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Delfred Jacob * 1883

Pilatuspool 15 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
DELFRED JACOB
JG. 1883
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Pilatuspool 15:
Jenny Jacob

Delfred Jacob, geb. am 29.4.1883 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Jenny Jacob, geb. Hammerschlag, geb. am 3.9.1886 in Gudensberg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Pilatuspool 15

Der jüdische Kaufmann Aron Jacob (geb. 16.2.1857), Sohn eines Mützenmachers aus Lissa in Posen, hatte seine Heimat als junger Mann verlassen und sich in Hamburg am Großneumarkt 32 niedergelassen. Am 16. Februar 1883 hatte er Hannchen Salomon (geb. 26.12.1855) geheiratet. Diese stammte aus Schleswig, ebenfalls aus einer jüdischen Familie, und lebte nun mit ihrer verwitweten Mutter Rosa Salomon, geb. Abraham zusammen in Hamburg in der nahe gelegenen Peterstraße 65. Ihr Vater, der "Handelsmann" Jacob Moses Salomon, war zum Zeitpunkt der Eheschließung seiner Tochter bereits verstorben.

Aron und Hannchen Jacobs erstes von acht Kindern war am 29. April 1883 in der 1. Marienstraße 20 (ab 1940 Jan-Valkenburg-Straße) geboren worden und erhielt den Vornamen Delfred. Es folgten Frieda (geb. 4.8.1884), John (geb. 4.9.1885), Seraphine (geb. 18.4.1887, gest. 18.7.1887), Martha (geb. 3.5.1888), Zerline (geb. 16.8.1889), Anna (geb. 10.2.1891) und Leopold Friedrich (geb. 17.12.1893).

1889 war Familie Jacob in die Straße "Bei den Hütten" 97 (heute Hütten), 1898 in die Wexstraße 15 gezogen. Aron Jacob arbeitete nun als Redakteur und Verleger, er vertrieb den "Norddeutschen Verlobungs-Anzeiger". Wie viele Jüdinnen und Juden wechselten auch Aron Jacob und seine Familie von der Neustadt in eine bessere Wohngegend. Im April 1910 zogen sie in die Rutschbahn 26 ins Grindelviertel.

Delfred und sein Bruder Leopold Friedrich nahmen am Ersten Weltkrieg teil. Der jüngere Leopold wurde im Alter von 22 Jahren am 9. November 1916 bei Stankewitschi in Russland getötet. Delfred kehrte im Dezember 1918 aus dem Krieg zurück und schloss sich zunächst den "Bahrenfelder Freikorps" an.

1922 heiratete er die Witwe Jenny Bielefeld, geb. Hammerschlag. Jenny war am 3. September 1886 in Gudensberg einer Kleinstadt in Hessen als Tochter von Jakob Hammerschlag (geb. 13.5.1854) und Mathilde, geb. Kugelmann (geb. 2.2.1863) geboren worden. Ihre ältere Schwester Ida war am 10. Februar 1885 zur Welt gekommen, der jüngere Bruder Jakob am 8. Oktober 1888 in Hebenshausen. Der Vater Jakob Hammerschlag war als "Handelsmann" (Kaufmann) und auch als Metzger tätig. Er verstarb kurz vor der Geburt seines Sohnes Jakob im September 1888 in Rotterdam, vermutlich während einer Geschäftsreise. Jakob wurde nur 10 Tage alt und auch seine Schwester Ida muss früh verstorben sein, da Jenny später angab, keine Geschwister zu haben.

In erster Ehe hatte Jenny am 23. Dezember 1913 in Hamburg den Handlungsgehilfen Martin Bielefeld (geb. 16.4.1881) geheiratet. Martin Bielefeld war als Soldat im Ersten Weltkrieg durch einen Beckenschuss schwer verletzt worden und am 26. Juli 1918 im Reservelazarett V in Altona an einer Blutvergiftung verstorben (für Martins Bruder Leopold Bielefeld liegt ein Stolperstein im Grindelhof 83, s. Stolpersteine in Hamburg Grindel II).

Delfred zog nach der Eheschließung zu Jenny in die Marienstraße 47, wo das kinderlose Ehepaar die nächsten dreizehn Jahre lebte. Delfred Jacob arbeitete als Fotograf, an den Landungsbrücken hatte er sich mit einer "Fotografischen Aufnahme" selbstständig gemacht. Nach dem Tod seines Vaters am 10. Juli 1919 sorgte er zunächst für den Lebensunterhalt der Mutter. Hannchen Jacob erhielt dann für den "Verlust" ihres Sohnes Leopold vom Versorgungsamt eine einmalige Unterstützung in Höhe von 60 Reichsmark (RM) und wurde von der Jüdischen Gemeinde mit 5 Reichsmark wöchentlich unterstützt.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde Delfred Jacob der Pachtvertrag am Hafen wegen seiner jüdischen Herkunft nicht mehr verlängert. Mit Unterbrechung bis September 1935 fuhr er auf dem Dampfer "Jan Molsen", ein Ausflugsschiff der HADAG, zwischen Hamburg und Cuxhaven als Fotograf zur See. Diese Tätigkeit war jedoch auf die wenigen Sommermonate beschränkt. Das Ehepaar Jacob geriet in wirtschaftliche Not und musste staatliche Unterstützung beantragen. Ihre 4-Zimmerwohnung in der Marienstraße konnten sie trotz der Einnahme von Untermiete nicht mehr halten. Sie fanden eine kleinere 2½-Zimmerwohnung in der vierten Etage der Carolinenstraße 16, die sie sich mit der Witwe "Frau Engländer" teilten. Das Wohlfahrtsamt beschrieb die Wohnung als gut bürgerlich eingerichtet und sauber gehalten.

