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Anna Salomon (geborene Wolff, verw. Grün) * 1876

Parkallee 82 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
ANNA SALOMON
GEB. WOLFF
VERW. GRÜN
JG. 1876
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
17.11.1941

Weitere Stolpersteine in Parkallee 82:
Irma Jacquet, Dr. Ferdinand Jacquet, Anna Stiel, Philipp Marx Stiel

Anna Salomon, geb. Wolff, verwitwete Grün, geb. am 31.1.1876 in Löbau, Flucht in den Tod in Hamburg am 17.11.1941

Parkallee 82, Harvestehude

Anna wurde als Kind des promovierten jüdischen Kreisphysikus Jacob Wolff und seiner Ehefrau Malwine, geb. Mannheim, am 31.1.1876 in Löbau/ Westpreußen geboren. Ein Kreisphysikus nahm in Preußen als staatlicher Gesundheitsbeamter des Kreises offizielle Aufgaben wahr. Dazu zählten die Seuchenabwehr und gerichtsärztliche Angelegenheiten. (Diese Aufgaben wurden dann am 1. April 1935 von den Gesundheitsämtern der Städte übernommen.)

Über Anna Wolffs Kindheit, Jugend und Ausbildung ist uns nichts bekannt. Sie lebte in Graudenz/Westpreußen in erster Ehe mit dem jüdischen Justizrat Julius Grün zusammen. Dort lebte auch Anna Grüns Mutter Malwine, die am 10. August 1907 verstarb, der Ehemann Julius Grün verschied 3. Februar 1908. Nun verwitwet, zog Anna Grün von 1909 bis 1913 zu ihrem Vater, der in Berlin-Schöneberg in der Barbarossastraße 37 lebte.

Wahrscheinlich hatte sie, die laut Reisepass, eine große schlanke Frau mit graubraunen Augen und dunkelbraunen Haaren gewesen sein soll, in Berlin Michel Salomon kennengelernt. Sie heirateten dort am 14. Oktober 1913 und gingen gemeinsam nach Hamburg.

Michel Salomon war am 9.4.1862 in Paris geboren worden als das zweite von sechs Kindern. Seine Eltern waren der Kaufmann Joseph Salomon und Jeanette Salomon, geb. Salomon. Diese zogen mit den Kindern nach Hamburg. (Michel Salomons Mutter verstarb am 16.4.1890 in Wiesbaden, sein Vater am 25.12.1916 in Hamburg.)

Für Michel Salomon war es die zweite Ehe, zuvor war er mit der am 27.5.1875 in Kassel geborenen Erna Lindenfeld verheiratet gewesen. Das Paar hatte sich am 14. Februar 1902 in Hamburg scheiden lassen.

Bevor sich das Ehepaar Anna und Michel Salomon am 2. Januar 1914 ein Haus in der Geffckenstraße 6 im vornehmen Stadtteil Eppendorf kaufte, hatte es in der Heilweigstraße 37/Eppendorf gewohnt.

Nach dem Tod ihres Vaters Joseph Salomon erbten die Söhne Michel und Siegfried Salomon (geb. 15.4.1873) die Exportfirma für Glas, Porzellan und Steingut J & M Salomon mit Sitz an der Spitalerstraße 9 (Adresse: Barkhof Haus 2).

Michel Salomon gehörte der Jüdischen Gemeinde an und zahlte von 1919 bis 1930 Kultussteuern.

Annas Vater wechselte am 17. Mai 1916 ebenfalls von Berlin nach Hamburg. Er lebte anfangs bei seiner Tochter und seinem Schwiegersohn, bevor er in die Oderfelderstraße 13/Harvestehude zog. Er verstarb am 6. Juli 1922 in seiner nächsten Wohnung Beim Andreasbrunnen 9, die fußläufig zu der seiner Tochter lag, im Alter von 81 Jahren. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt. Dafür kaufte die Familie eine große Grabstätte mit vier Grabstellen.

