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Bertha Oppenheim (geborene Koppel) * 1867

Isestraße 35 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
BERTHA OPPENHEIM
GEB. KOPPEL
JG. 1867
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
15.7.1942

Bertha Oppenheim, geb. Koppel, geb. 14.5.1867 in Leer, Suizid in Hamburg vor Deportation am 14.7.1942

Isestraße 35

Bertha Koppel wurde am 14. Mai 1867 in Leer/Ostfriesland als Tochter des aus dem nahe gelegenen Norden zugezogenen Kaufmanns und Senators (ab 1879) Moses Jacob Koppel (1822–1888, Eltern: Joseph Koppel und Bella geb. Meyer) und der in Schwerin geborenen und in Hamburg aufgewachsenen Johanne "Hanchen" Koppel, geb. Kauffmann (1837–1895, Eltern: Aron Joseph Kauffmann 1793–1878 und Pauline geb. Fürst) geboren. Vor ihr war die Schwester Golde "Adele" (geb. 21.7.1865, ab 1886 verheiratete Hammerschlag) und nach ihr Pauline (geb. 30.1.1870) in Leer zur Welt gekommen. Zwei weitere Geschwister waren bereits im Kindesalter gestorben: Jacob "Max" Koppel (1863–1870) und Julius Max Koppel (1872–1873). Der Vater hatte 1857 beim Magistrat der Stadt Leer ein "gehorsamstes Gesuch" auf Erteilung des Bürgerrechts gestellt, dem stattgegeben wurde. 1859 stellten die Gebrüder Koppel ein Gesuch "um die Erlaubnis zum Handel mit fertigen Kleidungsstücken". 1861 tauchte Moses Koppel in einer Hausliste noch als unverheirateter Bewohner auf; 1862 heiratete er Johanne Kauffmann in der Schweriner Synagoge.

Moses Koppel gehörte zusammen mit seinem Bruder Meyer Koppel (um 1818–vor 1878) in Leer die Manufaktur- und Modewarenhandlung "Gebr. Koppel" in der Pfefferstraße 5/34, später 5/32 (ab 1894 Rathausstraße). Zudem war Moses Koppel auch in der Israelitischen Gemeinde Leer aktiv und amtierte u.a. von 1872 bis 1886 einer von deren Vorstehern. Er starb 1888 an einem "Gehirnschlag" und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Leer bestattet. Der schlichte Grabstein wurde vom Steinmetz auf der Vorderseite in deutscher Schrift und auf der Rückseite mit hebräischen Schriftzeichen versehen und steht noch heute dort. Seine Witwe führte das Geschäft übergangsweise fort, wie ein Eintrag im Adressbuch der Stadt Leer von 1890 belegt.

Bertha Koppel, über deren Kindheit, Jugend und eventuelle Ausbildung wir nichts wissen, heiratete im September 1891 in Leer den Kaufmann Emanuel (Manus) Oppenheim (geb. 26.11.1853 in Warburg/Westfalen). Als Trauzeugen fungierten der Kaufmann Isidor Hammerschlag (31 Jahre, wohnhaft Leer)und der Kaufmann Joseph Kauffmann (59 Jahre, wohnhaft Hamburg). Bertha zog zu ihrem Ehemann nach Hamburg in die Grindelallee 107. Emanuel Oppenheim war in erster Ehe mit Friederike Wolff (geb. Juli 1863 in Dannenberg, Eltern Salomon und Sophie Wolff) verheiratet gewesen, die bei der Geburt des Sohnes Paul 1889 gestorben war.

Im August 1892 zog Berthas 22-jährige Schwester Pauline Koppel zusammen mit ihrer Mutter ebenfalls nach Hamburg, wo die Mutter 1895 im Alter von 58 Jahrenstarb. Danach scheint Bertha Oppenheim ihre Schwester bei sich aufgenommen zu haben, denn 1899 lautete Pauline Koppels Hamburger Wohnadresse Hallerstraße 4 (Rotherbaum).

