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Eva L. Borchardt * 1905

Harvestehuder Weg 99 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
EVA L. BORCHARDT
JG. 1905
EINGEWIESEN 1938
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
LANDES-PFLEGEANSTALT
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
AKTION T4

Weitere Stolpersteine in Harvestehuder Weg 99:
Wilhelm Benjamin

Eva Leonore Borchardt, geb. 18.2.1905 in Alt-Rahlstedt, ermordet 23.9.1940 Tötungsanstalt Brandenburg/Havel

Hervestehuder Weg 99

Eva Leonore Borchardt wurde als jüngstes Kind des Kaufmanns Ivan/Isaac Borchardt und seiner Ehefrau Martha, geb. Hildesheim, in eine große Familie hinein geboren. Die Eltern, beide aus jüdischen Familien stammend, hatten am 23. April 1895 in Hamburg geheiratet. Evas Geschwister Grete (15.1.1896), Else (21.4.1897), Hans (7.8.1898) und Werner (4.11.1900) waren in Hamburg zur Welt gekommen, bevor die Familie im September 1904 in das damals noch preußische Alt-Rahlstedt zog. Dort wurde Eva Leonore am 18.2.1905 geboren. Familie Borchardt erwarb in Grubes Allee 24 eine geräumige Villa.

Ivan Borchardt hatte bei seiner Geburt am 9.7.1870 in Exin im Regierungsbezirk Bromberg in der damaligen preußischen Provinz Posen den Namen Isaac erhalten, änderte aber später seinen Vornamen. Er stammte aus einer Lehrerfamilie und verließ, wie seine Geschwister Johanna, Moritz, Hermann, Julius, Zerline und Hugo, seinen Geburtsort. Nach dem Einjährigen auf dem Gymnasium durchlief er in Posen eine Lehre in einer Eisenwaren-Großhandlung und ging, nachdem er sie beendet hatte, nach Berlin. Um seiner Militärdienstpflicht zu genügen, diente er 1877 freiwillig für ein Jahr beim 137. Infanterie-Regiment. Seine Absicht, nach Nordamerika auszuwandern, führte ihn nach Hamburg. Dort nahm er 1888 eine Stellung bei der Annoncen-Expedition von Heinrich Eisler an, die seine berufliche Zukunft bestimmte: Er machte sich 1893, 23-jährig, als Annoncen-Expediteur selbstständig. Seine Geschwister Johanna, als Älteste 18.2.1867 in Exin geboren, und Hugo, der Jüngste, geboren 5.6.1878 in Rogasen, ließen sich ebenfalls im Raum Hamburg nieder. Johanna heiratete den Lehrer Wolff/Willy Bachrach (geb. 24.6.1867 in Nentershausen/Westerwald) und lebte mit ihrer Familie in Altona. Moritz (geb. 29.7.1868 in Exin) verließ Hamburg wieder nach kurzer Tätigkeit als Assistenzarzt im Jahr 1892 und ging nach Berlin. Nach dem Tod ihres Mannes, des Lehrers Salomon Borchardt, zog die Mutter Sophie Borchardt, geb. Rosenthal, in die Nähe ihrer Kinder nach Altona bzw. Hamburg.

Am 23. April 1895 heirateten Ivan Borchardt und Martha Hildesheim. Ihr Vater, der Kaufmann Gedalja Hildesheim, 1836 in Hamburg geboren, war mit der vierzehn Jahre jüngeren Friederike Wolff aus Lübtheen/Kreis Ludwigslust verheiratet. Sie kam ebenfalls aus einer Kaufmannsfamilie (aus der auch der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs, Ole von Beust, stammt). Aus ihrer Ehe gingen die drei Töchter Sara (geb. 21.9.1872), Martha (geb. 28.6.1875) und Fanny (geb. 18.3.1881) hervor. Ivan und sein Bruder Hugo heirateten zwei Schwestern, Martha und Fanny Hildesheim (s. dieselbe). Sara Hildesheim hatte 1894 in Hamburg den Viehhändler Salomon Eichmann aus Schötmar/Bad Salzuflen geehelicht und war nach Schötmar gezogen.

Hugo ließ sich wie sein Bruder Ivan dauerhaft in Alt-Rahlstedt nieder. Im Gegensatz zu Ivan schloss er sich der jüdischen Gemeinde in Wandsbek an. Ein Jahr nach Eva Leonore Borchardts Geburt brachte Fanny Borchardt ihr erstes Kind zur Welt, Käte, der die Zwillinge Anni und Mete und als Jüngste Gertrud folgten. Die Familie wohnte in einer Parallelstraße von Grubes Allee. Trotz des Altersunterschieds hatten die Cousins und Cousinen guten Kontakt miteinander.