Am 5. Oktober 1936 setzten Anna und Michel Salomon gemeinsam ein Testament auf. Das Haus in der Geffckenstraße 6 sollte nach seinem Tod auf seine Frau Anna als alleinige Eigentümerin übergehen. Vielleicht hatte Michel Salomon geahnt, dass sein Tod bevorstand: Er verstarb am 22. November 1936 in der Thielengasse 2 in Winterhude in der Wohnung seiner Freunde Irma und Ferdinand Otto Jacquet (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Die Todesursache ist uns nicht bekannt. Seinen Tod zeigte Irma Jacquet beim Standesamt an. Michel Salomon wurde am 24. November auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Michels Bruder Siegfried Salomon führte den Betrieb mit noch zwei Angestellten weiter, was ihm aber durch die nationalsozialistischen Beschränkungen zunehmend immer schwerer gemacht wurde. Mit Datum des 18. September 1937 löste er die Firma J & M Salomon auf. Die Handelskammer beantragte am 7. August 1939 die Löschung aus dem Handelsregister, welche dann am 18. September 1939 erfolgte.

Nach dem Tod ihres Mannes zog Anna Salomon in die Parkallee 82 in eine 3 ½ Zimmerwohnung. Sie konnte durch eine sog. Sicherheitsanordnung nun nicht mehr frei über ihr Geld verfügen. Ihr Konto wurde jetzt kontrolliert und von der Devisenstelle überwacht. Abheben durfte sie nur, was ihr für die Deckung der regelmäßigen Lebenshaltungskosten gestattet worden war. Oftmals half ihr die nichtjüdische Freundin Gerda Wacker aus, wenn sie Geld zu Verwandten nach Amerika, England und Palästina transferieren wollte.

Anna Salomon besaß seit 1930 ein Telefon. Da Gerda Wacker, ab 1940 wohnhaft in der Isestraße 123, ebenfalls einen Telefonanschluss hatte, konnten sich die Frauen schnell verständigen, beispielsweise wenn Anna Salomon eine Haussuchung drohte.

Am 19. März 1940 wohnte kurzzeitig Annas Cousine Regina Dora Fuchs, geb. Mannheim (geb. 23.10.1888 in Posen), bei Anna Salomon zur Untermiete, bevor sie in die USA emigrierte (sie starb am 1. November 1956 in New York).

Am 1. Juli 1940 zog Anna Salomons ebenfalls verwitwete Freundin Irma Jacquet bei ihr ein. Irma und Anna seien – so die nichtjüdische Freundin Gerda Wacker nach dem Krieg – glücklich gewesen, dass beider Einsamkeit damit beendet gewesen sei. Bridgeabende waren ein gemeinsames Hobby beider Frauen. Die Freundin Gerda Wacker habe sie in jeder Beziehung unterstützt, auch finanziell.

Am 10. Januar 1941 übertrug Anna ihr Haus in der Geffckenstraße 6 Gerda Wacker als Gegenleistung für ihre Unterstützung und Freundschaft. Die Gestapo setzte per 1.1.1942 für das Haus einen Einheitswert von 23.900 RM fest. Gerda Wacker musste für das Haus in der Geffckenstraße 6 eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 10.000 RM an das für ihre Einkommenssteuer zuständige Finanzamt zu Gunsten des Deutschen Reiches entrichten.

Gerda Wacker hatte Anna Salomon geholfen, ihre Auswanderung nach Amerika vorzubereiten. Aber diese wollte sich von ihrer langjährigen Freundin Irma nicht trennen, und Irma konnte sich zur Auswanderung nach England zu ihrer Schwester Alide Gollancz nicht entschließen. Also blieben beide Frauen in Hamburg.

Anna entrichtete der Jüdischen Gemeinde bis zu ihrem Tod am 17. November 1941 Kultussteuern. Sie wurde für das Jahr 1941 mit 1.180 RM veranlagt.

