Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Eduard Wolff * 1870

Spaldingstraße 160 (Hamburg-Mitte, Hammerbrook)


HIER ARBEITETE
EDUARD WOLFF
JG. 1870
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
26. FEB. 1938

Eduard Wolff, geb. 6.12.1870 in Hamburg, Zigarrenherstellung und -handel, türkischer Honorarkonsul, Flucht in den Tod am 26.2.1938

Schöne Aussicht 22, Uhlenhorst (Wohnadresse)
Spaldingstraße 160, Hammerbrook (Betriebsadresse)

Eduard Wolff war das zweitälteste der sieben Kinder von Levy und Hanna Wolff aus Altona. Die jüdischen Brautleute mit damaligen Namen Levy Salomon (Louis) Wolff und Hanna (Gretl) Jacob, genannt Falk, waren am 20. Februar 1867 in Hamburg die Ehe eingegangen. Sie begründeten eine weitverzweigte und wirtschaftlich sehr erfolgreiche Familie, die durch die Verfolgungsmaßnahmen des Nationalsozialismus weitgehend zerstört wurde.

Hanna (Gretl) Jacob, genannt Falk, war am 11. April 1844 in Hamburg zur Welt gekommen. Levy Salomon (Louis) Wolff war am 5. April 1830 in der damals preußischen Stadt Altona geboren worden. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Zigarrenarbeiter, bis er sich als Zigarrenfabrikant selbstständig machte.

Obwohl der preußische Staatsangehörige Levy Salomon (Louis) Wolff in Hamburg lebte und arbeitete, konnte er den preußischen Regierungspräsidenten in Schleswig bewegen, ihm durch Bescheid vom 31. August 1871 zu erlauben, künftig den Namen Levy Wolff zu führen. Kurz darauf, am 26. Januar 1872, erwarb Levy Wolff das Hamburger Bürgerrecht.

Anscheinend entwickelte sich das Geschäft positiv. War von 1869 bis 1871 im Hamburger Adressbuch lediglich eine "Cigarrenfabr. L. M. Wolff" im Tatergang 1 auf St. Pauli verzeichnet, so wurde ab 1873 unterschieden zwischen "Fabrik und Lager von Cigarren" in der Großen Reichenstraße 41 (Hamburg-Altstadt) einerseits und der Wohnadresse in der nicht mehr bestehenden Bohnenstraße 11 zwischen Großer Burstah und Trostbrücke (ebenfalls Hamburg-Altstadt) andererseits.

(Die nicht mehr existierende Straße Tatergang ist jetzt Teil der Straße Pinnasberg. Die Straße erhielt ihren Namen, weil sie – so das Hamburger Adressbuch von 1925 – ein "häufig von Zigeunern (Tatern) begangener Fußweg" war.)

Die Wohnadressen wechselten in den Folgejahren: Esplanade 40, Bei den Hütten 66 (1880-1884), Eimsbüttlerstraße 53 (1885-1891), Eppendorfer Weg 49 (1892-1899).

Zuletzt wohnten Levy Wolff und seine Frau Hanna in der Barcastraße 10 im Stadtteil St. Georg nicht weit entfernt von ihrem Sohn Eduard, der zu der Zeit seinen Wohnsitz in der Straße An der Alster 51 hatte. Levy Wolff starb im Alter von 75 Jahren am 7. Januar 1906. Seine Witwe Hanna Wolff überlebte ihn neunzehn Jahre, bis auch sie im Alter von 91 Jahren am 10. Juni 1925 verschied. Sie wohnte zuletzt in der Averhoffstraße 12 im Stadtteil Uhlenhorst.

Parallel zur Ausdehnung des Zigarrenunternehmens war auch die Familie Wolff gewachsen. Zwischen 1868 und 1882 wurden drei Mädchen und vier Jungen geboren: Rosalie am 10. Januar 1868, Jacob am 21. März 1869, Eduard am 5. Dezember 1870, Martin am 29. April 1873, Wilhelm am 1. August 1875, Anna Henriette am 18. August 1877 und Franziska am 18. September 1882.

Soweit hier nicht für die Entwicklung des Unternehmens bzw. im Zusammenhang mit Eduard Wolff erforderlich, wird Näheres zu dessen Geschwistern weiter unten berichtet.