Als Erwerbsloser und Wohlfahrtsempfänger musste Delfred Jacob "Pflichtarbeit" im Hafen leisten, zunächst am Hachmannkai, dann in Waltershof. Im Februar 1937 zogen Jenny und Delfred Jacob als Hauptmieter in den Pilatuspool 15. Die dortige 4½-Zimmerwohnung versuchten sie wieder durch Untervermietung zu finanzieren. 1937 wurde Delfred Jacob gezwungen, seinen Gewerbeschein abzugeben, seine Fotoausrüstung hatte er bereits aus finanziellen Gründen veräußern müssen. Jenny Jacob versuchte zum Lebensunterhalt mit beizutragen, seit April 1937 arbeitete sie als "Gläserspülerin" in der Firma "Arno Honiglager" in der Meissnerstraße 15a, wo sie allerdings nur geringfügig verdiente. Im Februar 1938 fand Delfred Jacob für kurze Zeit eine Aushilfsstelle als Bote in der Firma "Arthur Meyer Herrenmoden" Große Bleichen 20. Im Juni 1938 musste er wieder "Pflichtarbeiten" leisten, diesmal in Buxtehude und zuletzt in Moorredder. Ende 1938 konnte sich das Ehepaar Jacob auch die Wohnung im Pilatuspool nicht mehr leisten, ihre bisherigen Untermieter waren emigriert. -Delfred und Jenny Jacob zogen nun selbst als Untermieter in die Dillstraße 16 zu Horwitz und konnten nur einen Teil ihrer Möbel mitnehmen.

Am 3. August 1940 starb Delfreds Mutter Hannchen Jacob im Jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee 54. Bis zu ihrem Tod hatte sie im Haushalt ihrer verwitweten Tochter Anna Sekkel, geb. Jacob und der Enkeltochter Resi in der Rappstraße 2 gewohnt. Anna Sekkel hatte im Alter von 22 Jahren am 11. September 1913 den Handlungsgehilfen Alfred John Sekkel (geb. 13.9.1886) geheiratet, Sohn des Schneiders Abraham Sekkel (geb. 26.7.1852, gest. 23.2.1929) und Giedel, geb. Mormelstein (geb. 26.3.1856, gest. 17.4.1937). Am 9. Juni 1914 war die gemeinsame Tochter Resi geboren worden. Auch Alfred Sekkel kehrte aus dem Ersten Weltkrieg nicht zurück, er war am 13. Oktober 1915 durch einen Kopfschuss bei Loos getötet worden (s. zur Familie Sekkel auch Julius Pilatus).

Anna Sekkel erhielt eine "Kriegerwitwenrente" in Höhe von 57,45 Reichsmark und für ihre Tochter Resi eine Zusatzrente von 44,90 Reichsmark monatlich. Zudem arbeitete sie stundenweise als Kontoristin. Vier Räume ihrer 6½-Zimmerwohnung in der Rappstraße waren untervermietet, wodurch sich die Wohnung finanzierte.

Tochter Resi besuchte bis Ostern 1931 das Israelitische Lyzeum in der Bieberstraße 4 und absolvierte im Anschluss eine Schneiderlehre im "Mode-Salon Eduard Krämer" in Berlin. Um 1937 arbeitete sie bei der Schneidermeisterin Sylvia Mitz (geb. 22.6.1894, ermordet am 10.5.1942 im Vernichtungslager Chelmno, s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel) "Kleiderwerkstätten" in der Schlankreye 43 und zuletzt im Modehaus der Gebrüder Robinsohn. Am 2. September 1938 heiratete sie Leonhard Podlescher (geb. 24. 6.1909 in Berlin), der seit 1936 bei ihnen als Untermieter wohnte.

Resi und Leonhard Podlescher gelang es im Oktober 1939 über Antwerpen nach New York zu emigrieren, dort änderten sie ihren Nachnamen und nannten sich Palmer.

Am 8. November 1941 wurden Jenny und Delfred Jacob gemeinsam mit Delfreds Schwester Zerline und dessen Ehemann Hermann Peritz (geb. 16.9.1882) nach Minsk deportiert und dort ermordet.

An Zerline und Hermann Peritz erinnern Stolpersteine in der Wandsbeker Chaussee 104 (s. Stolpersteine in Hamburg-Eilbek).