Am 18. November 1941 sollte Irma Jacquet ins Getto Minsk deportiert werden. Diese Aussicht war für beide Frauen unerträglich. So setzten sich Anna und Irma in selbstmörderischer Absicht am 17. November 1941 jede eine Morphiumspritze. Anna Salomon verstarb am gleichen Tag. Sie hatte einen Abschiedsbrief auf ihrem Nachtschrank mit ihrem Pass und ihrem letzten Willen "Ich scheide freiwillig aus dem Leben" hinterlassen.

Ihre Freundin Irma wurde noch ins Jüdische Krankenhaus in der Johnsallee transportiert, wo sie am nächsten Tag verstarb. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel im Grab M2 117 neben ihrem Bruder Joseph Goldschmidt beigesetzt.

Anna Salomon wurde neben ihrem Mann Michel Salomon und ihrem Vater Jacob Wolff auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel Grab B 8 -7 beigesetzt. Bezahlt wurde die Beisetzung durch Gerda Wacker.

Zum Schicksal der Geschwister von Michel Salomon:
Melanie Salomon (geb. 6.2.1858 in Paris) heiratete den Kaufmann Philipp Hauser (geb. 26.3.1855), der am 2. April 1914 in Hamburg verstarb. Melanie Hauser folgte ihm am 4. November 1940 in Hamburg. Das Ehepaar wurde auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Cora Salomon (geb. 26.2.1867 in Hamburg) hatte am 21. August 1894 in Wandsbek den Kaufmann Louis Lazarus (geb. 22.12.1859) geheiratet und mit ihm die Kinder Jeanne, geb. 25.5.1895, und Hertha Pauline, geb. 25.9.1898, bekommen. Die Familie emigrierte nach Dänemark und überlebte den Nationalsozialismus.

Rosita Salomon (geb. 10.11.1868) hatte am 8. Juli 1894 in Dresden den Rechtsanwalt William Altschul geheiratet und mit ihm die zwei Kinder Johanne Charlotte, geb. 6.12.1892, und Louisa, geb. 7.1.1894, bekommen. William Altschul verstarb am 14. August 1932 in Dresden. Es ist nicht bekannt, ob die Kinder überlebten.

Siegfried Salomon (geb. 15.4.1873) heiratete am 3. April 1910 Martha Waldheim in Wandsbek. Martha beging am 21. Februar 1942 Selbstmord. Siegfried wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Für das Ehepaar liegen Stolpersteine in der Sierichstraße 56. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de.

Siegfried und Martha Salomon hatten zwei Kinder Marfriede Jeanette (geb. 4.12.1907) und Hans Siegfried, genannt Juan (geb. 25.2.1913). Juan konnte 1935 nach Kolumbien flüchten, Marfriede floh 1937 nach Italien und überlebte dort die Verfolgung im Versteck.

Michels jüngster Bruder Oscar Salomon (geb. 17.11.1874) starb in Hamburg und wurde am 17. Mai 1925 auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel

Stand: Juni 2020
© Bärbel Klein

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 7; 8; StaH 213-13_7864; 213-13_7865; 213-13_7865; 213-13_7866; 213-13_7867; 213-13_7868; 213-13_16691; 213-13_23726; 213-13_23727; 213-13_23728; 331-5_3 Akte 3306/1941; 332-5_101/1874; 332-5_2068/1892; 332-5_105/1894; 332-5_117/1894; 332-5_598/1894; 332-5_816/1916; 332-5_1622/1922; 332-5_151/1925; 332-5_2651/1932; 332-5_586/1936; 332-5_389/1941; 332-5_254/1976; 424-3_Abt. XXXII A II Ba 185; Heiratsurkunden Berlin 637/1913 und 171/1873 Einsicht 2.11.2019; Geburtsunterlagen Michel Salomon aus Berlin, Einsicht 2.11.2019; 741-4_K2445; 741-4_K2448; 741-4_K6849; 741-4_K7199; 741-4_K7469; Grundbuch Geffckenstraße 6, Einsicht 20.1.2020; www.Ancestry.de; www.wikipedea.de.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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