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Erika Simon (geborene Sternfeld) * 1900

Rothenbaumchaussee 187 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
ERIKA SIMON
GEB. STERNFELD
JG. 1900
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Rothenbaumchaussee 187:
Julius Simon

Erika Simon, geb. Sternfeld, geb. 16.2.1900 in Danzig, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz

Rothenbaumchaussee 187

Erika Sternfeld war das erstgeborene Kind des jüdischen Kaufmanns Richard Sternfeld (geb. 11.9.1872 in Danzig) und dessen Ehefrau Magda Sternfeld, geb. Jacoby (geb. 5.1.1876 in Braunsberg/ Ostpreußen). Vierzehn Monate nach Erika kam der Bruder Arthur zur Welt, ebenfalls als Hausgeburt. Die Familie wohnte in Danzig in der Heilige-Geistgasse 115 (u.a. 1900-1903) und Pfefferstadt 77 (u.a. 1907-1912).

Der in Danzig geborene Großvater Eduard Aron Sternfeld (1837-1907) lebte als Kaufmann mit Ehefrau Adele Sternfeld, geb. Jacoby (geb. 1846 in Braunsberg) und den Kindern in der Breitgasse 131/132 (u.a. 1870-1875) und danach als Hauseigentümer in der Breitgasse 82 (u.a. 1890-1907), die mit dem Krantor zum Weichselzufluss Mottlau abschloss. Er betrieb ganz in der Nähe seiner Wohnung ein Geschäft für Herrengarderoben. Eduard Sternfeld war von 1886 bis 1901 Mitglied im fünfzehnköpfigen Repräsentanten-Gremium der Danziger Synagogengemeinde, die 1883 durch den Zusammenschluss von fünf Gemeinden entstanden war. Die reformierte Synagoge in der Breitgasse 130/131 wurde 1887 nach Eröffnung der Großen Synagoge (An der Reitbahn 11/13) geschlossen.

Erikas Vater war ab 1904 Mitinhaber der Großhandelsfirma für Kaffee und Kolonialwaren Sternfeld & Vogel. Mit seiner Familie zog er um 1913 aus der Danziger Altstadt in die nordwestlich gelegene Danziger Vorstadt Langfuhr in den Uphagenweg 7. Vermutlich besuchte Erika Sternfeld von 1906 bis 1916 in Danzig eine Höhere Mädchenschule (Lyzeum). Ihr Bruder absolvierte die Oberrealschule der renommierten St. Petri und Pauli-Schule in Danzig am Hansaplatz. Üblicherweise gehörte zur familiären Erziehung von Kindern gutbürgerlicher Kreise auch der private Musikunterricht sowie der Besuch einer Tanzschule.

Ab Januar 1920 wurde die Stadt Danzig entsprechend dem Versailler Friedensvertrag aus dem Deutschen Reich ausgegliedert und als "Freie Stadt Danzig" ein teilautonomer Freistaat unter Völkerbundaufsicht. Die große Mehrheit der Danziger Bevölkerung war gegen diese Separierung, deshalb gab es im Frühjahr 1919 drei Großdemonstrationen. Auch die Danziger Synagogengemeinde sprach sich gegen die Loslösung vom Deutschen Reich aus. 1919 verließ Erika (und vermutlich 1922 ihr Bruder Arthur) das Elternhaus und die Stadt. Die Abwanderung in andere Städte und der Austritt aus der Jüdischen Gemeinde Danzigs führten bereits um 1900 zu sinkenden Mitgliederzahlen. Auch zwei Onkel von Erika hatten um 1900 die Stadt in Richtung Berlin verlassen. In der schwierigen Zeit nach dem Krieg kandidierte Richard Sternfeld zweimal als Repräsentant für die Danziger Synagogengemeinde und bekleidete dieses Amt von 1919 bis 1925. Im Jahr darauf wurde seine Firma Sternfeld & Vogel letztmalig im Danziger Adressbuch (Milchkannengasse 25) verzeichnet. Die Eltern von Erika wurden 1927 geschieden, Magda Sternfeld zog nach Berlin, Richard Sternfeld starb 1934 in Danzig.