Während Eva aufwuchs, mehrte sich der Wohlstand ihrer Eltern. Sie waren musikalisch und künstlerisch interessiert, erwarben einen Bechstein-Flügel und Gemälde, vor allem von Niederländern, und bauten eine große Bibliothek auf. Die Räume statteten sie mit wertvollen Möbeln aus und zur Freude der Kinder mit Kronleuchtern, an denen sie schwingen konnten. Sonst waren sie in ihrer Lebensführung offenbar bescheiden. Eva ließ sich weniger leicht leiten als ihre Geschwister.

Hans und Werner Borchardt nahmen am Ersten Weltkrieg teil, aus dem sie versehrt zurückkehrten. Während des ersten Kriegsjahrs starb die Großmutter Sophie Borchardt, Ivan und Hugos Mutter. Nach Kriegsende orientierte sich Ivan Borchardt beruflich nach Lübeck um und gewann als wichtigste Auftraggeber die Anzeigenteile der Lübecker Adress- und Telefonbücher, der Handelskammerzeitung und der Eisenbahnfahrpläne. Als Selbstständiger sorgte er für sein Alter durch den Kauf von Grundstücken in Eppendorf und Hamm vor und erwarb Wertpapiere.

Ausgenommen Eva Leonore, erhielten die Kinder akademische Ausbildungen. Grete und Werner Borchardt studierten Medizin, Hans Volkswirtschaft, Else wurde Gewerbelehrerin. Eva besuchte eine Schule für Büroangestellte und wurde Kontoristin und Buchhalterin. 1921 legte Grete Borchardt in Hamburg ihre ärztliche Prüfung ab, ging nach Tübingen und kehrte 1922 zurück, wo sie am 14. Oktober 1922 in die Matrikel der Hamburger Ärzte eingetragen wurde. Sie heiratete 1923 den zehn Jahr älteren Sekretär Friedrich Jänicke aus Emden.

Der wohl tiefste Einschnitt in Eva Leonores Leben war der überraschende Tod ihrer Mutter am 24. August 1925. Sie starb im Elim-Krankenhaus in Eimsbüttel an einer Sepsis infolge einer Operation. Bald darauf zeigte Eva Anzeichen einer geistigen Erkrankung. Offenbar schien dem Vater die beste Versorgung seiner Tochter in Privatpflege gewährleistet zu sein. Er gab sie in die Obhut des Arztes Friedrich Kunz in Allendorf an der Lumda in Oberhessen. Dieser hatte 1924 seine Praxis um fünf Zimmer im Obergeschoss erweitert und den Garten mit einer Umfriedung versehen lassen als eine Pension für Langzeitpatientinnen. Dorthin übersiedelten 1926 Eva Leonore Borchardt und Marianne Hirsch, ebenfalls eine jüdische Hamburgerin. Die beiden Familien waren miteinander bekannt. Eva Borchardts Geschwister hatten inzwischen alle das Haus verlassen.

Die weiteren familiären Ereignisse erlebte Eva Borchardt zunächst nur noch aus der Ferne mit. Über wechselseitige Besuche ist nichts bekannt. Ihr Bruder Hans, inzwischen promovierter Volkswirt und Prokurist bei einer Winsener Ölfirma, heiratete Dorothea Köhler und zog mit seiner Familie nach Südfrankreich. Max Nonne, Professor für Neurologie, hatte ihm diesen Aufenthalt als Therapie gegen die Schlaflosigkeit, die ihn seit dem Krieg verfolgte, empfohlen. 1929 kam der Sohn Hans zur Welt. Statt nach Deutschland zurückzukehren, siedelte die Familie nach Palma de Mallorca über. Dort betrieb Hans Borchardt bis zum Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs ein Lebensmittelgeschäft. Eva sah ihren Bruder nicht wieder, denn er wich nach Italien aus und ging nach Montevideo, als klar war, dass er und seine Familie in Deutschland keine Zukunft hatten.

