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Alphons Friedberg * 1885

Vereinsstraße 61 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
ALPHONS FRIEDBERG
JG. 1885
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1.6.1943

Alphons Friedberg, geb. 25.11.1885 Altona, am 19.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, dort verstorben am 1.6.1943

Vereinsstraße 61 (Eimsbüttel)

Alphons Friedberg war das älteste Kind der jüdischen Eheleute Adele Friedberg, geb. Goldschmidt (1862 in Wandsbek) und Samuel Friedberg (1853 in Hamburg). Sein Vater arbeitete als Kontorist und Agent, später als kaufmännischer Angestellter. Über eine Berufstätigkeit seiner Mutter ist nichts bekannt.

Alphons hatte noch vier Geschwister: die zwei Jahre jüngere Schwester Ella (1887) und die Brüder Hugo (1889) und Herbert (1891) und die Nachzüglerin Bernhardine/Dina (1902).
Das Familienleben war von zahlreichen Wohnungswechseln geprägt, was neben der wachsenden Kinderschar auch auf prekäre Einkommensverhältnisse schließen lässt: Lebten sie zunächst noch in Altona, in der Adolphstraße 42 bzw. 154, so zogen sie 1896 ins Hamburger Schanzenviertel, 1910 lautete die Adresse Schlachterstraße 47 (heute nahe Neanderstraße westlich vom Großneumarkt). Fünf Jahre später wohnten sie im heutigen Weidenstieg-Viertel in der Lindenallee 18 und danach dort in der Margarethenstraße 35.
Seit dem Jahr 1900 war die Familie auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Jüdische Stiftungen halfen mit Einmalzahlungen zum Überleben in großer Armut. 1914 bestand sogar die Gefahr, wegen Mietschulden aus der Wohnung gewiesen zu werden.

Alphons‘ Vater starb am 21.3.1922, kurz nachdem ihm die Altersrente bewilligt worden war. Alphons‘ nun verwitwete Mutter lebte weiter in der Margarethenstraße 35 in einer 4-Zimmerwohnung. Ihre verheiratete Tochter Ella Rühmke und ihr Schwiegersohn bewohnten davon zwei Zimmer und zahlten ihr Miete. Ihren Lebensunterhalt bestritt Adele Friedberg durch eine Invalidenrente, zudem wurde sie von der Jüdischen Gemeinde unterstützt.

Alphons Friedberg, über dessen Kindheit und Jugend ansonsten nichts bekannt ist, war seit 1907 mit der christlichen Wilhelmine Elsa, geb. Schwetscher (1886), verheiratet. Sie hatten zwei Kinder: Irma (1907) und Helmuth (1921). Laut einem Auszug aus der Zentralgewerbekartei war Alphons Friedberg seit dem 4.7.1917 gemeldet als Kaufmann, kaufmännischer Agent und Warenmakler (Zigarren, Zigaretten, Tabake und Postkarten) in Hamburg, Telemannstraße 7.

1933 starb seine Frau an Krebs. Inzwischen lebte die Familie in der Vereinsstraße 61. (Dort erinnert auch der Stolperstein an Alphons Friedberg. Näheres über seine Geschwister findet sich in der Biografie über Adele Friedberg, siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Aus dem Adressbuch geht hervor, dass Alphons Friedberg Artikel für Raucher vertrieb, also der Tabakbranche verbunden geblieben war. Doch – so das Wiedergutmachungsamt später - handelte es sich nicht um ein größeres Geschäft, die Jahreseinnahmen vor 1930 seien nicht sonderlich hoch gewesen, was sich bis 1933 in der Weltwirtschaftskrise und auch später nicht verbessert haben dürfte. Alphons Friedberg hatte zuletzt 1933/34 sein Einkommen versteuert. Danach musste er auch an die Jüdische Gemeinde keine Beiträge mehr zahlen, weil er kein nennenswertes Einkommen mehr erzielte.

1937 und 1938 wohnte Alphons Friedberg in der Kirchenallee 48 nahe dem Hauptbahnhof.
Während des Novemberpogroms wurde er festgenommen und vom 9. November bis Dezember 1938 im KZ Oranienburg inhaftiert.
1939 betrieb er eine Tabakvertretung in der Grindelallee 168. Offensichtlich in Unkenntnis, dass Juden inzwischen weder Handels- noch Gewerbebetriebe besitzen oder führen durften, beantragte er eine Genehmigung zur Einrichtung eines Großhandelsunternehmens. Der Antrag wurde am 1.3.1939 durch den Reichsstatthalter in Hamburg zurückgewiesen. Auch erhielt er keinen Wandergewerbeschein mehr, so dass er nicht mehr als Vertreter arbeiten konnte. Da er lt. Jüdischer Gemeinde vermögenslos war, erließ der Oberfinanzpräsident keine "Sicherungsmaßnahmen" gegen ihn.