Im Mai 1919 heiratete Erika Sternfeld in Danzig-Langfuhr den Hautarzt Dr. Julius Simon, der am 28.4.1883 in der westpreußischen Kreisstadt Culm an der Weichsel, rund 120 km südlich von Danzig, geboren worden war. Es war üblich, dass die Hochzeit am Wohnort der Braut stattfand. Ihr Ehemann hatte sich nach Medizinstudium und Tätigkeit an einer Hautklinik 1913 in Hamburg als "Spezialarzt für Haut- und Harnleiden" mit einer eigenen Praxis selbständig gemacht.

Erika Simon zog zu ihrem Ehemann nach Hamburg und wohnte mit ihm für rund zwei Jahre am Mundsburger Damm 48 (Uhlenhorst), zwischen den Querstraßen Immenhof und Birkenau.

Im Februar 1920 kam die Tochter Gisela in Hamburg zur Welt. Sie besuchte ab 1926 die Privatschule für Mädchen von Ria Wirth am Mittelweg 90 (Harvestehude) und wechselte im Frühjahr 1930 auf das staatliche Realgymnasium für Mädchen in der Curschmannstraße 39 (Hoheluft-Ost), das sie im Frühjahr 1936 mit der Mittleren Reife verließ.

1921 erwarben die Eheleute Simon das Haus Oderfelder Straße 8/ Ecke Klosterstern (Harvestehude), das zu einer vierteiligen Stadthausgruppe "in gehobener Wohnlage" gehörte und 1899/1900 im Hamburgischen Heimatstil erbaut worden war. Es ist anzunehmen, dass ein Dienstmädchen sowie eine Köchin und eventuell auch noch eine Erzieherin für die Tochter in dem geräumigen Haus angestellt waren.

Von dem fünfgeschossigen Haus wurden die unteren drei Ebenen von Familie Simon bewohnt, der 2. Stock und der Dachboden wurden vermietet. Das Erdgeschoss nahmen der Salon mit dem Steinway-Flügel, dem Notenschrank, Teppichen und Ölbildern, einem modernen elektrischen Grammophon und der Plattensammlung sowie Sitzecken und Teewagen ein. Ebenfalls im Erdgeschoss befanden sich das Speisezimmer und das Herrenzimmer mit Tür zur Veranda. Im 1. Stock lagen Elternschlafzimmer, Kinderzimmer, Fremdenzimmer, Biedermeierzimmer und Badezimmer mit Badewanne. Im Keller befanden sich die Küche mit modernem Gasherd und Eisschrank, Speisekammer, Weinkeller, Heizraum und Kohlenkammer, Waschküche sowie Dienstmädchenzimmer und Badezimmer.

Auch der Bruder Arthur Sternfeld lebte seit mindestens September 1922 in Hamburg, er wohnte allerdings nicht bei Schwester und Schwager, sondern zur Untermiete in der Gosslerstraße 10 III. Stock/ Eppendorf bei Landmesser K. F. W. Nolting.

Für den Zeitraum 1925 bis 1928 verzeichnete das Hamburger Adressbuch auch Erikas Vater Richard Sternfeld in Hamburg als Hauptmieter mit der Adresse Klosterstern 10. Das Haus lag in unmittelbarer Nähe des Stadthauses von Julius und Erika Simon. Richard Sternfeld war in dieser Zeit nicht im Adressbuch von Danzig vermerkt. Nachdem seine Scheidung vor dem Landgericht Hamburg anscheinend im Mai 1926 eingeleitet und im Februar 1927 rechtskräftig wurde, verheiratete sich Richard Sternfeld im September 1927 in Danzig wieder. Er zog zurück nach Danzig, wohnte am Vorstädtischen Graben 1a direkt bei der Großen Synagoge und war als Kaufmann tätig.

Die Praxisräume von Julius Simon befanden sich von 1920 bis 1932 in der Schauenburgerstraße 52 I. Stock/ Ecke Große Johannisstraße (Altstadt) schräg gegenüber von Hamburger Rathaus und Börse.