Die Ehe ihrer Schwester Grete wurde 1929 geschieden. Grete Jänicke blieb bis zu ihrem Tod in der ehemals gemeinsamen Wohnung Rehhagen 2 in Eppendorf. Dort starb sie am 4. Januar 1935 an Lungentuberkulose, die sie sich bei der Behandlung eines Kranken zugezogen hatte. Im Dezember 1930 verlor sich die Spur ihres Bruders Werner. Er war als wissenschaftlicher Assistent am Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten für zwei Semester zu Studien über die "Physiologie und Pathologie der Tropenklimaeinwirkung" ins damalige Niederländisch-Indien beurlaubt worden. Mitte August 1930 war er ausgereist, hatte die notwendigen behördlichen und wissenschaftlichen Kontakte geknüpft und bestieg am 6. Dezember in Begleitung von zwei ortskundigen Führern den Merapi, einen noch tätigen Vulkan auf Java. In Begleitung eines einzogen Führers ging er bis zum Kraterrand, als der Vulkan ausbrach. Er floh in die falsche Richtung und trennte sich zudem von seinem Führer. Dieser wurde nach drei Tagen völlig erschöpft aus einer steilen Schlucht geborgen, Werner Borchardt trotz eines Suchaufgebots von 400 Soldaten und einigen Tausend Einheimischen jedoch nicht aufgefunden. Der zuvor entlassene Führer hatte die Nachricht von dem Unglück der Bezirksverwaltung überbracht, die ihrerseits Ivan Borchardt umgehend telegrafisch informierte.

Währenddessen befand sich Eva in Privatpflege. Der Arzt Friedrich Kunz führte die Pension mit seiner Ehefrau Anna, geb. Kauß, geb. am 17.5.1882 in Londorf, die vor ihrer Heirat als Krankenschwester gearbeitet hatte, und mit der zeitweiligen Hilfe ihrer Tochter Dorothea. Am 1. März 1932 traten Anna Kunz und ihre beiden Töchter Dorothea und Gertrud in die NSDAP ein, Friedrich Kunz folgte ihnen am 1. November. Anna und Dorothea Kunz traten auch der NS-Frauenschaft bei. Wie damals üblich, wurde Anna Kunz mit dem Titel ihres Mannes angesprochen und hieß auch noch nach dessen Tod Dr. Kunz. Trotz ihrer Neigungen zum Nationalsozialismus behielten sie ihre jüdischen Pensionärinnen in ihrer Obhut, wo sie, wie Zeitzeugen erwähnen, unauffällig lebten. Auf einem Foto von einem Sommerfest im Hause Kunz heben sie sich nicht erkennbar von den übrigen Personen ab.

Nach dem Machtantritt der NSDAP 1933 verlor Ivan Borchardt seine Aufträge in Lübeck und konnte aufgrund der geltenden Verordnungen in seiner Branche keine neue Tätigkeit aufnehmen. Er lebte von den Erträgen seines Vermögens und von Mieteinnahmen. Seine Nichte Lilly Julia Nakler, Tochter der Schwester Zerline, geb. 9.4.1903 in Kaiserslautern, zog zu ihm. Zerline Borchardt hatte den Kantor Matthias Nakler geheiratet, der 1902 nach Kaiserslautern berufen wurde. Lilly hatte dort einen eigenen Kindergarten geführt. 1936 heirateten Ivan Borchardt und Lilly Nakler. Sie gaben die Villa in Rahlstedt auf und zogen nach Hamburg in den Harvestehuder Weg 99.

Nachdem Friedrich Kunz 1936 gestorben war, führte seine Witwe Anna die Pension fort. Der Bürgermeister setzte sie unter Druck, sich von ihren beiden jüdischen Mitbewohnerinnen zu trennen. Als ihre Lage immer bedrohlicher wurde, bemühte sie sich 1938, die beiden "Mädels" bei jüdischen Familien in Hamburg in Pflege zu geben, ohne Erfolg. So blieb nur die Unterbringung von Eva Borchardt und Marianne Hirsch in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn. Damit endete der Kontakt zwischen den Frauen jedoch nicht. Anna Kunz schrieb ihren ehemaligen Mitbewohnerinnen Briefe und schickte Päckchen mit Lebensmitteln. Nachdem eines an Marianne Hirsch aufgefallen war, wurde Anna Kunz im "Stürmerkasten" in Allendorf angeprangert und vor das Kreisgericht der Partei geladen. Mit einer Verfügung des Ortsgruppenleiters wurde sie unter Verweis auf § 4 Abs. 2b der Satzung der NSDAP, in dem es um das Ende der Mitgliedschaft aufgrund verweigerter Beitragszahlungen geht, ausgeschlossen. Die Begründung lautete jedoch: "Sie haben bis zuletzt mit der Jüdin Marianne Sara H i r s c h, geb. 22.6.87 zu Prag korrespondiert und ihr sogar Pakete geschickt. …" Der Ausschluss wurde am 14. September 1940 rechtskräftig.

