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Ehepaar Golda und Horst Fröhlich
Ehepaar Golda und Horst Fröhlich
© Privat

Horst Fröhlich * 1891

Fruchtallee 115 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
HORST FRÖHLICH
JG. 1891
IM WIDERSTAND / KPD
VERHAFTET 1935
ZUCHTHAUS FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 4.1.1943

Weitere Stolpersteine in Fruchtallee 115:
Oskar Helle, Alice Reinmann, Julius Reinmann

Horst Fröhlich, geb. 19.7.1891, verhaftet, im Widerstand, deportiert am 1942, Auschwitz, dort ermordet 4.1.1943

Fruchtallee 115 (früher Fruchtallee 77)

Horst Fröhlichs Devise lautete, er bleibe "auf Lebenszeit Kommunist und handle nach den Regeln der kommunistischen Partei. Er könne als Jude das neue Deutschland nicht unterstützen."

Horst Fröhlich wurde am 19.7.1891 als Kind der jüdischen Eheleute Siegfried Fröhlich und seiner Frau Rosalie, geborene Cracauer in Ratibor geboren. Sein Vater arbeitete als Handelsvertreter und betrieb in Ratibor später eine Zigarrenfabrik. Horsts Schwester Ilse wurde am 14.5.1898 in Ratibor geboren.

Horst besuchte in Ratibor das Gymnasium, legte 1910 das Abitur ab und studierte in München, Freiburg und Berlin Medizin. Er wurde 1914 zum Heeresdienst eingezogen und konnte sein Medizinstudium nutzen, um im Ersten Weltkrieg den Sanitätsdienst zu leisten. Er stieg zum Feldhilfsarzt auf und wurde dafür mit dem Ehrenkreuz 2 ausgezeichnet. Die Gräuel des Krieges bewogen ihn dann, sich politisch zu engagieren.

Ab 1918 beschäftigte er sich mit politischen Fragen, als er sich wegen einer Ruhrerkrankung zwangsweise zurückziehen musste. Die Schriften des Spartakusbundes bewogen ihn, dort 1919 beizutreten. Er veröffentlichte seine erste kommunistische Zeitung und überwarf sich mit seinen Eltern, weil die seine Ansichten anfangs nicht teilten.
1920 siedelte er nach Frankfurt am Main über und eröffnete eine Buchhandlung, die er bis 1922 betrieb. Das Geld für die Geschäftsgründung erhielt er von Goldine Hartog, die er in Frankfurt am Main kennengelernt hatte. Beide heirateten dort am 10.11.1920. Goldine war am 7.6.1889 als Tochter der Eheleute Albert Hartog und Johanna Holländer in Haaren Landkreis Aachen geboren worden.

Goldine oder auch Golda, wie sie häufig genannt wurde, erkrankte 1922 an Lungen TBC und Horst ermöglichte ihr einen Kuraufenthalt. Auch sie zählte zu den Mitgliedern des Spartakusbundes, der KPD, hatte dem Arbeiter- und Soldatenrat in Chemnitz angehört, und war Korrespondentin der Derutra, um nur einige ihrer Tätigkeitsfelder zu nennen.
Horst arbeitete als Journalist, vor allem schrieb er für die Medien der kommunistischen Partei. Daneben verfasste er mehrere Monographien zu kulturpolitischen und kulturhistorischen Fragen, Fragen der Religion und der Gesellschaftsentwicklung in der Frühgeschichte. Er war zudem als Funktionär der KPD in kulturpolitischen Einrichtungen und Organisationen der KPD tätig.

Wie seine Frau Golda bewarb Horst sich um eine Mitarbeit am Moskauer Marx-Engels-Lenin-Institut. 1931 erhielten beide eine Anstellung in Moskau und zogen 1932 von Berlin aus in das Marx-Engels-Lenin-Institut nach Moskau in die Sowjetunion.

Golda wechselte noch mehrmals ihr Tätigkeitsfeld. Sie wurde nach Kriegsbeginn von Russland nach Taschkent evakuiert. Im Dezember 1941 traf eine ehemalige Institutskollegin sie in Taschkent wieder. Sie fühlte sich für Golda verantwortlich und setzte sie in einen Zug nach Osch (Kirgisistan), damit sie dort in einem Emigrantenheim unterkommen konnte. Die Institutskollegin war die letzte Person die Golda lebend gesehen hatte. Danach verlor sich deren Spur. Und sie wurde nach Kriegsende für tot erklärt.

Die politische Wendung in Deutschland bereitete Horst Fröhlich zunehmend große Sorgen und so wurde er entsprechend eigenem Wunsch und Beschluss der KPD 1934 zu illegaler Arbeit nach Deutschland zurück geschickt. Er reiste im Oktober illegal über die tschechoslowakische Grenze nach Deutschland ein. Seine Hauptaufgabe war die Leitung der illegalen Arbeit im Gebiet "Wasserkante" der KPD mit Sitz in Hamburg. Seine Genossen ermöglichten ihm dies, indem sie ihm ihre Wohnungen zur Verfügung stellten. Er lebte unter verschiedenen Decknamen, zum Beispiel "Der Alte", "Dr. Berger" oder meist "Redakteur". Unter seiner Leitung wurden die illegalen Zeitschriften "Rundschau" und "Hamburger Volkszeitung" gedruckt, für die er auch wesentliche inhaltliche Beiträge lieferte.