Levy Wolff führte drei seiner Söhne ab Anfang der 1890er Jahre an die Leitung des nunmehrigen Familienunternehmens heran, zunächst Jacob und Eduard und schließlich auch Wilhelm. 1903 schied der Senior aus dem Unternehmen aus, das nun von den drei Söhnen als Inhaber geleitet wurde.

Das Einkommen aus dem gemeinsamen Unternehmen ermöglichte Levy Wolff als Privatier und den drei Wolff-Söhnen ein großbürgerliches Leben. So wohnte Eduard Wolff, der sich zum eigentlichen Leiter des Familienunternehmens entwickelte, in der Straße An der Alster 51 am östlichen Ufer der Außenalster im Stadtteil St. Georg. 1914 wechselte er in das Nachbarhaus An der Alster 44.

Das Unternehmen L. Wolff hatte seinen Sitz über viele Jahre in der Großen Reichenstraße 41 (1873-1880) und der Alten Gröningerstraße 26 in der Hamburger Altstadt (1881-1912). Es expandierte zu einer der bekanntesten und umsatzstärksten Zigarrenfirmen des Deutschen Reichs mit weiteren Produktionsstätten in Steinbach-Hallenberg und Brotterode im heutigen Landkreis Schmalkalden-Meinigen in Thüringen, in Walldorf im Süden von Thüringen, in Hessisch Lichtenau im heutigen Werra-Meißner-Kreis, in Northeim in Südniedersachsen und in Ludwigshafen am Rhein.

In Hamburg bezog L. Wolff am 1. April 1912 den neu errichteten Kontorhaus-Komplex "St. Georgs-Burg" in der Spaldingstraße 156/182 in Hammerbrook. Jacob Wolff war bereits 1908 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Er blieb zwar Anteilseigner bei L. Wolff, machte sich jedoch mit der Hamburger Cigarren-Handels-A.G. (HACIFA) selbstständig, blieb aber in enger Verbindung zum Familienunternehmen. HACIFA unterhielt Zigarrenläden in vielen Hamburger Stadtteilen.

Nach Jacob Wolffs Ausscheiden aus dem väterlichen Unternehmen führten Eduard und Wilhelm Wolff das Unternehmen zusammen mit dem nichtjüdischen Franz Dunker als Gesellschafter weiter. Als Wilhelm Wolff ausgewandert war, blieben Eduard Wolff und Franz Dunker als Gesellschafter. Franz Dunker war mit Eduard Wolff etwa gleich alt. Er war zunächst Mitarbeiter im Unternehmen gewesen, bis er ab 1913 zum Mitinhaber aufgestiegen war. Diese Gesellschaftererweiterung sollte später noch bedeutsam werden.

Ergänzend zu seinen unternehmerischen Aktivitäten übernahm Eduard Wolff um 1915 ehrenamtlich konsularische Aufgaben für das Osmanische Reich, später für die Türkei. Sein Titel lautete "Kaiserlicher Türkischer Vize-Konsul", so stand es im Hamburger Adressbuch von 1919. Er nahm diese Aufgabe fast bis zu seinem Lebensende wahr. 1915 oder 1916 trat Eduard Wolff aus der Jüdischen Gemeinde aus, zahlte aber bis 1921 seinen Beitrag weiter.

Der viele Jahre als Junggeselle lebende Eduard Wolff kaufte im Mai 1919 das direkt am östlichen Alsterufer gelegene Grundstück Schöne Aussicht 22. Er wohnte dort bis zu seinem Ende. Am 12. Dezember 1928 heiratete er die 23 Jahre jüngere lutherische Arbeitertochter Frieda Johanna Reincke, geboren am 12. März 1893 in Hamburg. Sie hatten keine gemeinsamen Kinder.