Unter dieser Adresse war auch der Kaufmann E. Oppenheim gemeldet, Emanuel Oppenheims Schwager Albert Emanuel Wolff (1862–1913), den sie wohl so kennengelernt haben dürfte und den sie im August 1899 heiratete. Die von Albert Wolff 1893 in Hamburg gegründete Firma Albert Wolff Agentur und Kommission bzw. Handelsvertreter (für große Webereien) führte ihre Büroräume am Großen Burstah 9 (Altstadt), ganz in der Nähe der Hamburger Börse. Nach dem Tod ihres erst 50-jährigen Ehemannes im Jahr 1913 zog Pauline Wolff, geb. Koppel mit ihrem Sohn Willy von der Parkallee 18 in eine Wohnung in der Hochallee 27 (Harvestehude). Die Firma führte die 43-jährige Witwe fort und nahm als Compagnon Paul Oppenheim (geb. 9.3.1889 in Hamburg) auf, den Sohn des Ehemanns ihrer Schwester Bertha Oppenheim, geb. Koppel aus erster Ehe. Möglicherweise war auch der spätere Einstieg ihres Sohnes Willy Wolff in die Firma angedacht gewesen; dieser starb aber nur wenige Jahre nach ihrem Ehemann als Soldat im Ersten Weltkrieg.

1918 wurde Paul Oppenheim nach seiner Rückkehr aus dem Krieg Alleininhaber der Firma Albert Wolff (Vertretung großer Webereien). Er gründete um 1930 unter eigenem Namen noch eine Firma für Fabrikation und Vertrieb von Bettwäsche und Hauswäsche. Seine Wohnadresse lautete Bieberstraße 9 (1926–1938). Die Buchhaltung und Korrespondenz sowie die Vertretung während seiner Geschäftsreisen übernahm seine Ehefrau.

Paul Oppenheim trat 1921 in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg ein und gehörte dem liberalen Tempelverband an. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft kündigten die meisten Webereien Ende 1938 die Verträge mit ihm und zerstörten damit die wirtschaftliche Grundlage der beiden Firmen und der Familie Oppenheim. Im Mai 1939 emigrierte Paul Oppenheim mit seiner Ehefrau Bertha Oppenheim, geb. Heymann (geb. 10.1.1891 in Osnabrück) und den beiden Kindern Hildegard (geb. 21.5.1918) und Walter (geb. 17.4.1923) nach La Paz in Bolivien und gründete dort eine kleine Tüten- und Kartonfabrikation. Paul Oppenheim starb im Februar 1947.

Bertha Oppenheim, geb. Koppel und Emanuel (bis 1906 Manus) Oppenheim (1853–1914) wohnten die längste Zeit in der Hallerstraße 4 I. Stock (1896–1912). Beide Söhne dienten im Ersten Weltkrieg: Paul Oppenheim (geb. 9.3.1889) aus erster Ehe wie auch der gemeinsame Sohn Walther Oppenheim (geb. 23.8.1896 in Hamburg). Er starb als Kriegsfreiwilliger als Angehöriger des Ersatz-Bataillons des Infanterie-Regiments Fürst Leopold von Anhalt-Dessau (1. Magdeburgisches) Nr. 26 am 1. März 1915 an der Westfront im Lazarett in Hénin an einer schweren Granatverletzung.

Bertha Oppenheim war 1932/33 (laut Adressbuch) bzw. im November 1935 (laut Kultussteuerkartei) in die Isestraße 35 I. Stock gezogen. Auch ihre Schwester Pauline Wolff zog 1932/33 von der Hochallee 27 in die Isestraße 15 (Harvestehude). Rund sechs Jahre später hob das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden vom 30.4.1939 deren Mietschutz auf, um ihre Wohnungen frei zu machen. Bertha Oppenheim musste nun als Untermieterin zu der zwangsweise in den Ruhestand versetzten Lehrerin Recha Lübke (geb. 6.3.1880 in Altona)in die Isestraße 21 ziehen, ihre Schwester Pauline Wolff Anfang Juni 1939 als Untermieterin zu dem ehemals selbständigen Kaufmann Iwan Hesse (geb. 31.1.1872 in Hamburg) in die Straße Jungfrauenthal 8.