Die Grindelallee blieb nicht die letzte Adresse für Alphons Friedberg. Er wechselte laut Kultussteuerkartei noch fünfmal die Wohnungen in den Stadtteilen Eimsbüttel, Grindel, Eppendorf und Rotherbaum, wo er stets als Untermieter einzog. Seine letzte Adresse ist in den Akten und in der Deportationsliste mit Beneckestraße 22 vermerkt. Dort lebte er 1940 bis 1941. Die Kultussteuerkarte vermerkt danach noch zwei Adressen, darunter (ohne Datum und nicht gestrichen) Lenhartzstraße 17 b. Josephi.

Ab 19.9.1941war Alphons Friedberg wie alle Jüdinnen und Juden gezwungen, den sogen. Judenstern zu tragen. Ein knappes Jahr später, am 19.7.1942, musste er sich an der Sammelstelle zur Deportation aus Hamburg einfinden. Da seine nichtjüdische Ehefrau 1933 verstorben war, galt kein Schutz durch die Mischehe mehr.
Er war dort nicht allein, seine Mutter Adele Friedberg, seine Schwester Bernhardine Levy und sein Schwager John Levy hatten ebenfalls den Befehl erhalten. Adele Friedberg war unter der Nummer 175 in der Deportationsliste aufgeführt, Alphons unter der Nummer 759, Bernhardine erhielt die Nummer 397. Sie erreichten das Getto Theresienstadt am 20.7.1942 mit dem Transport VI/2. Anfang 1943 erhielt Helmuth Friedberg die letzte und einzige postalische Nachricht von seinem Vater aus dem Getto Theresienstadt.

In einem Schreiben, das die Leiterin des Suchdienstes Theresienstadt – dieser unterstand der tschechoslowakischen Militärmission mit Sitz in Berlin-Dahlem - 1955 an Alphons Schwester Ella Rühmke richtete, ging hervor, dass Adele Friedberg am 10.4.1943 in Theresienstadt verstorben sei. (Ein Stolperstein in der Rappstraße 15 erinnert an sie.).

Auch Alphons Friedberg starb in Theresienstadt am 1.6.1943. "Verbrannt wurde Herr Friedberg am 3.6.1943. Der Totenbeschauschein blieb nicht erhalten."

Über Bernhardine Levy erfahren wir aus dem Schreiben des Suchdienstes: "am 28.10.1944 mit dem Transport Ev 286 nach dem Osten verschleppt, dort ist diese wahrscheinlich umgekommen, denn der meiste Teil dieser Personen blieben nicht am Leben."
Bernhardine und John Levy wurden in Auschwitz ermordet, wie das Gedenkbuch des Bundesarchivs heute bestätigt. (Zwei Stolpersteine in der Bundesstraße 40 erinnern an sie.)

1949 bzw. 1950 stellten Alphons Friedbergs Kinder, Irma Hermann, geb. Friedberg, und Helmuth Friedberg, als Hinterbliebene Anträge auf Gewährung von Haftentschädigung für die KZ-Haft ihres Vaters. Die Finanzbehörde bewilligte die Anträge für eine Haftzeit von 11 Monaten, also die Zeit in Theresienstadt bis zum Tod Alphons Friedbergs. Frühere Einschränkungen der persönlichen Freiheit wie das Sterntragen, erkannte die Behörde zu diesem Zeitpunkt noch nicht an. Die Sterbeurkunde für Alphons Friedberg wurde vom Sonderstandesamt Arolsen mit Datum 9.12.1953 ausgestellt.

Helmuth Friedberg, bei Kriegsende knapp 24 Jahre alt, hatte seine Mutter mit 12 Jahren verloren und mit 17 Jahren erlebt, dass sein Vater infolge des Novemberpogroms 1938 sechs Wochen im KZ Sachsenhausen einsaß und danach mittellos war. Helmuth beendete Ende März 1939 seine Lehre beim Kaufhaus L. Wagner in Hamburg, das "arisiert" wurde. Er beantragte am 1.4.1939 einen Gewerbeschein und machte sich als Handelsvertreter selbständig, u.a. trat er in die Firma seines Vaters ein und verdiente den Lebensunterhalt für beide. Sie wohnten zusammen in der Grindelallee 168 und danach in der Beneckestraße 22.

