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Auguste Schröder * 1881

Anckelmannstraße Ecke Borgfelder Allee (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
AUGUSTE SCHRÖDER
JG. 1881
EINGEWIESEN 14.8.1943
’HEILANSTALT’
STEINHOF/WIEN
ERMORDET 7.4.1944

Auguste Schröder, geb. 17.2.1881 in Hamburg, ermordet am 7.4.1944 in der "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien"

Fuß der Borgfelder Allee/Anckelmannstraße (Borgfelderallee 5)

Am 15. November 1937 richtete der Führer der Sanitäts-Oberstaffel 4 beim Amt für Volks­gesundheit in Altona eine Anfrage an die Leitung der damaligen Alsterdorfer Anstalten: "Auguste Schröder gehört zur Sippe von Frau W., geb. A., die Frau eines SS-Angehörigen ist. Für den Rassebogen des SS-Rasse- und Sippenamtes bitte ich um Mitteilung, ob es sich bei der Patientin um eine genuine Epilepsie handelt oder ob Trauma als Ursache angenommen wer­den kann." Gerhard Kreyenberg, ärztlicher Leiter der Anstalt, antwortete nach Durchsicht und Aus­wertung der Krankengeschichte, er habe darin einander widersprechende Angaben gefunden, die eher den Eindruck einer genuinen, also angeborenen, als einer traumatischen Epi­lep­sie vermittelten. Zu dem Zeitpunkt befand sich Auguste Schröder bereits eineinhalb Jahre in der Anstalt.

Sie wurde am 17. Februar 1881 als zweites von acht Kindern des Restaurators Heinrich Schröder und seiner Ehefrau Cä­ci­lie, geb. Thormälen, in Hamburg geboren. Ihr ältester Bruder, Max, fuhr zur See und starb 1909 im Kongo an Malaria. Zwei jüngere Brüder wurden nur wenige Wochen alt. Die übrigen Ge­schwis­ter erreichten das Erwachsenenalter und waren wie die Eltern und Großeltern gesund. Als Auguste zwei Jahre alt war, erlitt sie einen Schädelbruch. Sie wurde regulär in die Volks­schule eingeschult und wechselte später auf die Hilfs­schule. Mit zwölf Jahren erlitt sie erstmals einen Anfall, der am Tage auftrat. In den folgenden sechs Jahren blieb es bei am Tage auf­tretenden Anfällen.

Auguste wurde auf die Ge­wer­beschule ge­schickt, wo sie Haushaltsführung lernte. Ab ihrem 18. Le­bens­jahr traten die Anfälle alle zwei bis drei Wochen vor allem nachts auf. Im Sep­tember 1904, sie war inzwischen 23 Jahre alt, begann sie plötzlich zu phantasieren und wurde daraufhin drei Wochen später mit der Diagnose "epileptische Seelenstörung" erstmals in die Staatskran­ken­anstalt Friedrichsberg eingewiesen. Sie widersetzte sich der Einlieferung, erhielt Beruhi­gungs­mittel, die jedoch nicht wirkten, und verweigerte die Nahrung. Nach zwei­wöchigem Aufent­halt wurde sie als "gebessert" nach Hause entlassen. Der Vater, Hein­rich Schröder, erlag am 30. November 1914 einem Herzschlag. Auguste Schröder lebte bis zum Tod ihrer Mutter am 2. Februar 1936 mit ihr zusammen in der Borgfelder Allee 5 am Berliner Tor.

Die Geschwister A. und R. Schröder nahmen sich ihrer Schwester an, die im Laufe der Jahr­zehnte apathisch und unzugänglich geworden war, und brachten sie auf eigene Kosten in "Als­terdorf" unter. Die Aufnahmediagnose lautete "epileptische Demenz", und Auguste Schrö­der wurde als "dauernd anstaltsbedürftig" eingestuft. Sie fühlte sich "wirr im Kopf", blickte den aufnehmenden Arzt "stumpf und leer" an, was er auf die mangelnde intellektuelle und psychische Förderung zuhause zurückführte. Auguste Schröder fühlte sich durch Geräusche ge­stört, schlief trotz Schlafmitteln schlecht, störte ihrerseits ihre Umgebung durch unkontrolliertes Verhalten. Am besten ging es ihr draußen in der Sonne im Liegestuhl. In der An­nahme, dass ihr eine Luftveränderung gut täte, wurde sie zu einer Kur in den Harz ge­schickt. Diese Therapie blieb langfristig genauso wirkungslos wie Wasserkuren und Medika­mente. Die An­fälle traten zwar nur noch einmal im Monat auf, aber ihr Allgemeinbefinden schwankte zwischen Missmut und Erregungszuständen.

Als es nach der "Operation Gomorrha" zur Massendeportation aus den Alsterdorfer An­stal­ten kam, wurde auch Auguste Schröder – sie war 62 Jahre alt – für die Verlegung ausgewählt und mit dem Transport von 228 Frauen, der Alsterdorf am 14. August 1943 verließ, in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" transportiert. Dort fielen ihre Demenz und ihre Unruhe auf; Anfälle hatte sie nur wenige. Im Februar 1944 wurde sie auf die Pfle­gestation verlegt, deren Bezeichnung zumindest im Fall von Auguste Schröder irreführend war. Statt angemessener Pflege wurde ihr Tod bewusst durch mangelhafte Ernährung, unzureichende medizinische Versorgung und allgemeine Vernachlässigung herbeigeführt. Bei ihrer Ankunft wog sie 56, im April 1944 noch 45 kg. Als am 6. April ihr bevorstehender Tod festgestellt wurde, war es für eine "Verschlimmerungsnachricht" an die Angehörigen zu spät. Auguste Schröder starb am 7. April 1944, angeblich an einer Lun­gen­entzündung und Herzinsuffizienz. Sie wurde in Wien beerdigt.

© Initiative Stolpersteine in Hamburg-Borgfelde

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 240; Jenner, Meldebögen, in: Wunder/Genkel/Jenner, Ebene, S. 69–178; Wunder, Abtransporte, in: ebd., S. 181–188; ders., Exodus, in: ebd. S. 189–236.

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