Informationen über gemeinsam verbrachte Urlaube von Erika und Julius Simon liegen nur fragmentarisch vor, trotzdem zeugen auch sie von einem gehobenen Lebensstil. Im Sommer 1920 wurden für beide Reisepässe für die neugegründete Tschecho-Slowakei ausgestellt, vielleicht für eine verspätete Hochzeitsreise oder einen Aufenthalt in einem der westböhmischen Kurorte. Auch 1924 wurden ihnen Reisepässe ausgestellt, nun für 2 Jahre gültig und mit der unspezifischen Angabe des Reiseziels "In- und Ausland". 1926 erhielten sie einen Pass für weitere 5 Jahre. In dieser Zeit fuhren sie u.a. im Juli 1928 an Bord des Hapag-Passagierdampfers "Oceana" zum Nordkap. Übereinstimmend berichteten später Tochter und Hausangestellte, dass in einer Vitrine des Stadthauses wertvolles japanisches Porzellan zu sehen gewesen sei, dass Julius Simon von einer Reise mitgebracht habe.

Julius und Erika Simon hatten sich, sicherlich mit finanzieller Unterstützung ihrer Eltern, in den frühen 1920er Jahren durch die Lage der Arztpraxis und des erworbenen Stadthauses im gehobenen Hamburger Bürgertum etabliert.

Nachdem die NSDAP im Januar 1933 an die Macht gelangt war, betrieb sie über Behörden und Ämter die Umsetzung ihrer judenfeindlichen Politik. Die Schwierigkeiten für Ehepaar Simon nahmen stetig zu, 1936 wurde Julius Simon die Zulassung als Kassenpraxis entzogen und er musste seine Praxis in der Hamburger Innenstadt schließen. Eine Praxis auf St. Pauli (Reeperbahn 159) durfte er noch eine Zeit lang führen. Zum 30. September 1938 entzog der NS-Staat Julius Simon – wie allen jüdischen Ärzten - die Approbation und damit die Zulassung als Arzt. Diesem Berufsverbot aufgrund seiner jüdischen Herkunft folgten weitere Auflagen und weitere Verbote.

Auch für ihre Tochter Gisela Simon hatten sich seit 1933 die Perspektiven massiv verschlechtert. Der NS-Staat erließ am 25. April 1933 das "Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen", mit dem Juden und auch Frauen von Universitäten ferngehalten wurden. Nach der Mittleren Reife verließ Gisela 1936 das staatliche Gymnasium, wo die antijüdischen Diskriminierungen einen normalen Schulbesuch für Jüdinnen und Juden bereits sehr erschwert hatten. Ab November 1938 wurde Jüdinnen und Juden der Besuch staatlicher Schulen in Deutschland ganz untersagt.

Als Jüdin konnte Gisela in Deutschland eine Ausbildung nur noch bei Firmen machen, die Juden gehörten. Übergangsweise besuchte sie ein Jahr lang die Jüdische Haushaltungsschule, die von Gertrud Pardo (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) geleitet wurde. Danach war sie als Haushaltshilfe und Küchenhilfe im Kurheim von Dr. Lövinsohn in Bad Elster, in der privaten Frauenklinik von Dr. Adolph Calmann in Hamburg (Johnsallee 68) und bei Frau Olga Schück, geb. Menke (1879-1942), in Leipzig tätig. Vermutlich waren es berufliche Kontakte ihres Vaters, die ihr diese Stellungen verschafften. Es ist anzunehmen, dass Erika und Julius Simon sich zeitgleich um ein Visum für ihre Tochter bemühten. Im März 1939 gelang ihr die Emigration nach England.