Verrat führte dann zu einer größeren Verhaftungswelle der Gestapo in Hamburg, in deren Verlauf auch Horst am 7.3.1935 festgenommen wurde. Die Festnahme erfolgte in der Fruchtallee 77, in der Wohnung des Portiers Wilhelm Ackermann. Die Gestapo hatte dieses illegale Quartier entdeckt, Ackermann am Vortag festgenommen und die Wohnung besetzt, bis Horst dann in die Falle lief. Er wurde angeklagt, "das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet zu haben" durch seine Tätigkeit im Ausland und seine illegalen Zeitschriften "Leninist" und "Pressedienst" in der Hamburger Zeit im Untergrund.

Es folgten Untersuchungshaft, Anklage und Prozess vor dem Volksgerichtshof. Am 8.12.1936 wurde das Urteil gesprochen: 15 Jahre Zuchthaus. Als sein Urteil verkündet wurde, äußerte er die anfangs zitierten Worte. Horst blieb während der Haft standhaft und vertrat seine politischen Überzeugungen offensiv. Dazu ein Gestapo-Dokument: "Beide Berichte [Artikel in den o.a. illegalen Schriften, B.L.] sind offensichtlich von dem Redakteur, dem Juden Horst Fröhlich, in Haft, (gefertigt), der aber unter keinen Umständen zum Reden zu bringen ist."

Horst Fröhlich wurde ins Konzentrationslager Oslebshausen bei Bremen eingeliefert und musste Tüten kleben. Der sprachbegabte und belesene Mann litt unter dieser eintönigen Arbeit. Es folgten Jahre der Zuchthaushaft in Fuhlsbüttel. Selten waren persönliche Kontakte nach draußen erlaubt, nur zu den in Frankfurt wohnenden Eltern und brieflich zu seiner in Moskau lebenden Frau Golda.

An seine Eltern schrieb Horst Fröhlich: "Bis an mein Lebensende wird mich die Erinnerung an die wenigen Minuten unseres letzten Beisammenseins begleiten. Und wenn ich als Gefangener keine Zeile schreiben kann, kein Wort sprechen kann, ohne daß fremde Augen sie lesen und fremde Ohren es hören, so fühlte ich doch in diesen wenigen Minuten, wie eine heiße Welle, die ganze tiefe und warme Liebe des Elternhauses, die mich umgab und behütete von Kindheit bis jetzt, in fernen Landen und hier in dem steinernen vergitterten Sarg. Und wenn ich Euch viel Kummer und Sorge bereit habe, es geschieht nicht umsonst, es geschieht für ein Ziel, für das es sich lohnt, das letzte einzusetzen, für das Schaffen, einer neuen Menschheit, in der sich alle menschlichen Energien frei und solidarisch ohne Krieg und Gewalt, entfalten werden."
Dann hieß es wieder Tüten kleben. Ein Aufseher schreibt in seiner Beurteilung: "Fröhlich ist diszipliniert und fleißig und klebt eine saubere Tüte".

In der Haft fing Horst Fröhlich an, sich mit mathematischen Problemen zu beschäftigen. Er setzte sich das Ziel, den großen Fermatschen Satz zu beweisen, eine Hypothese, die der 350 Jahre zuvor lebende Mathematiker Fermat aufgestellt hatte (die erst 1994 bewiesen werden konnte).

Seine Post wurde geöffnet, gelesen und zensiert und oft genug willkürlich einbehalten. Aus den Briefen die er an seine Familie schickte, ging hervor das er sich Sorgen um seine Eltern und deren Schicksal machte. Tatsächlich wurden sie am 1.9.1942 ab Frankfurt nach Theresienstadt deportiert und dort 1942 bzw. 1943 ermordet.

1942 traf dieses Schicksal auch Horst Fröhlich, denn in diesem Jahr erfolgte die Deportation aller jüdischen Gefangenen aus Gefängnissen und Zuchthäusern in die Vernichtungslager. Er wurde am 10.12.1942 nach Auschwitz deportiert. Es klingt wie Hohn, wenn in der Gefängnisakte vermerkt wurde: "Mit der erfolgten Auslieferung an die Polizei gilt die Strafe als unterbrochen." Von Auschwitz wurde er weiterdeportiert nach Golleschau.

In Golleschau, einer ehemaligen Zementfabrik, die die "SS" übernommen hatte, schufteten die Häftlinge entweder in Steinbrüchen oder beim Strecken- und Gleisbau. Es ist fraglich, ob Horst noch bei diesen Arbeiten eingesetzt werden konnte, denn er starb am 4.1.1943 in Auschwitz in der Gaskammer. Seine sterblichen Überreste wurden in einem der vier Krematorien von Auschwitz verbrannt.

Horst Fröhlichs Schwester Ilse überlebte. Sie hatte in Berlin Arthur Seehof geheiratet und war mit ihm nach Frankreich umgesiedelt, 1938 wechselten sie nach Mallorca, wegen des Spanischen Bürgerkrieges dann in die Schweiz, 1951 nach Israel. 1955 kehrte sie nach Frankfurt zurück, wo sie mit 86 Jahren verstarb.

Stand: Juni 2018
© Bruno Stadler/Bärbel Klein

Quellen: StaH; 241-1 I_2139, 351-11_20921, 242-1 II_3874; Rußland; RGASPI; BdaB; R3017/32123, DY30/IV2/11/4971, NY4132, NY4130/60, NY4250/6, R3018/8994; BdaB; R58/2027, R/2190, R58/3230, R58/3232, R3017/28040, RY1/12/3-R1/12/3/13-20; Heirat 1854 Frankfurt am Main; Sterbeurkunde Auschwitz 269/1943.

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