Eduard Wolff gehörte zu den Honoratioren Hamburgs und war inzwischen weit über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt. Für den assimilierten Sohn jüdischer Eltern stellte der Machtantritt der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 einen tiefen Einschnitt und den Beginn dramatischer negativer Veränderungen dar. Er war wiederholt Anfeindungen gegen sich und die Firma ausgesetzt, u.a. durch Hetzartikel in der antisemitischen NS-Wochenzeitung "Der Stürmer". Eduard Wolff litt schwer unter den antijüdischen Diskriminierungen. War er früher, besonders als Ehrenkonsul der Türkei, zu den Empfängen und sonstigen Veranstaltungen im Rathaus selbstverständlich eingeladen worden, so hörte dies nun auf. Um Schaden von der Firma abzuwenden, trat er am 25. Juli 1935 schweren Herzens aus der von seinem Vater im Jahre 1867 gegründeten Gesellschaft L. Wolff OHG aus, in der er 44 Jahre Mitinhaber gewesen war. Seine Witwe nach dem Kriege: "Er wäre nie ausgeschieden, wenn er nicht Jude gewesen wäre und stets befürchten musste, dass ihm eines Tages sein Unternehmen bzw. sein Anteil genommen worden würde."

Die Ehepaar Wolff lebte mittlerweile auch privat völlig zurückgezogen in seinem Hause Schöne Aussicht 22. Aber auch hier sollte es keine Ruhe finden, als sich eine "NSDAP-Einrichtung in der Nachbarschaft" (Frieda Wolff) niederließ. Gemeint war offenbar das Luftgaukommando 3 in Schöne Aussicht 16, das nach Eduard Wolffs Tod auch die Nr. 26 und schließlich sogar das Wolff’sche Wohnhaus Nr. 22 in Anspruch nahm. Eduard Wolff stand unter ständiger Beobachtung der Parteileute, sodass er nur selten das Haus verließ. Beleidigende und demütigende Äußerungen waren an der Tagesordnung, wenn sich Eduard Wolff draußen zeigte. Schmährufe wie z.B. "Hier ist die Einbahnstraße nach Jerusalem" oder "Auf nach Jerusalem" gehörten noch zu den harmloseren. Für einen Mann wie Eduard Wolff, der im öffentlichen Leben gestanden und großes Ansehen genossen hatte, war das Leben als Mensch zweiten Ranges mit Ausgrenzung, unendlich vielen Demütigungen und dauernder Verfolgung nicht zu ertragen. Um seine Familie vor weiteren Verfolgungen zu schützen, nahm er sich am 26. Februar 1938 das Leben.

Epilog I
Eduard Wolffs Mitgesellschafter Franz Dunker wurde nunmehr Alleininhaber. Er führte das Unternehmen nach Eduard Wolffs Tod in unveränderter Form fort. Nach dem Kriege berief er sich darauf, dass der Übergang an ihn auf einer Übereinkunft mit Eduard Wolff aus dem Jahr 1923 und späteren Modifizierungen beruhte. Näheres über diese angebliche Verabredung ist uns nicht bekannt. Franz Dunker blieb nach dem Krieg Eigentümer, im Laufe der 1950er Jahre zusammen mit Hans Howindt, einem leitenden Angestellten der HACIFA, der bereits als einer der Vollstrecker des Testaments von Eduard Wolff bzw. als Nachlassverwalter tätig gewesen war.

Aus Beziehungen vor seiner Eheschließung hatte Eduard Wolff zwei Kinder, die er beide adoptierte. Am 17. Juni 1929 nahm er seine Tochter Helene Maria Christine Burmeister, geboren am 7. März 1898 in Rendsburg, an Kindes statt an. Sie wohnte in Hamburg, als sie am 17. April 1920 den Juwelier Walter Ernst Martin Tschirch heiratete. Dieses Ehepaar ließ sich in Rostock nieder, der Heimatstadt von Walter Ernst Martin Tschirch. Helene Maria Christine Tschirch starb dort am 15. Mai 1948 durch Suizid mit Cyankali. Ihr Ehemann folgte ihr am 29. November 1949 auf die gleiche Weise.

Aus Eduard Wolffs Beziehung mit Emma Margarethe Elisabeth Rafael, geboren am 19. Januar 1893 in Hamburg, ging der Sohn Herbert Eduard hervor, geboren am 8. August 1915 in Dresden. Eduard Wolff war offenbar um dessen finanzielle Absicherung besorgt. Er ließ ab 1925 in das Grundbuch für das Grundstück Schöne Aussicht 22 hypothekarische Forderungen nebst Zinsansprüchen seines Sohnes gegen sich eintragen und adoptierte ihn auch, wie aus dessen von Rafael nach Wolff verändertem Nachnamen zu schließen ist. Die Namensänderung ergibt sich aus grundbuchlichen Urkunden, in denen Herbert Eduard Wolffs Adresse nun mit Schöne Aussicht 22 angegeben wurde. Anscheinend hatte Eduard Wolff seinen außerehelichen Sohn nicht nur adoptiert, sondern auch zu sich genommen.