Laut Polizeiverordnung waren auch Bertha Oppenheim und Pauline Wolff ab dem 19. September 1941 gezwungen, deutlich sichtbar auf der linken Brustseite einen gelben "Judenstern" zu tragen. Beide wurden aufgefordert aus ihren Untermietverhältnissen in ein vom NS-Regime zum "Judenhaus" erklärtes Gebäude der "Z. H. May und Frau-Stiftung" mit Stiftswohnungen (Bogenstraße 27) umzuziehen – Pauline vermutlich Ende Oktober/Anfang November 1941 und Bertha im März 1942. Von hier wurden die Bewohner/innen in die Gettos und später Vernichtungslager deportiert. Das NS-Regime hatte Ende 1941 die Emigration von Juden aus Deutschland gestoppt und mit der Deportation begonnen.

Im Juli 1942 erhielten Bertha Oppenheim und Pauline Wolff einen "Evakuierungsbefehl", beide inzwischen über 70 Jahre alt. Dieser Deportationstransport sollte ins "Altersgetto" Theresienstadt führen. Vermutlich hatten sie bereits von verschiedenen Selbstmorden gehört und Tabletten zur Seite gelegt. Am 14. Juli 1942, einen Tag vor dem angesetzten Deportationstermin, nahmen die Schwestern in der Bogenstraße 27 (Eimsbüttel) gemeinsam eine Überdosis Schlafmittel. Zwar wurden beide noch ins Israelitische Krankenhaus in der Johnsallee 68 eingeliefert, dort starben sie aber kurze Zeit später. Der Krankenhausarzt Hans Sommerfeld informierte die Polizeibehörde im Stadthaus hiervon.

Die Kriminalpolizei setzte die Hamburger Gestapo, die die Deportationen organisierte, von diesen Todesfällen umgehend in Kenntnis. Im Auftrag der Jüdischen Gemeinde kümmerte sich der "Beerdigungsübernehmer" Von der Walde (Großneumarkt 56) um die Beisetzungen. Beide Schwestern wurden neben ihren Ehemännern auf dem Jüdischen Friedhof Hamburg-Ohlsdorf bestattet.

An Pauline Wolff, geb. Koppel, erinnert ein Stolperstein vor dem Haus Jungfrauenthal 8.


