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Anna Brandt (geborene Lindemann) * 1898

Hohensteiner Straße 3 (Hamburg-Nord, Dulsberg)


HIER WOHNTE
ANNA BRANDT
GEB. LINDEMANN
JG. 1898
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 9.12.1943

Anna Marie Dora Minna Brandt, geb. Lindemann, geb. 11.11.1898 in Hamburg, umgekommen am 9.12.1943 im KZ Auschwitz

Hohensteiner Straße 3

Anna Brandt wurde als Tochter des Ehepaars Wilhelm und Maria Lindemann in Hamburg geboren; sie hatte einen Bruder namens Wilhelm. 1921 heiratete sie den Kellner Otto Ernst Brandt, mit dem sie die Töchter Hedwig, Annemarie und Hildegard hatte. Die Familie wohnte im Stadtteil Dulsberg in der Hohensteiner Straße 3. In einer Strafakte von 1932 ist als Annas Beruf "kaufmännische Angestellte" angegeben, spätere Akten weisen sie als "berufslos" aus.

1927 geriet Anna Brandt erstmals mit dem Gesetz in Konflikt und wurde vom Amtsgericht Hamburg wegen zweier Ladendiebstähle zu acht Tagen Haft verurteilt, die sie im April 1928 absaß. Am 4. April 1929, etwa sechs Wochen nach ihrer erneuten Einlieferung in Untersuchungshaft, wurde sie von ihrem Mann geschieden. Dieses Mal verurteilte sie zuerst das Amtsgericht Schwarzenbek, einige Tage später auch das Amtsgericht Altona zu jeweils einem Monat Gefängnis wegen Diebstahls. Nach Verbüßung dieser Strafen, Ende Mai 1929, wurde sie jedoch nicht entlassen, sondern erneut in Untersuchungshaft genommen und vom Landgericht sowie vom Amtsgericht Hamburg wegen fortgesetzten Diebstahls und Ladenraubs sowie einer Urkundenfälschung zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Am 5. Dezember 1930 wurde sie nach offenbar leicht verkürzter Strafverbüßung aus dem Gefängnis entlassen. Nach ihrer Freilassung hielt sie sich in St. Georg im Hotel "Linden" und bei einer früheren Mitinhaftierten auf. Im Dezember 1930 und Januar 1931 beging Anna Brandt mehrere Diebstähle in Schulen des Stadtteils und im Krankenhaus St. Georg. Am 23. Januar 1931 wurde sie aufgrund dieser Straftaten in Untersuchungshaft genommen. Möglicherweise hat sie sich zu diesem Zeitpunkt im Dohlenweg 28 bei Gl...? im Südosten von Barmbek, nicht weit entfernt von ihrer früheren Dulsberger Wohnung, aufgehalten. Diese Adressenänderung ist (ohne Datierung) auf ihrer Gefangenenkarteikarte vermerkt.

Nach dieser erneuten Festnahme ist Anna Brandt mit großer Wahrscheinlichkeit nie wieder in Freiheit gekommen. Noch vor ihrer Verurteilung durch das Amtsgericht Hamburg Ende April 1931, einmal zu drei Monaten wegen Diebstahls und das andere Mal zu einem Jahr Gefängnis wegen desselben Delikts in sechs Fällen und Betruges in einem Fall, wurde sie von der Polizeibehörde am 23. Februar an das "Pflegeamt ... (zur) Unterbringung im Heim Sandweg 23 übergeben". Ins Gefängnis kam sie dann offenbar erst Ende Juli desselben Jahres, wo sie ihre Haftstrafe bis zum 26. September 1932 verbüßte. Man ließ sie anschließend aber nicht frei, sondern behielt sie in Haft, diesmal aufgrund eines erneuten Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom Mai 1932 zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis wegen "rückfälligen Diebstahls", wobei unklar ist, ob sie die Tat während ihrer Haftzeit im Gefängnis begangen hatte.

Nach Verbüßung auch dieser Strafe Ende Juni 1934, wurde Anna Brandt Opfer des vom NS-Regime mit dem "Gewohnheitsverbrechergesetz" vom 24. November 1933 eingeführten Instruments der "Sicherungsverwahrung". Laut ihrer Gefangenenkarteikarte verfügte das Amtsgericht Hamburg diese Maßnahme am Tag des Ablaufs ihrer Gefängnisstrafe, dem 26. Juni 1934. Anna Brandt war dann in Lübeck, wahrscheinlich im Frauengefängnis Lauerhof, inhaftiert, denn Hamburg unterhielt damals mit Lübeck einen Gefängnisverbund für weibliche Häftlinge. Im Juni 1937 kam es zu einer einwöchigen Haftunterbrechung, da sie wegen einer Erkrankung "nach Hamburg zur Überführung beim Arzt versetzt", danach aber wieder nach Lübeck überstellt wurde.

Über ihren weiteren Leidensweg bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz konnten keine Dokumente gefunden werden. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Anna Brandt Opfer der berüchtigten Vereinbarung zwischen dem Reichsjustizminister Thierack und dem Reichsführer-SS Himmler vom 18. September 1942 wurde, nach der alle Sicherungsverwahrten (neben anderen Häftlingsgruppen) in Justizvollzugsanstalten der SS zur "Vernichtung durch Arbeit" zu übergeben waren. Weibliche Häftlinge wurden in der Regel zunächst ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück eingeliefert, was möglicherweise auch bei Anna Brandt der Fall war. Unbekannt ist, wann sie schließlich ins KZ Auschwitz kam. Lediglich ihr Todesdatum, der 9. Dezember 1943, wurde auf einer "Sterbeurkunde" von den Registratoren des Terrors festgehalten, auf der auch ihre alte Dulsberger Wohnadresse stand. Dort ist ein Stolperstein für sie gelegt worden.

© Benedikt Behrens

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht, A 13899/32; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13 und 2000/01; Schreiben des Museums Auschwitz-Birkenau v. 30.6.2005 und E-Mail dess. v. 5.8.2005; Bernhard Strebel, Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes, Paderborn u. a., 2003, S. 125f.; USHMM/ITS, Sterbeurkunde.

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