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Rudolf Klug * 1905
Barmbeker Straße 93 (Hamburg-Nord, Winterhude)
1937 KZ Sachsenhausen
verurteilt wegen Landesverrats - erschossen 28.03.1944 in Narvik
Rudolf Klaus Klug, geb. 8.10.1905 in Hamburg, hingerichtet am 28.3.1944 in Beistfjord bei Narvik, Norwegen
Die Kandidatur des kommunistischen Lehrers Rudolf Klug für die Hamburgische Bürgerschaft beschäftigte 1932 noch vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten die Presse. Protestaktionen von Schülern und Eltern der Telemannschule sorgten in der Schulbehörde für Aufregung. Nach der Machtübergabe führte Rudolf Klug seine politischen Aktivitäten in der Illegalität fort – getarnt als Kaffeelieferant, in der Widerstandsgruppe um Bernhard Bästlein (s. d.), Franz Jacob (s. d.) und Robert Abshagen, und zuletzt in der Wehrmacht.
Wer war dieser Mann?
Rudolf Klug stammte aus einer Arbeiterfamilie mit drei Kindern. Sein Vater Ernst Klug war gewerkschaftlich organisiert. Er hatte im heimatlichen Vogtland lieber Schlachter gelernt, obwohl er selbst hätte Lehrer werden können, denn "ein Schlachter kann sich immer sattessen". Auf Wanderschaft verliebte er sich in Hamburg in Emma Lucht, die aus Albersdorf stammte. Sieben Jahre musste das Paar sparen, ehe sie heiraten und einen Haushalt gründen konnten.
Die Familie wohnte in Eimsbüttel. 1905 wurde Rudolf, zwei Jahre später seine Schwester Kati geboren. Ernst Klug konnte von seinem Lohn als Hafenarbeiter gerade die Miete bezahlen, weshalb er, wenn möglich, zwei Schichten am Tag arbeitete. Seine Frau hatte mehrere Putzstellen. Als 1916, während der Vater im Krieg war, das dritte Kind Ernst-Otto geboren wurde, reichte die Unterstützung nicht aus. Rudolf beschloss zum Unterhalt beizutragen. Die Mutter musste mit dem Geburtsdatum schwindeln, damit er mit seinen elf Jahren als Laufbursche arbeiten konnte.
Zur Volksschule ging Rudolf Klug in der Bismarckstraße. Als er die Aufbauschule besuchen wollte, um studieren und Lehrer werden zu können, lehnte der Vater aus finanziellen Gründen ab. Die Mutter aber meinte: "Wenn he dat will, denn wart he dat." Sie verdiente das Geld für seine Lehrerausbildung in Nachtarbeit hinzu. 1923 begann er sein Studium als Werkstudent. In den Semesterferien nahm er jede erdenkliche Arbeit an, um das Studium mit zu finanzieren.
Mit seiner Schwester besuchte Rudolf die Volksheimjugend, wo ihr erstes politisches Interesse geweckt wurde und er 1927 die "Proletarische Volksheimjugend" mit begründete. Gemeinsam mit dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) gingen sie auf Fahrt und hielten politische Diskussionsabende ab. 1928 trat Rudolf Klug dem KJVD und der KPD bei.
Trotz familiärer Not – 1927 war der Vater im Hafen tödlich verunglückt – konnte Rudolf Klug sein Studium erfolgreich abschließen. Sein Studienschwerpunkt waren Psychoanalyse und Individualpsychologie.
1928 wurde er an die Reformschule Telemannstraße berufen, wo er ein progressives, meist sozialdemokratisches Kollegium vorfand. Die Koedukation war eingeführt und die starre Dreigliedrigkeit des Schulwesens aufgehoben. Die Schülerinnen und Schüler sollten "durch kritisches Lernen zur selbständigen Urteilsbildung gelangen". Rudolf Klug gewann das Vertrauen der Kinder und erzielte Erfolge, indem er jedes nach seinen Stärken förderte und ihm die Sicherheit gab, "dass es genauso klug und tüchtig ist wie die anderen, so kann es plötzlich auch die Dinge, vor denen es bis dahin Angst hatte", wie sich seine Schwester erinnerte. Es gelang ihm, konsequent und energisch und zugleich verständnisvoll und kameradschaftlich zu sein. Auf Elternabenden und in der Schulzeitung gab er die "neuesten Erkenntnisse fortschrittlicher und proletarischer Pädagogik und Psychologie" weiter. Zu den Eltern hatte er einen ausgezeichneten Kontakt, wie sich sein Kollege Dietrich Rothenberg erinnerte.