Kurzfristig konnte Helmuth Friedberg für eine Firma in der Nähe von Koblenz Pfeifen vertreiben (vermutlich für Tabak). Dort verdiente er eigenen Angaben zufolge durchschnittlich 450 RM pro Monat. Doch das Arbeitsamt verbot ihm die Vertretertätigkeit. Anfang 1940 arbeitete er in Hamburg als Bote bei den Firmen Fritz Dissmann und Gebr. Bordier. Im August 1941 wurde er vom Arbeitsamt - wegen seiner "Rassenzugehörigkeit" wie Helmuth später angab - zur chemischen Fabrik Hell & Sthamer in Hamburg-Billbrook als Arbeiter dienstverpflichtet, ursprünglich für ein Jahr, danach verlängert bis 26.10.1944. Dort erhielt er als Stundenlohn 0,75 RM bzw. ca. 36 RM wöchentlich.

Auf Veranlassung der Gestapo wurde er – wie der größte Teil der erwachsenen "Mischlinge" - aus den bisherigen Arbeitsverhältnissen herausgenommen und bis Kriegsende zur Zwangsarbeit bei der Bauverwaltung Hamburg, Aufräumungsamt, dienstverpflichtet. Dort musste er für die Tiefbau-Firma Heinrich Pape schwere körperliche Zwangsarbeit in den Trümmern bombenzerstörter Häuser verrichten, u.a. war er im Gleisbau beschäftigt, musste Bombentrichter zuschütten und Leichen bergen. Eine Bescheinigung über die Tätigkeit war bereits am 18.7.1945 ausgestellt worden.

Die Entlohnung für die Zwangsarbeit entsprach dem Hilfsarbeiterlohn und war so gering, dass sich Helmuth gezwungen sah, seine goldene Uhr und einige Tonträger zu verkaufen. Sein Radio hatte er bereits abgeben müssen, als er noch bei seinem jüdischen Vater in der Beneckestraße 22 wohnte. Das Geld benötigte er zum Lebensunterhalt und zur Anschaffung von Kleidung und Schuhen. Bei der Arbeit – so Helmuth Friedberg in seinem Wiedergutmachungsantrag – habe er sich mehrmals eine Arsenvergiftung und eine Magenerkrankung zugezogen. Zudem muss seine soziale Isolation bedrückend gewesen sein, denn nach eigenen Angaben konnte er nur noch zu seiner Schwester und deren Ehemann Kontakt pflegen.

Die Zwangsarbeiterkolonnen sollten eigentlich an der Horner Rennbahn und am Dessauer Ufer "kaserniert" werden, aber da beide Unterkünfte nicht zur Verfügung standen, blieb dies aus. Doch bei der Arbeit wurden sie bewacht und oft auch von den Aufsehern bedroht: "Ihr Judenschweine werdet bald umgelegt."

Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 arbeitete Helmuth Friedberg "beim Engländer" als Kontrolleur im Verpflegungsamt Hamburg-Wandsbek. Dort blieb er bis zu seiner Einstellung zur Schutzpolizei Hamburg, die nach einem absolvierten Anwärterlehrgang noch 1945 erfolgte. Er kämpfte noch viele Jahre, um die Auswirkungen der NS-Verfolgung auf seine Dienstjahre und Rentenansprüche auszugleichen, was aber nur teilweise gelang.

Stand: Dezember 2023
© Astrid Louven

Quellen: StaHH 522-1 Jüdische Gemeinden 992b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg; StaHH 213-13 25257 Landgericht Hamburg Rückerstattung; StaHH 351-11_756 Amt für Wiedergutmachung; StaHH 351-11_8536 Amt für Wiedergutmachung; StaHH 351-11_44744 Amt für Wiedergutmachung; StaHH 314-15_R1939/2042 Oberfinanzpräsident; StaHH 131-11_1282 Personalamt Wiedergutmachung; Adressbuch Wandsbek 1862, 1865; Adressbuch Altona 1886 und 1891 u. 1895, 1905 Adressbuch Hamburg 1885, 1895, 1896, 1900, 1905, 1910, 1915, 1920, 1925, 1930-1933, 1935-1940;
Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung (1933-1945), Hamburg 1999.

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