In seinem Testament aus dem Jahre 1935 hatte Eduard Wolff seinen Sohn Herbert Eduard zum Universalerben bestimmt. Zwei Monate nach Eduard Wolffs Tod verunglückte am 29. Mai 1938 dieser jedoch durch einen Autounfall bei Quickborn tödlich. Herbert Eduards leibliche Mutter wurde nun zur alleinigen Nacherbin. Eduard Wolffs Witwe erklärte nach dem Tod des Adoptivsohnes ihres verstorbenen Mannes, dass dieser und Herbert Eduards leibliche Mutter verfeindet gewesen seien. Schließlich schlossen Emma Rafael und Frieda Wolff einen Vergleich.

Frieda Wolff lebte von einem Zinseinkommen wahrscheinlich aus dem Kapital aus diesem Vergleich. Die Testamentsvollstrecker verwalteten das zugrunde liegende Kapital und legten es in Wertpapieren und einem Doppelgrundstück mit Wohnhäusern an. Die Gebäude wurden durch Bombenangriffe zerstört.

Im Mai 1939 verkaufte Emma Rafael als Alleinerbin nach ihrem Sohn Herbert Eduard das Wohngrundstück Schöne Aussicht 22 zum Einheitswert von 1935 in Höhe von 73.000 RM an den Buchdruckereibesitzer Alfred Louis Heinrich Bauer, dem später sehr erfolgreichen Hamburger Zeitungsverleger. An dem Handel waren auch Hans August Howindt und Heinrich Adolf Witten als Testamentsvollstrecker des verstorbenen Eduard Wolff beteiligt. Über Heinrich Adolf Witten ist uns Näheres nicht bekannt. Die Frage des Notars Dr. Ulrich Sieveking, ob an dem Rechtsgeschäft als Vertragsschließender ein Jude beteiligt sei, wurde von den Beteiligten verneint.
Frieda Wolff fand eine Wohnung in die Bellevue 48 in ebenfalls nobler Lage im Stadtteil Winterhude.

Nach dem Kriege erhielt Frieda Wolff zunächst keine Zinsen für ihre Wertpapiere und keine Nutzungsausfallentschädigung für die ausgebombten Häuser. Franz Dunker bedachte sie mit monatlichen Zahlungen, bis die Vermögensverhältnisse geklärt waren.

Ihre Wohnung in der Bellevue 48 musste Frieda Wolff im Frühjahr 1946 räumen, weil das Wohnhaus für die Militärregierung requiriert wurde. Sie erhielt in der Straße Leinpfad 18 als Ersatz ein Zimmer mit Abstellraum. Das Gebäude in der Bellevue wurde jedoch nur teilweise von britischen Militärangehörigen genutzt und stand im Übrigen leer. Anfang Februar 1947 wurde die Beschlagnahme der Wohnung zu Gunsten der Briten aufgehoben, aber nun einem Deutschen, einen Dr. Link, zugewiesen. Frieda Wolff konnte erst nach Intervention des Senatsrates Dr. Strauch von der Beratungsstelle für Wiedergutmachungsansprüche beim Wohnungsamt in ihre Wohnung in der Bellevue 48 zurückkehren. Wir wissen nicht, wie lange sie dort wohnte. Frieda Wolff starb am 15. Januar 1972 in Löhnhorst, Kreis Osterholz.

Die Zentrale der Firmen L. Wolf und HACIFA wurde noch in der letzten Ausgabe des Hamburger Adressbuchs im Jahre 1943 in der Spaldingstraße 156/182 ausgewiesen. Dort residierte ab 1933 auch die dem Deutschen Reich gehörende Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie mbH, die die Wehrmacht bei der Errichtung von Produktionsstätten für Munition unterstützte.