In politisch schwierigen Zeiten, in denen in Hamburg die Sozialdemokratie regierte, aber die Nationalsozialisten ihr Gewicht immer mehr geltend machten, geriet Rudolf Klug aufgrund seiner politischen Aktivitäten mit der Schulbehörde in Konflikt. Im Mai 1930 fand eine Anhörung statt, da er denunziert worden war. Ihm wurde vorgeworfen an der Schule Rellinger Straße "Schulstaffeln" aufgebaut zu haben, die der "Bekämpfung des Faschismus in den Schulen" dienen sollten – eine Schule, an der er nie tätig gewesen war. Seine Entlassung konnte durch den Einsatz des sozialdemokratischen Schulrats Fritz Köhne verhindert werden; die Oberschulbehörde aber ersuchte die Polizei, ihn weiter zu beobachten.
Rudolf Klug betätigte sich in der "Interessengemeinschaft Oppositioneller Lehrer" (IOL), die 1931 gegründet wurde, um "dem Abbau der sozialen Rechte und Errungenschaften im Bildungswesen und der zunehmenden faschistischen Gefahr entgegenzutreten" (zitiert nach Burgard). 1932 kandidierte Rudolf Klug auf der Liste der KPD zu den Bürgerschaftswahlen am 24. April, obwohl er den seit 1930 geltenden Erlass des SPD-Schulsenators kannte, der allen Beamten die Unterstützung oder Mitgliedschaft in der KPD sowie der NSDAP verbot. Tatsächlich waren zwei Lehrer aus der NSDAP in der Bürgerschaft vertreten, auf die der Erlass keine Anwendung fand.
Als das nationalsozialistische "Hamburger Tageblatt" am Tag vor der Wahl die Telemannschule und die Kandidatur Rudolf Klugs anprangerte und seine Entlassung forderte, zog Rudolf Klug seine Kandidatur nicht zurück. Er bewahrte auch kein Stillschweigen über die Gespräche mit der Schulbehörde; in der kommunistischen "Hamburger Volkszeitung" wurde ein Artikel über seine drohende Entlassung veröffentlicht. Aufgrund der Proteste der Eltern ordnete Schulrat Köhne anstelle seiner Entlassung die Versetzung von Rudolf Klug an. Als auch das Kollegium sich für ihn einsetzte, wurde als Begründung für seine Versetzung nicht mehr der Senatserlass angeführt, sondern dass ihm "parteipolitische Taktiken und Praktiken" näher lägen als "der Bestand und die tragende Idee der Schule Telemannstraße" (Burgard et al., S. 24).
Schließlich zog die Lehrerkonferenz der Telemannschule ihre Solidarität zurück, aus der Eltern- und Schülerschaft erhielt Rudolf Klug aber weiter Unterstützung: Eltern organisierten eine Unterschriftensammlung, die jedoch von der Schulleitung verboten wurde; Schüler und Eltern streikten drei Tage lang vor den Sommerferien. Der Streik wurde von der Polizei beobachtet und schließlich aufgelöst. Nach den Ferien waren 15 Schüler und Schülerinnen an andere Schulen versetzt und zwei Väter zu fünf bzw. 15 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Rudolf Klug unterrichtete als Fachlehrer an der Schule Breitenfelder Straße weiter.
Am 27. April 1933 beschloss die Hamburger Lehrervereinigung, die "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens", dem "Nationalsozialistischen Lehrerbund" (NSLB) beizutreten. Die kommunistische Lehrerschaft hatte keinen Erfolg mit dem Antrag von Rudolf Klug, wenigstens eine Diskussion über diese Entscheidung zu führen. Die Kollegen der IOL hatten jedoch nach dem Reichstagsbrand im Februar Vorbereitungen getroffen, ihre Organisation in der Illegalität weiterzuführen.
