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Adolph Israel * 1892

Werderstraße 49 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
ADOLPH ISRAEL
JG. 1892
ENTRECHTET / GEDEMÜTIGT
FLUCHT IN DEN TOD
27.01.1941

Adolph Otto Israel, geb. am 9.9.1892 in Hamburg, Flucht in den Tod am 27.1.1941 in Hamburg

Werderstraße 49/Hochallee 104

Die unter Denkmalschutz stehende Villa in der Hochallee 104 befand sich für viele Jahrzehnte im Besitz der Familie Israel. Vor diesem Haus setzte Adolph Otto Israel seinem Leben ein Ende.

Welche Spuren fanden wir zur Familie Israel? Max Adolf Israel (1858_1947), der Vater, absolvierte in den 1870er-Jahren eine kaufmännische Ausbildung in Manchester/England. Er blieb dort einige Jahre, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Mit einem Kompagnon gründete Max Israel nach seiner Rückkehr die Import- und Exportfirma Stapel & Israel mit Sitz in der Altstadt.

Zu der Zeit besuchte seine zukünftige Frau Louise Magnus noch eine höhere Mädchenschule in der ABC-Straße. Zuvor erhielt sie zwei Jahre Hausunterricht. Es ist nicht überliefert, ob Louise Magnus eine Ausbildung begann. Im September 1891 heiratete Max Adolf Israel die in Hamburg geborene nichtjüdische Louise Magnus (1873–1963). Ein Jahr später kam Sohn Adolph Otto zur Welt, danach, 1893 und 1898, die Schwestern Erna und Emma. 1907 erwarb die Familie die markante Villa in der Hochallee und kurz danach auch das Grundstück.

Bis zur weltweiten Inflation in den 1920er Jahren existierten für die Familie keine finanziellen Probleme. Die Firma überstand die Krise und arbeitete weiter, bis die Nationalsozialisten 1941 ihre Löschung erzwangen. Bis dahin führte Max Israel das Geschäft von zu Hause aus. Im Rahmen einer Schenkung übertrug er das Wohnhaus einer Tochter.

Seit 1913 gehörte Max Adolf Israel der Jüdischen Gemeinde an und zahlte regelmäßig seine Beiträge. Auf der Mitgliedskarte wurde Ende 1939 vermerkt, dass seine Frau und die drei Kinder nicht der Gemeinde zugehörig wären.

Über das Leben des Sohnes Adolph Israel erfahren wir bis zu seinem Todestag nichts. Erst die tragischen Umstände seines Suizides, zeigen uns einen kleinen Ausschnitt seines bisherigen Lebens. Am Vormittag des 27. Januar 1941 verließ Erna Israel das Elternhaus und bemerkte in Richtung des Kellers einen Schatten. Beim genauen Hinsehen erkannte sie ihren Bruder, in sich zusammen gesunken vor der Kellertür sitzend, die Pistole lag in seinem Schoß, jede Hilfe kam zu spät. Erna meldete den Todesfall im nächstgelegenen Polizeirevier, das umgehend den zuständigen Arzt der Gesundheitsbehörde informierte, dieser bescheinigte den Kopfschuss.

Die Begutachtung reichte jedoch nicht aus, alle Selbstmorde bedurften einer eingehenden Untersuchung im Hafenkrankenhaus. Der dort zuständige Pathologe schloss Fremdverschulden zweifelsfrei aus und vermerkte zusätzlich "Opfer dunkelbraune Haare, 1,58 cm groß, 44 kg schwer, reduzierter Ernährungsstand". Die Angehörigen – mit Ausnahme der Eltern - wurden von der Polizei befragt. Beide Schwestern konnten keine näheren Angaben machen, außer: "Unser Bruder hat sich nie über seine nichtarische Abstammung (Mischling) hinwegsetzen können" und "die Scheidung", denn Adolph Israel war gerade geschieden worden.

Die Polizei setzte die Befragung der geschiedenen Ehefrau in deren Wohnung in der Hansastraße 21 fort. Die Heirat von Adolph Israel mit der nichtjüdischen gebürtigen Bremerin Agnes Wilhelmine Veronika Bartusch (1896–1964 Hamburg) hatte Anfang März 1925 in Bremen stattgefunden. Zu der Zeit lebte Veronika Bartusch in Eimsbüttel. Welchen Beruf sie ausübte, ist nicht bekannt. Auf der Heiratsurkunde fanden wir Adolphs Berufsbezeichnung Prokurist, wo er beschäftigt war, erfuhren wir nicht.

Doch zurück zur Befragung, in der sie folgendes schilderte: "Ich habe wegen der nichtarischen Abstammung meines Mannes die Scheidung eingereicht, welche am 23. Januar 1941 rechtskräftig wurde. Einen Tag später besuchte mich mein Ex-Mann und wir führten eine normale Unterhaltung. Adolph hat sich seine Abstammung sehr zu Herzen genommen und mehrfach Selbstmordgedanken geäußert. Andere Gründe kommen nicht infrage. Adolph hat den ersten Weltkrieg mitgemacht, war Leutnant und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Er hat sich mehrfach als Freiwilliger zum zweiten Weltkrieg gemeldet, erfolglos."