Epilog II
Im Oktober 1944 wurde ein Teil des Gebäudes, das im Gegensatz zum gesamten Stadtteil Hammerbrook von den Bombardements der Alliierten zu großen Teilen verschont geblieben war, zum Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme erklärt und mit ca. 2000 männlichen Häftlingen aus dem KZ Neuengamme belegt. Dort wurde zugleich der SS-Stützpunkt für alle Hamburger Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet.

Nach der Auflösung des Standortes Spaldingstraße im April 1945 wurden die Häftlinge in das Auffanglager Sandbostel in der Nähe von Bremervörde verlegt. Viele von ihnen starben vor und auch noch nach der Befreiung durch britische Truppen am 29. April 1945.

Nach dem Krieg gehörte das Gebäude der "Immobilien Verwertungsgesellschaft (IVG)", der Nachfolgerin der Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie mbH. Nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen mit der "Immobilien Verwertungsgesellschaft (IVG)" wurden am 26. Oktober 2009 zwei Gedenktafeln eingeweiht. Um mögliche Geschäftsschädigung besorgt, wurden die Tafeln wieder entfernt und an versteckter Stelle im öffentlich nicht zugänglichen Hinterhof des Gebäudes angeschraubt. Nach Protesten der Kulturbehörde, der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der Jüdischen Gemeinde Hamburg und von Überlebendenverbänden wurden die Tafeln vom Eigentümer wieder an der Frontseite des Hauses befestigt, jedoch außerhalb eines von Passanten frequentierten Bereichs. Im Mai 2012 eröffnete dort ein Hostel mit 2000 Betten seinen Betrieb. Seitdem informiert im Foyer eine kleine öffentlich zugängliche Ausstellung über die Geschichte des Gebäudes und insbesondere seine Nutzung als KZ-Außenlager.

Das Schicksal der Geschwister Eduard Wolffs
Mehrere der Kinder von Levy und Hanna Wolff lösten sich von der jüdischen Konfession: Rosalie wurde 1918 getauft. Auch ihr Brüder Jacob und Eduard traten aus der Jüdischen Gemeinde aus. Jacob bezeichnete sich dann als konfessionslos und Freidenker. Eduard zahlte einige Jahre die Kultussteuer in Höhe seines bisherigen Beitrags weiter. Anna Henriette trat 1899 zum Protestantismus über.

Rosalie, die älteste der sieben Wolff-Geschwister, heiratete 1868 den Sohn jüdischer Eltern, Max Pniower, dessen jüdische Herkunft sie 1941 bestritt, um ihren Töchtern den eingeschränkten Schutz als nach NS-Terminologie "Mischlingen 1. Grades" und ihrer Enkeltochter Ellen Margarethe Herrmann den eines "Mischlings 2. Grades" zu verschaffen. Eine Entscheidung über die Herkunft Max Pniowers fällte das Gericht jedoch nicht. Rosalie Pniower und ihre Tochter Margarethe Adolfine Hermann kamen in Theresienstadt ums Leben. Ihre Tochter Franziska Dorothea Riess wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet (zu allen siehe www.stolperteine-hamburg.de).

Anna Henriette, Levy und Hanna Wolffs zweite Tochter, heiratete am 11. September 1897 den aus Königsberg stammenden evangelischen Kaufmann Ernst August Bauer. Eduard Wolff hatte an der Eheschließung als Trauzeuge teilgenommen. Das Paar wohnte in der eleganten Parkallee 11 in Harvestehude. Aus der Ehe ging der Sohn Carl Louis Bauer, geboren am 31. Dezember 1899, hervor. Die Familie überlebte die Zeit des Nationalsozialismus in Hamburg bzw. in der Umgebung. Genaueres wissen wir nicht.

Franziska, Hanna und Levy Wolffs dritte Tochter, geboren am 18. September 1892, wurde nicht ganz drei Jahre alt. Sie starb am 27. August 1885 im Israelitischen Krankenhaus.

Jacob, der älteste drei Wolff-Söhne, wohnte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Straße Alsterufer 17 an der Westseite der Außenalster im Stadtteil Rotherbaum. Er wechselte etwa 1906 in ein Herrenhaus in der Badestraße 28, ebenfalls im Stadtteil Rotherbaum.