Die repressiven Maßnahmen der Nationalsozialisten nahmen weiter zu. Mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurden nicht nur jüdische, sondern auch politisch missliebige Lehrer von der Schulverwaltung entlassen. Rudolf Klug traf es am 17. Juni 1933. Eine Anzeige in verschiedenen Hamburger Zeitungen meldete, dass er mit anderen Lehrern und einer Kollegin "aus dem Schuldienst beurlaubt" seien.
Bereits im Mai hatte die Staatspolizei seine Wohnung durchsucht. Er war in der Schule festgenommen worden; aus Mangel an Belastungsmaterial ließ man ihn wieder frei. Im Spätsommer kam er erneut in Haft und wurde wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" am 4. Oktober 1933 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Bis 11. August 1934 musste er seine Strafe in Wolfenbüttel verbüßen, im Anschluss daran auf Sylt Zwangsarbeit leisten.
Nach Hamburg zurückgekehrt, konnte er ab Ende 1934 im Kaffeevertrieb von Kurt Adam mitarbeiten. Der ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende der Volkshochschule, selbst mit Berufsverbot belegt, half auf diese Weise ehemaligen jüdischen und politisch verfolgten Kollegen. Diese Tätigkeit sicherte Rudolf Klug nicht nur den Unterhalt, sondern ermöglichte es ihm, Kontakte mit politischen Freunden, Lehrern und Lehrerinnen der IOL und Eltern von Telemannschülern zu halten. Auf seinem Motorrad transportierte er nicht nur Kaffee, sondern auch illegale Schriften.
Im April 1937 wurde Rudolf Klug bei einer Sonderaktion der Gestapo verhaftet und mit ca. 100 anderen "Politischen" ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, wo er drei Monate festgehalten wurde. Im gleichen Jahr zerbrach die Ehe mit seiner Frau Ilse, die er zwei Jahre vorher geheiratet hatte und mit der er in der Desenißstraße 28 wohnte.
Bald nach seiner Entlassung nahm Rudolf Klug seine illegalen politischen Aktivitäten wieder auf, während er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt. Später fand er eine Anstellung als Mahnbuchhalter bei den Schleifmittelwerken Christiansen & Co. in Lurup. 1938 wurde er von der Gestapo im "Stadthaus" zur illegalen Tätigkeit der Lehrer verhört. Es gelang ihm u. a. seinen Freund und Kollegen Dietrich Rothenberg zu warnen, indem er seine Mutter (Emma Klug) zu ihm schickte, und ihn so zu beraten, dass die Vorwürfe gegen ihn fallen gelassen wurden.
Im Kreis einer "Wandergruppe", unter deren Deckmantel sich politisch Gleichgesinnte trafen, lernte Rudolf Klug die Buchhändlerin Margaretha Kubicki kennen. 1940 heirateten sie und zogen in die Barmbeker Straße 93. Ihre Tochter Anja wurde am 18. April 1942 geboren.
Als 1940 die kommunistische Widerstandsgruppe um Bernhard Bästlein (s. d.), Franz Jacob (s. d.) und Robert Abshagen aufgebaut wurde, beteiligte sich auch Rudolf Klug. Da er wegen seiner politischen Vorstrafe als "wehrunwürdig" galt, war er bei Kriegsbeginn 1939 nicht eingezogen worden. In Absprache mit der Gruppe stellte er 1941 den Antrag auf Wiedererlangung der "Wehrwürdigkeit" (vgl. Ernst Stender), um in der Wehrmacht Widerstand zu leisten. Dies berichtete seine Schwester, während seine Frau gegenüber dem Amt für Wiedergutmachung vertrat, er habe den Antrag nicht von sich aus gestellt. Wie auch immer: Rudolf Klug wurde zum "Landsturm" eingezogen. Er war zur Bewachung Kriegsgefangener eingesetzt, zuletzt 1943 bei Narvik in Norwegen. Dort nahm er Kontakt mit Gefangenen und einer Gruppe norwegischer Widerstandskämpfer der "Heimatfront" auf. Es gab Vorbereitungen für die Flucht einiger Gefangener aus dem Lager. Rudolf Klug hatte einem sowjetischen Offizier eine Pistole übergeben, die in der Schreibstube beschlagnahmt worden war. Das Fehlen der Waffe wurde entdeckt und Rudolf Klug am 26. Februar 1944 festgenommen. Er konnte aus der Haft fliehen, wurde aber von Angehörigen seiner Einheit verraten und erneut verhaftet. Das Kriegsgericht verurteilte ihn am 15. März 1944 wegen Landesverrates im Kriege und Fahnenflucht zweimal zum Tode. Am 28. März 1944 wurde er in Beistfjord bei Narvik erschossen.