Nach dem Entzug der Kassenzulassung 1936 nahm Ehepaar Simon einen weiteren Mieter auf. Hierfür wurde das Biedermeierzimmer ihres Hauses leer geräumt und die angrenzende Besenkammer zu einer Küche umgebaut. Von 1936 bis 1938 vermieteten sie an die Nichtjüdin Ilse Hoefer (geb. 1897 in Hamburg), die als Sekretärin des Dekans der medizinischen Fakultät der Universität Hamburg arbeitete. Mit ihr waren Simons auch freundschaftlich verbunden. Vermutlich zur gleichen Zeit wohnte bei ihnen Elsbeth Platz (1884-1941/42), die 24 Jahre als Englisch-Lehrerin an der Loewenberg-Schule gearbeitet hatte (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Vielleicht war damit auch ein Sprachunterricht für die spätere Ausreise ihrer Tochter verbunden. (Der Name von Elsbeth Platz findet sich jedoch nicht in der Mieterübersicht des Hamburger Adressbuchs.)

Ihr Haus in der Oderfelder Straße 8 (Harvestehude) verkauften Erika und Julius Simon auf Druck der Behörden im Herbst 1938 an Dr. med. Walther Lehmann, den Leiter der Staatsimpfanstalt in der Brennerstraße 81 und Facharzt für Innere Krankheiten. Der vor einem Notar abgeschlossene Immobilienverkauf wurde anschließend geprüft und einige Monate später vom Reichsstatthalter Karl Kaufmann genehmigt. Ende September 1939 zog der neue Eigentümer in das Stadthaus ein.

Im März 1939 zogen Erika und Julius Simon in eine Mietwohnung in der Rothenbaumchaussee 187 I. Stock. Das Haus gehörte Selma Delbanco und ihren Geschwistern, sie wohnte auch im Erdgeschoss des Hauses. Selma Delbanco (1864-1951) war eine Cousine des Hautarztes Prof. Dr. Ernst Delbanco (1869-1935).

Das Ehepaar Simon musste sich durch den Umzug von etlichen hochwertigen Einrichtungsgegenständen trennen, darunter den Steinway-Flügel, den Simons unter Wert verkaufen mussten. Die nichtjüdische 58jährige Hausangestellte Helene Fortmann beschäftigten sie auch in der Mietwohnung weiter. Ihre Untermieterin Ilse Höfer wurde von einer staatlichen Stelle darauf hingewiesen, "daß ich nicht länger bei Juden wohnen dürfe, (daraufhin) hat mir Frau Erika Simon ein Zimmer im Hause Rothenbaumchaussee 187 bei Frau (Luise) Bontemps besorgt." Dadurch konnte der bisherige Kontakt beibehalten werden. Ilse Hoefer hatte jegliche Mitgliedschaft in NS-Organisationen vermieden; ihr Vater Hermann M. Hoefer (1868-1945) war als Kommunist 1933 und 1934 jeweils für zwei Monate in Fuhlsbüttel inhaftiert worden. Im Juni 1944 wurde er nach einem Urteil des Volksgerichtshofs Potsdam ins Zuchthaus Koswig eingewiesen, im Dezember 1945 starb er.

Auf die Vermögen von Jüdinnen und Juden griff der NS-Staat mit Hilfe einer "Sicherungsanordnung" zu; die Devisenstelle erließ hierauf Sperrungen von Konten und Immobilien. Die jüdischen Eigentümer mussten eine "Vermögensaufstellung" und eine Auflistung ihrer monatlichen Ausgaben einreichen. Anschließend wurde vom Sachbearbeiter ein "Freibetrag" festgelegt über den der Kontoinhaber verfügen konnte, die Kreditinstitute wurden von dieser Maßnahme benachrichtigt und mussten sie umsetzen. Auch bei Erika Simon und ihrem Ehemann agierten die Behörden entsprechend; im April 1939 wurde eine "Sicherungsanordnung" gegen beide erlassen. Ab Oktober 1939 durften sie monatlich 500 Reichsmark verbrauchen, wozu auch die monatliche Unterstützung ihres Onkels Fritz Sternfeld in Berlin und eines Bruders des Ehemannes in Berlin zählte. Sonderausgaben für Kleidung, Medikamente, Anschaffungen etc. mussten bei der Hamburger Devisenstelle beantragt werden, die jeweils über die Genehmigung entschied.