Jacob Wolff muss ein sehr aktiver und umtriebiger Mann gewesen sein. Er war bereits im Jahr 1912 aus dem orthodoxen Synagogenverband ausgetreten, nicht aber aus anderen jüdischen Vereinigungen. Obwohl konfessionslos, wie er sich selbst bezeichnete, zog er eine ihm beim Militär mehrfach nahegelegte Konversion zum christlichen Glauben nicht in Betracht. Infolge seiner Erfahrungen während seines Wehrdienstes in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich Jacob Wolff zum Pazifisten entwickelt. Dennoch meldete er sich am 2. August 1914 als Freiwilliger zum Heer, wegen seines fortgeschrittenen Alters aber ohne Erfolg. Nachdem er eine Fliegerausbildung selbst finanziert hatte, wurde er 1915 mit eigenem Flugzeug als Freiwilliger aufgenommen. Am 27. Juli 1917 stürzte er schwer verwundet nahe der Frontlinie in Frankreich ab.

Jacob Wolff war dreimal verheiratet. 1893 ehelichte er die jüdische Frankfurterin Alice Schottländer, die 1897 starb. Aus dieser Ehe stammte die Tochter Ilse, verheiratete Heuer. 1913 kam es zur Ehe mit der 1892 in Dockenhuden/ Blankenese geborenen konfessionslosen Annemarie Elisabeth Tanck. Diese Ehe wurde 1916 geschieden. Schließlich kam es im April 1918 mit der 32 Jahre jüngeren lutherischen Elsa Hermine Agnes Schirmer, geboren am 17. August 1898, zur dritten Ehe. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, zwei Töchter und ein Sohn. Der Sohn Eberhart Hans Heinrich kam 1942 im Zweiten Weltkrieg als Angehöriger der Luftwaffe ums Leben. Jacob Wolff selbst erlag im Dezember 1926 den Folgen eines im Sommer 1926 erlittenen schweren Motorradunfalls. Seine Witwe heiratete in zweiter Ehe den Reeder John T. Essberger. Sie trat 1933 der NSDAP bei. Nach ihren eigenen Erklärungen im Entnazifizierungsverfahren war sie dazu von einem Vertrauensmann der Partei zum Schutz ihrer drei "halbjüdischen" Kinder aus erster Ehe gedrängt worden. Ihre Mitgliedschaft wurde durch einen "Gnadenerlass des Führers" 1939 aufgehoben. (Elsa Essberger trat nach dem Krieg als Kunstmäzen in Hamburg in Erscheinung.)

Wilhelm Wolff, der zeitweise der Geschäftsleitung der L. Wolff oHG angehört hatte, soll 1927 ausgewandert sein.

Über eine Beteiligung von Martin Wolff, dem vierten Sohn von Levy und Hanna Wolff, an dem Zigarrenunternehmen wissen wir nichts. Er wanderte nach Südafrika aus. Martin Wolff, geboren am 29. April 1873, war mit der jüdischen Kaufmannstochter Therese Julie Cohn, geboren am 20. März 1879 in Hamburg, verheiratet gewesen. Die Ehe wurde im März 1918 geschieden. Als die Devisenstelle des Präsidenten der Oberfinanzdirektion 1939 Martin Wolff vorlud, wurde ihr mitgeteilt, dass er sich "schon seit vielen Jahren in Australien befindet". Näheres über sein weiteres Leben kennen wir nicht.

Therese Wolff, geborene Cohn, heiratete im September 1919 den ebenfalls jüdischen Kaufmann Leon Lilienfeld, geboren am 30. Dezember 1881 in Hamburg. Sie wohnten in der Hansastraße 6, bis sie in das sog. Judenhaus in der Bundesstraße 35c wechseln mussten. Sie wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga, Jungfernhof, deportiert und ermordet.