Das Kriegsgericht teilte der Witwe mit, dass die Bestattung "an Ort und Stelle" erfolgt sei. Ihr wurde untersagt, Todesanzeigen oder Nachrufe zu veröffentlichen.
Ende 1945 hatte Margaretha Klug an das Amt für Wiedergutmachung geschrieben: "Da jetzt im Sinne der Wiedergutmachung die von den Nationalsozialisten entlassenen Beamten wieder in ihr Amt eingesetzt wurden … habe ich bei der Schulverwaltung eine Pension und Waisenrente beantragt, denn wäre mein Mann nicht … aus dem Dienst entlassen, so hätten wir ja jetzt eine Pension."
Erst 1962 erhielten Margaretha Klug und ihre Tochter Wiedergutmachung, eine einmalige Zahlung im Rahmen eines Vergleichs. 1961 war Margaretha Klug kurz davor gewesen, ihren Antrag zurückzuziehen, da sie nicht alle erforderlichen Papiere beibringen konnte. In den Akten findet sich eine Notiz, dass der Sachbearbeiter sie ermutigt hat, nicht aufzugeben.
Margaretha Klug bemühte sich im Jahr 1982 darum, ihren Mann auf den Ehrenhain des Ohlsdorfer Friedhofs umzubetten. Die Geschichtskommission der Hamburger VVN machte mit Hilfe eines norwegischen Freundes sein Grab auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Narvik ausfindig. Dieser unterstützte das Vorhaben, denn er fand Rudolf Klug passe nicht "mit den ‚Helden von Narvik’ und SS-Männern zusammen" (zitiert nach Hochmuth 2005). Die sterblichen Überreste von Rudolf Klug wurden jedoch nicht überführt, da die Witwe alle Kosten hätte tragen müssen. Die Deutsche Kriegsgräberfürsorge schrieb ihr dazu: "Bitte bedenken sie auch, dass ihr Mann auf diesem Friedhof das dauernde Ruherecht hat, auf einem Gebiet und in einem Land, wo er aufgrund seiner Einstellung humanitär gewirkt hat." (zitiert nach Hochmuth 2005).
Rudolfs Schwester Kati von der Reith trug mit ihren Erinnerungen in den 1970er Jahren wesentlich bei zu dem Band "Rudolf Klug – Ein Lehrer passt sich nicht an". Sie war verheiratet mit dem kommunistischen Bürgerschaftsabgeordneten und Spanienkämpfer Willi von der Reith, dem Cousin von Dietrich von der Reith (s. d.).
Zur Erinnerung an Rudolf Klug wurde 1955 zu seinem 50. Geburtstag in Rostock eine Schule nach ihm benannt.
© Christine Meier
Quellen: AfW 081005; Edith Burgard et al., Rudolf Klug – Ein Lehrer passt sich nicht an, Antifaschistische Reihe, Heft 2, Hamburg 1982; Dietrich Rothenberg, Kompromisslos gegen die Barbarei, in: Ursel Hochmuth, Peter de Lorent (Hrsg.), Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S. 239–243; Ursel Hochmuth/ Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933–1945, Frankfurt am Main 1980; Ursel Hochmuth, Niemand und nichts wird vergessen, Biogramme und Briefe Hamburger Widerstandskämpfer 1933–1945, Eine Ehrenhain-Dokumentation in Text und Bild, Hamburg 2005, S. 78–81.