Stand: März 2019
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 213-13 (Landgericht Hamburg Wiedergutmachung), 19613 (Paul Oppenheim); StaH 331-5 (Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle), 1942/1157 (Pauline Wolff geb Koppel); StaH 331-5 (Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle), 1942/1156 (Bertha Oppenheim geb. Koppel); StaH 332-5 (Standesämter), 51 u. 1312/1878 (Sterberegister 1878, Aron J. Kauffmann); StaH 332-5 (Standesämter), 9044 u. 246/1889 (Geburtsregister 1889, Paul Oppenheim); StaH 332-5 (Standesämter), 7838 u. 322/1889 (Sterberegister 1889, Friederike Oppenheim geb. Wolff); StaH 332-5 (Standesämter), 7893 u. 1281/1895 (Sterberegister 1895, Hanchen Koppel geb. Kauffmann); StaH 332-5 (Standesämter), 9122 u. 1518/1896 (Geburtsregister 1896, Walther Oppenheim); StaH 332-5 (Standesämter), 7917 u. 1559/1898 (Sterberegister 1898, Sophie Wolff geb. Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter), 8596 u. 411/1899 (Heiratsregister 1899, Albert Wolff u. Pauline Koppel); StaH 332-5 (Standesämter), 8015 u. 150/1913 (Sterberegister 1913, Albert Wolff); StaH 332-5 (Standesämter), 8025 u. 189/1915 (Sterberegister 1915, Walther Oppenheim, mit Angabe der militärischen Einheit); StaH 332-5 (Standesämter), 8180 u. 346/1942 (Sterberegister 1942, Bertha Oppenheim geb. Koppel); StaH 332-8 (Meldewesen), K 6691, Alte Einwohnermeldekartei (1892–1925), Emanuel Oppenheim; StaH 332-8 (Meldewesen), A 24 Band 191 (Reisepassprotokolle 1897–1929), Nr. 8665/1919 Pauline Wolff; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung AfW), 13300 (Bertha Oppenheim); StaH 352-5 (Gesundheitsbehörde – Todesbescheinigungen), 1895, Sta. 3, Nr. 1281 (Hanchen Koppel geb. Kauffmann); StaH 352-5 (Gesundheitsbehörde – Todesbescheinigungen), 1913, Sta. 3, Nr. 150 (Albert Wolff); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg) Pauline Wolff, Bertha Oppenheim geb. Koppel, Emanuel Oppenheim, Paul Oppenheim; Jüdischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Gräberverzeichnis (Albert Wolff, Grablage B9-25, Pauline Wolff geb. Koppel B9-26, Bertha Oppenheim geb. Koppel ZY10-20, Emanuel Oppenheim ZY10-20, Abraham Koppel ZY10-20, Walther Oppenheim B12-157, Friederike Oppenheim geb. Wolff ZY11-31); Niedersächsisches Landesarchiv Standort Aurich, NLA AU, Rep. 248, Nr. 978 Norden (Geburtsregister Jüdische Gemeinde Norden: 5.8.1816 Rachel Koppel, 12.3.1820 Rebecca Koppel), NLA AU, Rep. 15, Nr. 12573 (Vorsteher der Synagogengemeinde in Leer Moses Koppel 1858–1877), NLA AU, Rep. 15, Nr. 4336 (Gesuch der Gebrüder Koppel zum Handel mit Kleidungsstücken 1859); Stadtarchiv Leer, Hausliste von 1861 für Pfefferstr. 34 (Moses Koppel), Heiratsregister 56/1891 (Bertha Koppel u. Emanuel Oppenheim), Abmelderegister 1892, Jüdischer Friedhof Leer (Grab Moses u. Johanne Koppel); Meyers Lexikon Band 1, Leipzig 1924, S. 184/185 (Agent); Meyers Lexikon Band 6, Leipzig 1927, S. 1608 (Kommission); Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 2, Hamburg 1985, S. 52–53 (Bogenstraße 25/27); Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten, Gedenkbuch, Hamburg 1932, S. 377 (Walter Oppenheim, Hamburg, geb. 23.6.1896, gest. 1.3.1915, 8/Infanterie-Regiment 26); Unterrichtsmaterialien der APA, Archivpädagogische Schriften, Daten zur jüdischen Bevölkerung der Stadt Leer im 18., 19. und 20. Jahrhundert, ohne Datum, S. 20 (Antrag auf Bürgerrecht von Moses Koppel, Moses Koppel Vertreter der Gemeinde), S. 34 (Abmelderegister 1882, Albert Wolff), S. 42 (Abmelderegister 1892 Witwe Moses Koppel mit Paula), S. 71 (Adressbuch 1871, M. Koppel u. Gebr. Koppel Manufactur- u. Modewaren, Pfefferstr. 5/32), S. 72 (Adressbuch 1890, Witwe Moses Koppel, Inhaber Firma Gebr. Koppel); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1910, S. 721 (Albert Wolff, Großer Burstah 9); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 1134 (Albert Wolff, Inhaber Pauline Wolff u. Paul Oppenheim); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1935, S. 931 (Albert Wolff, Inhaber Paul Oppenheim); Hamburger Adressbuch (Albert Wolff) 1891, 1893–1895, 1897, 1898–1901, 1903–1907, 1910, 1913; Hamburger Adressbuch (Wwe Albert Wolff) 1914, 1920, 1928, 1930, 1932, 1933, 1934, 1936; Hamburger Adressbuch (Albert Wolff, Firma) 1933–1935; Hamburger Adressbuch (Paul Oppenheim) 1926, 1927, 1930, 1932, 1934, 1937, 1938; Hamburger Adressbuch (Emanuel Oppenheim) 1899; www.tracingthepast.org (Volkszählung Mai 1939), Pauline Wolff geb. Koppel, Bertha Oppenheim, geb. Koppel, Recha Lübke; www.stolpersteine-hamburg.de (Pauline Wolff, geb. Koppel).

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