Die immer weiter vorangetriebene Entrechtung von Juden in NS-Deutschland hatte ab April 1939 auch die Verweigerung des Mieterschutzes und die Einquartierung in sogenannte "Judenhäuser" zur Folge. Im April 1941 wurde das Haus Rothenbaumchaussee 187 auf behördlichen Druck von den Geschwistern Delbanco (Albert, Emilie, Paul, Richard und Selma) verkauft. Erika und Julius Simon mussten im Sommer 1941 in eine Wohnung in der Bundesstraße 35/ Ecke Rentzelstraße (Rotherbaum) umziehen, die sich in einem jüdischen Wohnstift befand, das nun vom NS-Regime als "Judenhaus" genutzt wurde.

Mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen im September 1939 und auf die Sowjetunion im Juni 1941 nahm der Verfolgungsdruck auf Jüdinnen und Juden weiter zu. Ihre Emigration wurde im Oktober 1941 gestoppt, die systematische Verschleppung in die eroberten Ostgebiete begann.

Julius und Erika Simon wurden am 11. Juli 1942 von Hamburg ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Ihren hochwertigen Hausrat (u.a. Möbel für ein Biedermeier-Zimmer, Orient-Teppiche, Ölbilder, darunter das Bild "La belle Helene" und Vitrinen mit Kunstgegenständen) eignete sich der NS-Staat an und ließ ihn vom Auktionator Landjunk (Arthur Landjunk, Versteigerungsräume in Hamburg am Alten Wall 64 und in Altona) zugunsten der Staatskasse versteigern. Eine Zahlung an die Oberfinanzkasse Hamburg vom Oktober 1942 über 1.940 RM belegt dies. Schmuck- und Tafelsilber hatten bereits ab Februar 1939 gegen eine geringe Erstattung bei der öffentlichen Ankaufstelle abgeliefert werden müssen. Diese Abgabe wiesen die Eheleute mit Quittungsabschnitt Nr. 937 nach, der jedoch in der Akte ihrer "Sicherungsanordnung" fehlt. Daher lassen sich die einzelnen Gegenstände und ihr Wert nicht mehr rekonstruieren. Zeugen erinnerten sich später an eine goldene Herrenuhr sowie ein goldene Damenuhr, eine Perlenkette, Ohrringe, Ringe mit Brillanten. Zudem hatten Simons Ende 1938/ Anfang 1939 rund 4.000 Reichsmark "Judenvermögensabgabe" an den NS-Staat zahlen müssen.

Was wurde aus den übrigen Familienangehörigen?
Erikas Bruder Arthur Helmuth Sternfeld (geb. 15.4.1901 in Danzig) war nach seinem Umzug von Danzig nach Hamburg kaufmännischer Volontär eines Hamburger Speditionshauses, anschließend kaufmännischer Angestellter und Buchhalter, kurzzeitig soll er Ende der 1920er Jahre Miteigentümer der Werbeagentur Sternfeld & Seegers in Hamburg gewesen sein, danach Angestellter bei einer Bank. 1925 heiratete er die Sekretärin Dora Gebhardt (geb. 30.5.1900), von der er 1928 geschieden wurde, die gemeinsame Tochter Magda wurde 1928 geboren. Er musste von Juli bis November 1938 Zwangsarbeit in Buxtehude beim Bau des Randkanals leisten. Erst im August 1935 trat er in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg ein, ab Juli 1939 war die Mitgliedschaft für Personen jüdischer Abstammung verpflichtend. Arthur Sternfeld befand sich zum Zeitpunkt der Volkszählung am 17. Mai 1939 im Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel. Er wurde am 25. Oktober 1941 zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Hildegard Sternfeld, geb. Mayer (1902-1942), die er im August 1939 geheiratet hatte, ins Getto Lodz deportiert, wo er am 14. April 1942 starb.

Erikas Mutter, Magda Sternfeld, geb. Jacoby, hatte nach der Scheidung in zweiter Ehe Lehmann Stein (geb. 1861 in Diersburg/ Baden) geheiratet. Laut Volkszählung vom Mai 1939 lebte sie mit ihm in Schwerin/ Dahme-Spreewald (im dortigen Melderegister konnten beide aber bei Recherchen 2023 nicht ermittelt werden). Danach wurden sie in das "Jüdische Arbeitsheim" in Radinkendorf (Brandenburg) eingewiesen, wo ab April 1941 ein "Arbeits- u. Altersheim" bestand. Von dort wurden sie in das Jüdische Krankenhaus in Berlin-Wedding (Exerzierstraße 13 = Iranische Str. 3) verlegt. Magda und Lehmann Stein wurden am 29. Januar 1943 von Berlin ins Getto Theresienstadt deportiert, wo er am 5.11.1943 und sie am 5.7.1944 starb.