"Mischlinge ersten Grades" waren zwar kurzzeitig zur Wehrmacht eingezogen worden und etliche hatte die Hoffnung gehegt, nun wieder in die bürgerlichen Rechte eingesetzt zu werden. Dann aber hatte Hitler seine Entscheidung widerrufen, die schon Einberufenen wurden bis auf wenige Ausnahmen entlassen, die übrigen nicht rekrutiert.

Ein halbes Jahr später heiratete Veronika Israel ein zweites Mal.


Welche Spuren fanden sich zu den Familienangehörigen? Zu Louise Israel erfuhren wir, dass sie Anfang März 1963 starb.

Erna Israel, die den Künstlernamen Schumann annahm, übte bis 1935 den Beruf der Konzertbegleiterin aus. Dann lehnte die Reichsmusikkammer ihre Aufnahme ab, da sie als "Mischling ersten Grades" die "erforderliche Eignung im Sinne der Staatsführung nicht besitze", was einem Berufsverbot gleichkam. Danach hielt sie sich u.a. mit Notenschreiben und finanzieller Zuwendungen ihres Vaters "über Wasser". Nach Kriegsende schilderte Erna Israel folgendes, dass sie nächtliche Telefonanrufe mit Beschimpfungen; Steinwürfe auf die Fenster und die Haustür erhalten hatten und dass zwei Hitlerjungen in das Haus eingedrungen seien und ihrer Schwester Emma einen Faustschlag versetzt hätten.

Nach mühevollen Jahren und diversen Bewerbungen beim Rundfunk und bei Festspielen etc., gelang es ihr Ende der 1940er-Jahre bei verschiedenen Auftritten Sänger und Sängerinnen am Klavier zu begleiten. Das verdiente Geld reichte nur für das Nötigste. So wurde ein von ihr beantragtes Darlehen, für erneute Klavierstunden, um sich weiter zu qualifizieren, und zum Erwerb gepflegter Garderobe, bewilligt. Namhafte Künstler der Zeit, wie ein bekanntes Gesangsehepaar, lobten Erna Israel als "ausgezeichnete Pianistin und eine Freude sie wieder spielen zu hören". Selbst die Presse sparte nicht mit Lobeshymnen. Erna Israel starb wenige Monate nach ihrer Mutter 1963.

Die 1898 geborene Emma Israel wollte Malerin werden, was in der Familie auf Ablehnung stieß. Sie setzte sich jedoch durch und begann ihre Ausbildung bei namhaften Hamburger Künstlern. Anfang der 1930er–Jahre ging sie mit einem Mann auf "Wanderschaft". Dies akzeptierte die Familie nicht und bestrafte sie nach ihrer Rückkehr mit einem Jahr Landarbeit außerhalb Hamburgs. Mithilfe ihrer christlichen Mutter überstand sie die NS-Zeit. Mit vielfältigen Tätigkeiten hielt sie sich später "über Wasser". Das kleine ererbte Vermögen war bald aufgebraucht, zuletzt lebte sie von der Sozialhilfe. Nach einem langen Leben starb sie 1994.

Die Nichte von Max Adolph Israel, die jüdische Alice Bendheim (1875), lebte nach dem Tod ihres Mannes 1910 einige Jahre im Jungfrauenthal. Vermutlich aus Kostengründen gab sie die Wohnung auf und fand Mitte der 1930er–Jahre Unterkunft bei ihrem Onkel in der Hochallee. Von dort wurde sie am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt und zwei Monate später nach Treblinka deportiert. Zum Gedenken an Alice Bendheim liegt ein Stolperstein vor Hochallee 104 (www.stolpersteine-hamburg.de).

Die fünf Jahre ältere Schwester von Max Adolph Israel, die ebenfalls jüdische Auguste Bentheim (1853–1943 Theresienstadt), lebte 1941 für kurze Zeit bei ihrem Bruder in der Hochallee 104. Danach hatte sie mehrfach die Unterkunft zu wechseln, da ein Mieterschutz für Juden nicht mehr galt. 90jährig wurde Auguste Bentheim am 9. Juni 1943 aus dem "Judenhaus" Beneckestraße 6 nach Theresienstadt deportiert. Dort starb sie Ende Juli 1943. Zur Erinnerung an das Schicksal von Auguste Bentheim wurde vor ihrer langjährigen Wohnadresse Hallerstraße 42 ein Stolperstein verlegt (www.stolpersteine-hamburg.de).

Infolge der Deportation seiner alten und kranken Schwester, erlitt Max Adolph Israel einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb 1947.


Stand: September 2019
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 2; 4; 5; StaH 331-5 Polizeibehörde Unnatürliche Sterbefälle 510/41; 332-5 (Standesamt) 8551-332/1891; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 2266, 15354; Staatsarchiv Bremen, 4,60/5 Br.-Mitte Reg. Nr. 1359/1896 und 266/1925; div. Hamburger Adressbücher; Bajohr, "Arisierung in Hamburg", S. 372, Hamburg 1997; Bruns, Künstlerlexikon Hamburg 1933 bis 1945, Kunst in der Krise, Bd. 2, S. 216; Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 991 (Stapel & Israel); URL: http://www.stolpersteine-hamburg.de; https://www.tracingthepast.org/minority-census; http://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=4030&qN=israel; http://www.hamburg.de/kulturbehoerde/auswahl/177504/hochallee-104/ jeweils am 10.7.2017.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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