. Der Umzug in eine Zwei-Zimmerwohnung der zweiten Etage des Hauses Durchschnitt 8 im Grindelviertel erfolgte, nachdem ihre Töchter Helene im März und im selben Jahr auch noch Gertrud ihre Arbeit verloren hatten. Helene leitete mehrere Jahre eine der 41 Filialen der chemischen Reinigung und Färberei von Karstadt & Porges. Gertrud verlor ihre Stellung als Kontoristin in der Firma Seligmann & Franck "Weißwaren engros" in der Deichstraße 9.

Vielleicht konnte Julie Frank die Miete in der Peterstraße allein nicht mehr aufbringen, sie erhielt eine monatliche Rente von 49,20 Reichsmark. Vielleicht wurde ihnen aber auch Ende April, nach dem der Mieterschutz für Juden aufgehoben worden war, die Wohnung gekündigt. Aus dem Haus Durchschnitt 8 wurde dann eines der sogenannten Judenhäuser, die Sammelstelle zur Vorbereitung der folgenden Deportationen.

Helene führte nun den gemeinsamen Haushalt, Gertrud fand eine Beschäftigung als Haushilfe. Ihr Bruder Herbert zog vorübergehend wieder zu ihnen. Er arbeitete nur noch aushilfsweise als Bote bei dem Papierhändler Gustav Marcus (s. dort) in der Peterstraße 72. Zuvor hatte er in der Nähe seines Arbeitsplatzes in der Peterstraße 33b in der Pension von Louise Simon (s. dort) gewohnt. Nach einer kaufmännischen Lehre in einem Großhandel war er zunächst als Buchhalter und Expedient tätig gewesen. 1918 trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschland (SPD) ein. Ob er nach 1933 noch politisch aktiv war, ist nicht überliefert. Herbert Frank heiratete am 2. August 1940 Frieda Laura Schmits, geboren am 27. Dezember 1911 in Rotterdam. Kurz nach der Eheschließung zog das Paar in die Agathenstraße 3 ins Nanny-Jonas-Stift nach Eimsbüttel, ebenfalls ein "Judenhaus". Das kinderlose Ehepaar musste "Pflichtarbeit" leisten, Frieda in einer Fabrik, Herbert zwei Jahre als Erdarbeiter. Am 8. November 1941 wurden sie gemeinsam ins Getto Minsk deportiert. Stolpersteine in der Agathenstraße 3 erinnern an sie (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West).

Julie Frank, schwer zuckerkrank, und ihre Töchter Helene und Gertrud wurden nur zehn Tage später auf die Liste des zweiten Transportes mit demselben Ziel gesetzt. Auch ihr Schicksal in Minsk ist unbekannt. Kein Familienmitglied überlebte die Deportation.

Die jüngste Tochter Edith, verheiratete Kay, konnte nach England emigrieren, sie lebte später in Sydney, Australien.

Ihr Bruder Arthur hatte schon 1926 aus beruflichen Gründen Hamburg verlassen und lebte mit seiner Ehefrau, der Harburgerin Ilse Johanna, geb. Spangenberg, geboren am 25. März 1898, in Barchfeld Werra. Dort war er als Werksleiter und Reisedirektor bei dem Fahrradteilhersteller Pallas Werke Reum & Boenner-Sachs zwölf Jahre lang tätig, bevor er als "Nichtarier" entlassen wurde. (Dazu schrieb Arthur Frank am 25. März 1947 an seinen ehemaligen Arbeitgeber: "[…] Gerne denke ich an die Jahre, als wir noch zusammen arbeiten konnten & ich werde es nie vergessen, dass Sie sich persönlich gegen meine von den Nazis geforderte Entlassung wehrten, bis im Jahre 1937 der Druck so stark wurde, dass meine Entlassung nicht mehr aufzuhalten war.")

Nach erzwungener Wohnungsaufgabe Ende September 1937 kehrte das Ehepaar Frank nach Hamburg zurück und fanden eine Unterkunft in der Bremerreihe 20 im Stadtteil St. Georg. Unter dem Druck der Verfolgung, wie Arthur Frank es später beschrieb, emigrierten sie im Oktober 1938 nach Bombay, Indien. Dort wurden sie bei Kriegsausbruch mit Unterbrechung bis August 1942 interniert. Sie kehrten 1964 nach Hamburg zurück und lebten in Hamburg-Flottbek.

Julie Franks Schwester Lina Weller wurde am 6. Dezember 1941 aus dem "Judenhaus" Kleiner Schäferkamp 32 nach Riga deportiert. Eine weitere Schwester, Eva Glücks, geb. Weinberg (geb. 29.3.1884, gest. 2.3.1959), lebte verheiratet in Mühlheim an der Ruhr. Ein Bruder hieß Josef Weinberg, über ihn ist nichts weiter bekannt.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 9; StaH 351-11 AfW 2514 (Frank, Julie); StaH 351-11 AfW 32075 (Frank, Helene); StaH 351-11 AfW 22445 (Frank, Herbert); StaH 351-11 AfW 26096 (Frank, Gertrud); StaH 351-11 AfW 18096 (Frank, Arthur Joseph); StaH 332-5 Standesämter 2849 u 898/1895; StaH 332-5 Standesämter 2427 u 52/1897; StaH 332-5 Standesämter 13169 u 342/1899; StaH 332-5 Standesämter 3066 u 549/1906; StaH 332-5 Standesämter 767 u 407/1917; StaH 332-5 Standesämter 993 u 433/1932; StaH 332-5 Standesämter 8152 u 104/1938; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1172 (Frank, Herbert); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1985 (Weller, Lina); StaH 552-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; StaH 552-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; http://www.steinheim-institut.de/daten/mlh_all.html (Zugriff 8.3.2015); SPD Landesorganisation Hamburg (Hrsg.): Freiheit, S. 225; Schreiben von Arthur Frank an Rudolf Börner-Sachs, LATh-StA MGN, Bezirkstag/Rat des Bezirkes Suhl, H 123.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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