Stand: November 2023
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 7; 9; Hamburger Adressbuch, diverse Jahrgänge; StaH 213-13 Landgericht Hamburg – Wiedergutmachung 6647, 13383 Pniower Rosalie, 16802 Wolff Martin Erben, 314-15 Oberfinanzpräsident (Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle) R 1940/1047 Wolff Martin, 331-5_3 Akten 459/1938 (Eduard Wolff), 332-3 Zivilstandsaufsicht Geburtsregister A 259 Nr. ??/1875 (Wilhelm Wolff), Heiratsregister 332-5 Standesämter 13086 Geburtsregister Nr. 86/1898 (Carl Louis Walter Bauer), 1911 Nr. 4013/1877 Anna Henriette Wolff, 2033 Nr. 4575/1882 (Franziska Wolff), 2304 Nr. 669/1893 Frieda Johanna Reincke, 2432 Nr. 2610 (Ilse Wolff), 2884 Heiratsregister Nr. 816/1897 (Ernst August Bauer/Anna Henriette Wolff), 3379 Nr. 431/1920 (Walter Ernst Martin Tschirch/ Helene Maria Christine Burmeister), 8602 Nr. 5/1900 (Martin Wolff/Therese Julie Cohn), 5745 Nr. 42/1913 (Jacob Wolff/ Annemarie Elisabeth Tanck), 8716 Nr. 17/1917 (Ilse Wolff/Paul Rudolf Heuer) 3574 Nr. 684/1928 Eduard Wolff/Frieda Johanna Reincke, 184 Sterberegister Nr. 2723/1885 (Franziska Wolff), 6866 Nr. 30/1906 Levy Wolff, 4919 Nr. 191/1942 Eberhardt Hans Heinrich Wolff, 6866 Nr. 30/1906 (Levy Wolff), 7051 Nr. 540/1925 Hanna Wolff, 7204 Nr. 221/1938 (Eduard Wolff), 8086 Nr. 506/1926 (Jacob Wolff), 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht A I e 40 Bd. 8 Nr. 3335 Levy Wolff, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1643 (Eduard Wolff), 15179 Wolff Frieda; Standesamt Berlin III, Heiratsregister Nr. 464/1896 Jacob Wolff/Alice Schottländer; Standesamt Frankfurt/M 903_8907 Geburtsregister (Alice Schottländer); Standesamt Rendsburg, Geburtsregister Nr. 79/1898 (Helene Maria Christine Burmeister); Standesamt Rostock, Sterberegister Nr. 836/1948 (Helene Maria Christine Tschirch), Nr. 1895/1949 (Walter Ernst Martin Tschirch); Grundbuchamt St. Georg, Grundbuch Uhlenhorst Band 36 Band 1601; Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945. Hamburger Biografie Personenlexikon, Hrsg. F. Kopitzsch/D. Brietzke, Wolff Johannes Jacob (Jacob)., Bd. 7, S. 359 ff. Einzelheiten zu Elsa Wolff-Essberberger, siehe https://www.hamburg.de/clp/zwangsarbeiterinnen-valvofrauen/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3973&cM=107 (Zugriff am 30.7.23)
https://www.abendblatt.de/kultur-live/article106856973/Warum-ich-Hamburg-den-Liebermann-schenkte.html (Zugriff am 30.7.2023);
Einzelheiten zu Jacob Wolff, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Wolff (Zugriff am 30.7.23); https://www.uni-kassel.de/gis/KULADIG/Losse/KLK/KLKL/KLK_E_CH_4004.html "Die Wolffsche Zigarrenfabrik.pdf (Zugriff am 30.7.2023); https://www.northdata.de/Hacifa+Hamburger+Cigarren+Handels+Gesellschaft+L.+Wolff+%28GmbH+%26+Co.+KG%29,+Hamburg/HRA+67177 (Zugriff am 30.7.2023)
https://de.wikipedia.org/wiki/Verwertungsgesellschaft_für_Montanindustrie (Zugriff am 30.7.2023).
Zum früheren KZ-Außenlager Spaldingstraße St. Georgs-Burg:
https://gedenkstaetten-in-hamburg.de/gedenkstaetten/zeige/kz-aussenlager-spaldingstrasse-st-georgsburg; https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/aussenlagerliste/hamburg-hammerbrook-spaldingstrasse/ (Zugriff 5.8.2023); https://www.google.com/search?client=safari&rls=en&q=ha6_1_6_thm_2040.pdf&ie=UTF-8&oe=UTF-8 (Zugriff am 5.8.2023); https://de.wikipedia.org/wiki/Verwertungsgesellschaft_für_Montanindustrie#:~:text=Die%20Verwertungsgesellschaft%20für%20Montanindustrie%20mbH,Mantelgesellschaft%20ohne%20operatives%20Geschäft%20fungierte.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang