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Isidor Selig * 1890

Bornstraße 20 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Bornstraße 20:
Lina Selig, Werner Selig, Ernst Selig

Ernst Selig, geb. 29.11.1922, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum am 22.1.1945 im KZ Flossenbürg
Werner Selig, geb. 30.8.1921, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Isidor Selig, geb. 28.1.1890, 1938 KZ Sachsenhausen, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Lina Selig, geb. 15.3.1895, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Isidor S. stammte aus einer orthodox-jüdischen Familie in Friedrichstadt. Er hatte eine kaufmännische Lehre absolviert und 1920 die Ostfriesin Lina geb. Schönthal in Oldenburg geheiratet. Die Söhne Werner und Ernst wurden in Friedrichstadt geboren.

In den 1930er Jahren lebte die Familie in der Eimsbüttler Sillemstraße, dann in der Grindelallee, bis es in die Bornstraße zog. Isidor S. betätigte sich von 1920 bis 1927 als selbständiger Kaufmann, dann bis 1930 als Provisionsvertreter, arbeitete anschließend zeitweise für die Wach- und Schließgesellschaft und als Vorarbeiter. Danach betrieb er einen Zeitungsstand, den er im Juni 1935 verkaufen mußte.

Danach fand er keinen dauerhaften Arbeitsplatz mehr. Er versuchte sich nicht sehr erfolgreich als Werber, mußte aber für seine Familie und sich schließlich Fürsorgeunterstützung beantragen und wurde zur "Pflichtarbeit" herangezogen.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde er im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Den Zwangsnamen "Israel" mußte er nicht annehmen, weil "Isidor" zu den Namen zählte, die eine Person nach Meinung der Machthaber schon als jüdisch auswiesen. 1939 bemühte er sich um Auswanderung für sich und seine Familie nach Bolivien, wo er als Wegebauer und Gartengestalter zu arbeiten hoffte. Die Passage der vierköpfigen Familie hätte der Jüdische Hilfsverein bezahlt. Im März 1939 reichte Isidor S. die Umzugsliste ein. Nachdem geklärt worden war, daß an "wertvollem" Schmuck nur die Trauringe und eine Armbanduhr aus Silber vorhanden waren, ein Zigarettenetui hingegen aus Bakalit und zwei Brillen aus Horn gefertigt waren, galten die Bedenken der Devisenstelle als ausgeräumt.

Auch das Gepäck wurde ohne Beanstandungen geprüft. Es handelte sich nur um alte, getragene Sachen. Allein, das Visum ließ auf sich warten. So teilte S. dem Oberfinanzpräsidenten am 1. Mai 1939 mit, "dass ich die Pässe noch nicht abgefordert habe, da die mir am 2. März avisierte Visumserteilung per 15. März bis heute noch nicht in meinem Besitz ist, und da ich infolgedessen nicht weiss, wohin ich auswandern soll." Im Juli dann bat er um eine möglichst schnelle Packerlaubnis, "dass ich noch in dieser Woche reisen kann". Doch inzwischen war die Genehmigung zum Empfang der Pässe ungültig geworden. Die Familie S. hatte sich im Gewirr der Vorschriften verfangen, ihre Auswanderung scheiterte.

Isidor S. nahm Arbeit auf See an, in seiner Akte ist mit Datum vom 25. September 1939 vermerkt:"Gehört zur Besatzung des Walfängers ‚Windhund’, Ausreise einstweilen unmöglich." Sie wurde auch nicht wieder möglich. Als Isidor S. zurück in Hamburg war und mit seiner Familie in der Bornstr. 20 zur Untermiete lebte, traf der Deportationsbefehl nach Minsk für alle vier dort ein. Isidor S hatte zwei Brüder, die rechtzeitig in die USA gegangen waren. Doch seine Familie und er wie auch seine Schwester Flora und sein 97jähriger (!) Vater, die nach der "Arisierung" ihres Grundbesitzes in Friedrichstadt 1939 in die Bornstr. 7a gezogen waren, wurden abtransportiert, Flora und ihr Ehemann am 8. November 1941 nach Minsk, der Vater Jacob am 9. Juni 1943 nach Theresienstadt, wo er am 12. September 1943 verstarb.

Sohn Ernst S., dessen Beruf in der Deportationsliste als Textilkaufmann angegeben wurde, überlebte im Gegensatz zu seinen Eltern und seinem Bruder, dem Kontoristen Werner S. die mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen und wiederholten Massenerschießungen in Minsk. Am 1. September 1943, kurz vor der Auflösung des Ghettos, wurde er zusammen mit den Hamburger Leidensgenossen Erwin Vogel und Heinz Rosenberg vom Ghetto in das Konzentrationslager Minsk überstellt. Von dort wurden sie in das Zwangsarbeiterlager Budzyn verschleppt, wo die Häftlinge für die Heinkel-Werke schufteten. Anschließend gelangten sie in das ca. 150 km östlich von Krakau gelegene Lager Rzeszow ("Reichshof"), wo sie ins Lager A, dem "Jüdischen Zwangsarbeiterlager" eingewiesen wurden. Von dort gelangten sie in das KZ Plaszow in einem Vorort von Krakau. Das Lager leitete der berüchtigte Amon Goeth, dessen Grausamkeiten Steven Spielberg im Film "Schindlers Liste" darstellte.

Am 4. August 1944 schließlich trafen Ernst S. und seine Leidensgefährten im Konzentrationslager Flossenbürg in Bayern ein. Er erhielt die Häftlingsnummer 16054 und wurde in der Häftlingskategorie "J.Rd." (=jüdischer Reichsdeutscher) registriert. Vom Hauptlager Flossenbürg wurde er in das KZ-Außenlager Hersbruck verlegt, wo mehrere tausend Häftlinge Stollen für ein unterirdisches Flugzeugmotorenwerk von BMW anlegen mußten. Am 24. Dezember 1944 wurde Ernst S. mit anderen ausgezehrten, kranken und arbeitsunfähigen Häftlingen ins Hauptlager Flossenbürg "rücküberstellt". Dort starb er am 22. Januar 1945.

© Beate Meyer

Quellen: StaH, 522-1, Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs; ebd., 314-15, Oberfinanzpräsident, FVG 5900; 522-1 Jüdische Gemeinden 992e; Heinz Rosenberg, Jahre des Schreckens. ... und ich blieb übrig, dass ich Dir’s ansage, Göttingen 1985; Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Gedenkbuch, Hamburg 1995; Auskunft U. Fritz, KZ Gedenkstätte Flossenburg v. 17.11.2005; Amt f. Wiedergutmachung 2801 90.

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