Ihr verwitweter Onkel Fritz Siegfried Sternfeld (geb. 11.11.1867 in Danzig) lebte seit mindestens 1900 in Berlin. Seine Wohnadresse war u.a. von 1918 bis 1930 die Jablonskistraße 1 (Prenzlauer Berg). Er befand sich zum Zeitpunkt der Volkszählung vom Mai 1939 in Berlin im jüdischen Hospital II in der Auguststraße 14/15. Zuletzt lebte er in Berlin im Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26. Von dort wurde er am 4. Juni 1942 mit einem der sogenannten Alterstransporte ins Getto Theresienstadt deportiert; am 19. September 1942 erfolgte der Weitertransport ins Vernichtungslager Treblinka, wo er ermordet wurde.

Ihr Onkel Walter Sternfeld (geb. 29.4.1875 in Danzig) verzog nach Berlin, wo er 1902 heiratete. 1912 verließ die Familie Berlin und ließ sich in Dresden nieder. Das Adressbuch verzeichnete Walter Sternfeld als Inhaber der Waffelfabrik "Nizza" in Dresden-Löbtau. Anfang der 1920er Jahre wurde er Mitinhaber einer Firma für Automobilbestandteile und Metallwaren (Daniel Heinrich Balz & Co.). Bis 1936 wohnte er mit Ehefrau und dem Sohn Gerhard in der Beilstraße 14. 1939 gelang ihm die Emigration nach Brasilien, wohin sein Sohn Gerhard Claus Sternfeld (geb. 11.6.1905 in Berlin) bereits im August 1936 ausgereist war. Die letzte Nacht vor seiner Ausreise verbrachte Gerhard bei Erika und Julius Simon in Hamburg in der Oderfelder Straße. Der Sohn Hans Eduard Sternfeld (geb. 18.11.1907 in Berlin) zog mit seiner Ehefrau nach Berlin und flüchtete 1939 nach Paris – von dort wurde er 1943 nach Dresden überstellt und 1943 nach Auschwitz und 1945 nach Buchenwald deportiert.

Für Erika Simon und ihren Ehemann Julius Simon wurden im März 2012 Stolpersteine in Hamburg verlegt. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) ließ im April 2019 in Berlin in der Klinik für Dermatologie der Charite eine Tafel mit den Namen der 68 ermordeten oder in den Tod getriebenen jüdischen Dermatologen anbringen, auf ihr steht auch der Name von Julius Simon.