Das Ehepaar Peritz hatte erst 1940 geheiratet und erhielt seinen Deportationsbefehl im "Judenhaus" in der Heinrich-Barth-Straße 8. Für beide war es die zweite Ehe, er war seit 1940 Witwer, sie seit 1936 geschieden. Zerline war nach der Trennung von ihrem Mann, dem Kaufmann Jacob Träger (geb. 2.8.1886 in Rzeszow/Galizien) im März 1933 aus Essen nach Hamburg zurückgekehrt. Zunächst fand sie Aufnahme bei ihrem Bruder Delfred und Schwägerin Jenny. Seit Ende 1933 wohnte sie bei ihrer Schwester Anna Sekkel in der Rappstraße 2. Nachdem der Versuch, sich einen "Hausierhandel" mit Seifen und Schürzen aufzubauen, gescheitert war, führte sie den gemeinsamen Haushalt gegen Kost und Logie. Hermann Peritz, früher als selbstständiger Schuhwarenhändler tätig, musste als Erwerbsloser "Pflichtarbeit" leisten und wohnte als Untermieter bei ihnen.

Anna Sekkel erhielt ihren Deportationsbefehl nach einem Umzug in die Grindelallee 68 zusammen mit ihrer älteren Schwester Frieda Warneck, geb. Jacob, aus der Rutschbahn 15 und deren Tochter Ruth (geb. 5.10.1920). Frieda hatte am 30. Mai 1919 den nichtjüdischen Juwelier Wilhelm Adolf Warneck (geb. 14.4.1887 in Huchenfeld/ Baden) geheiratet, im Februar 1932 hatte sich das Ehepaar scheiden lassen. Frieda Warneck war nicht erwerbstätig und erhielt seit 1936 Fürsorgeunterstützung. Tochter Ruth hatte nach ihrer Schulzeit die Haushaltsschule im Paulinenstift im Jüdischen Mädchen Waisenhaus besucht und wohnte zuletzt als Pflegerin im Jüdischen Altenheim in der Schäferkampsallee 29, wo sie Verpflegung und 5 Reichsmark Taschengeld erhielt. Ihre Hoffnung als Hausangestellte nach England oder Schweden ausreisen zu können, erfüllte sich nicht. Anna Sekkel, sowie Frieda und Ruth Warneck wurden am 6. Dezember 1941 in das Außenlager Jungfernhof des Gettos Riga deportiert. Ruth gehörte zu den wenigen Arbeitsfähigen, die nach der Massenerschießungsaktion im März 1942 in das Getto Riga eingewiesen wurden. Von dort kam sie am 1. Oktober 1944 in das KZ Stutthof, wo sich ihre Spur verliert.

Die zweitälteste Schwester von Delfred, Martha Cohn, geb. Jacob nahm sich, nachdem ihre Geschwister deportiert worden waren, am 15. Dezember 1941 in der Rappstraße 24 das Leben. Auf ihrer Sterbeurkunde wurde vermerkt "Gas- und Schlafmittelvergiftung Suicidium".


Stand: September 2019
© Susanne Rosendahl

Quellen: 5; 6; 8; 9; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1321 (Jacob, Delfred); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1321 (Jacob, Hannchen); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1321 (Peritz, Hermann); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 18807 (Sekkel, Anna); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1974 (Warneck, Frieda); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1959 (Träger, Zerline); StaH 351-11 AfW 34951 (Palmer, Leonard); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafsachen 4068/40; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafsachen 5847/40; StaH 332-5 Standesämter 2629 u 1012/1881; StaH 332-5 Standesämter 2653 u 114/1883; StaH 332-5 Standesämter 2054 u 2077/1883; StaH 332-5 Standesämter 2081 u 3664/1884; StaH 332-5 Standesämter 2106 u 4281/1885; StaH 332-5 Standesämter 2152 u 2009/1887; StaH 332-5 Standesämter 2176 u 2231/1887; StaH 332-5 Standesämter 2201 u 3487/1889; StaH 332-5 Standesämter 2253 u 754/1891; StaH 332-5 Standesämter 2319 u 4719/1893; StaH 332-5 Standesämter 8689 u 245/1913; StaH 332-5 Standesämter 3218 u 677/1913; StaH 332-5 Standesämter 788 u 759/1918; StaH 332-5 Standesämter 8728 u 240/1919; StaH 332-5 Standesämter 8053 u 475/1919; StaH 332-5 Standesämter 9840 u 576/1929; StaH 332-5 Standesämter 8144 u 213/1937; StaH 332-5 Standesämter 8168 u 406/1940; StaH 332-5 Standesämter 8174 u 445/1941; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; https://www.ancestry.de. (Geburtsregister Jenny Hammerschlag in Gudensberg (Zugriff 30.3.2017); https://www.ancestry.de. (Geburtsregister Ida Hammerschlag in Gudensberg (Zugriff 30.3.2017); https://www.ancestry.de. (Geburtsregister Jakob Hammerschlag in Hebenshausen (Zugriff 30.3.2017); http://cuxpedia.de/index.php?title=Jan_Molsen (Zugriff 23.4.2017); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Ruth Warneck (Gedenkblatt).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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