Stand: Juli 2023
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 20690 (Dr. Julius Simon u. Erika Simon); StaH 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 36192; StaH 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 36294; StaH 221-11 (Entnazifizierung), M 6582 (Dr. med. Walther Lehmann, Oderfelderstr. 8); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1939/2600 (Sicherungsanordnung gegen Julius u. Erika Simon); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 3868 (Emigration von Gisela Simon); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1941/0090 (Sicherungsanordnung gegen Selma Delbanco, incl. Hausverkauf); StaH 332-8 (Meldewesen), A 24 Band 273 (Reisepassprotokoll 20623/1922, Arthur Sternfeld); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 6826 (Dr. Julius Simon); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 43623; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 49039 (Arthur Sternfeld); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 935 (Selma Delbanco); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 1451 (Ilse Hoefer für Martin H. Hoefer 1868-1945); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Julius Simon, Arthur Sternfeld, Selma Delbanco; Bundesarchiv Berlin, R 1509 (Reichssippenamt), Volks-, Berufs- u. Betriebszählung am 17. Mai 1939 (Arthur Sternfeld, Hamburg; Fritz Sternfeld, Berlin; Magda Stein geb. Jacoby verheiratete Sternfeld, Schwerin/Dahme-Spreewald); Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz (Magda Stein, Lehmann Stein, Olga Schück geb. Menke); Hamburger Ärztekammer, Archiv (Karteikarte für Julius Simon); Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e.V. (Hrsg.), Buch der Erinnerung. Juden in Dresden - deportiert, ermordet verschollen 1933-1945, Dresden 2005, Familie Sternfeld (Hans Eduard Sternfeld u. Charlotte Müller); Handbuch der Hansestadt Hamburg 1939, S. 187 (Impfanstalt, Leiter: Amtsimpfarzt Dozent Dr. Walther Lehmann); Danziger Verkehrszentrale e.V. (Hrsg.), Danzig als Hochschulstadt, Danzig 1913, S. 68 (Verzeichnis der Firmen die Mitglieder der Verkehrszentrale sind: Kolonialwaren (…) Sternfeld & Vogel, auch Kaffee en gros, Milchkannengasse 1a); Samuel Echt, Die Geschichte der Juden in Danzig, Leer 1972, S. 56, 274-276, 278 (Sternfeld); A. W. Kafemann (Hrsg.), Neuer Wohnungsanzeiger nebst allgemeinem Geschäftsanzeiger von Danzig und dessen Vorstädten, 1870 (Eduard Aron Sternfeld, Kaufmann, Breitgasse 131/132); Ina Lorenz/ Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Göttingen 2016, Band III, S. 301 (Spezialärzte, August 1938, J. Simon); Erhard Riecke (Hrsg.), Deutscher Dermatologenkalender. Biographisch-Bibliographisches Dermatologen-Verzeichnis, Leipzig 1929, S. 219 (Julius Simon); Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt. Entrechtung und Verfolgung "nicht arischer" Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945, Göttingen 2009, S. 399 (Julius Simon); Adressbuch Hamburg 1914, 1916, 1917, 1920-1922, 1930-1933 (Julius Simon); Adressbuch Hamburg 1925, 1926, 1927, 1928 (R. Sternfeld, Klosterstern 10 Erdgeschoss); Adressbuch Hamburg 1942 (Arthur Landjunk, Inhaber Heinz Landjunk, Wohnadresse Rothenbaumchaussee 239); Adressbuch Danzig 1890, 1897, 1902-1904, 1907, 1910, 1912, 1914, 1919, 1926, 1933 (Sternfeld); Adressbuch Dresden (Walter Sternfeld) 1914, 1920, 1927, 1934, 1937; www.mappingthelives.org (Fritz Sternfeld, Berlin, eingesehen 17.2.2023); www.holocaust.cz (Magda Stein geb. Jacoby, Fritz Siegfried Sternfeld, eingesehen 17.2.2023); www.ancestry.de (Geburtsregister Danzig 1875 Walter Sternfeld; Heiratsregister Danzig 429/1899 Richard Sternfeld u. Magda Jacoby; Geburtsregister Danzig 666/1900 Erika Sternfeld; Geburtsregister Danzig 1509/1901 Arthur Helmuth Sternfeld; Sterberegister Danzig 693/1907 Eduard Sternfeld; Sterberegister Danzig 1447/1907 Max Sternfeld; Heiratsregister Danzig 55/1919 Dr. Julius Simon u. Erika Sternfeld; Heiratsregister Danzig 1927 Richard Sternfeld u. Ernestine "Else" Berent geb. Gellert; Sterberegister Danzig 1680/1934 Richard Sternfeld); www.ancestry.de (Heiratsregister Berlin 781/1900 Siegfried Sternfeld u. Marie Franziska Giese; Heiratsregister Berlin 451/1902 Walter Sternfeld u. Elsa Michels; Sterberegister Charlottenburg 743/1920 Adele Sternfeld geb. Jacoby; Sterberegister Berlin 35/1928 Marie Franziska Sternfeld geb. Giese); https://collections.arolsen-archives.org (Fritz Sternfeld); www.stolpersteine-hamburg.de (Gertrud Pardo; Elsbeth Platz; Adele Mayer geb. Hirschfeld).

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