Über Eva Leonore Borchardts Krankheitsverlauf sind keine Einzelheiten bekannt. Versehen mit der Diagnose "Chronisch verlaufende Schizophrenie" wurde sie am 20. Dezember 1938 in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn aufgenommen. Bis dahin war sie noch nicht entmündigt worden. Das erfolgte nun mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 25. Mai 1939. Der Entmündigung war ein Gespräch vorangegangen, in dem eine Verständigung mit ihr jedoch nicht zustande gekommen war. Zunächst übernahm Käthe Petersen von der Sozialbehörde als Sammelpflegerin die Vormundschaft, übergab sie dann jedoch dem Vater. Ivan Borchardt hatte mit Schenkungen finanziell für seine Tochter vorgesorgt, indem er ihr das Grundstück Harvestehuder Weg 99 und eine Hypothek auf das Rahlstedter Grundstück in der Grubes Allee übertragen hatte. Er behielt sich mit seiner Frau Nießbrauch des Anwesens in Harvestehude vor.
Diese Vermögenswerte gab Ivan Borchardt gegenüber dem Oberfinanzpräsidenten 1939 zusammen mit seinen eigenen an. Das Grundstück wurde verkauft, der Erlös mit der Hypothek auf einem Sperrkonto bzw. in Wertpapieren zu Eva Borchardts Gunsten festgelegt, und Eva Borchardt erhielt einen "arischen" Vermögensbevollmächtigten, den Anwalt Johannes de Voss, Mitglied der NSDAP.
Ivan Borchardt plante, nach Chile auszuwandern, behielt aber die Vormundschaft bei. Er zog mit seiner Frau in die Hindenburgstraße 111, wo im Mai 1940 der Sohn Abel zur Welt kam.

Am 23. September 1940 wurde Eva Leonore Borchardt mit den anderen 135 als jüdisch klassifizierten Patienten und Patientinnen aus der Staatskrankenanstalt Langenhorn in die "Landespflegeanstalt Brandenburg" an der Havel verlegt. Dabei handelte es sich um einen Teil des ehemaligen Gefängnisses, der als Anstalt zur Tötung mit Kohlenstoffmonoxid eingerichtet worden war. Der verantwortliche Arzt notierte in seinem Tagebuch die Ermordung dieses Transports noch am selben Tag.
Eva Leonore Borchardt wurde 35 Jahre alt, Marianne Hirsch 53.

Es gelang weder dem Vater Ivan Borchardt noch seinem Nachfolger als Vormund, den Verbleib Evas herauszufinden. Am 2. Oktober 1940 legte Ivan Borchardt die Vormundschaft nieder und emigrierte eine Woche später. Sein seinerzeit in Zürich lebender Bruder Moritz übernahm die Kosten für die Bahnfahrt in die Mandschurei und die weiteren Passagen nach Montevideo in Uruguay.

Eva Borchardts Vermögensbevollmächtigter, Johannes de Voss, forschte weiter nach ihrem Verbleib. Auf seine Anfrage vom 7. Oktober 1940 beim Amtsgericht Hamburg erhielt er die Antwort, Eva Borchardt sei auf Veranlassung des Reichsinnenministers in eine Sammelanstalt überführt worden, in welche, sei nicht bekannt. Am 14. November 1940 kam die Nachricht, es handle sich um die Heilanstalt Chelm. Der Brief, den er dorthin richtete, kam mit dem Vermerk "Heilanstalt aufgelöst" zurück, was den Tatsachen entsprach, denn im Januar 1940 hatte die Gestapo die Patienten ermordet und die Anstalt geräumt, die danach nicht wieder psychiatrisch genutzt wurde.

Drei Monate nach dem von Chelm zurückgesandten Schreiben erhielt Johannes de Voss jedoch am 7. Februar 1941 aus der "Irrenanstalt Chelm" die Nachricht, Eva Borchardt sei verstorben. Die am 3. Februar ausgestellte Sterbeurkunde gab als Todesdatum den 1. Februar 1941, 16.45 Uhr, und als Todesursache "Grippe" an. Der wahre Sachverhalt wurde erst viele Jahre später bekannt: Die Sterbeurkunden wurden in der T4-Zentrale in Berlin ausgestellt und zu unterschiedlichen Zeiten per Kurier nach Lublin gebracht, wo sie bei der Post aufgegeben wurden. Da war Johannes de Voss längst tot.

Eva Leonore Borchardts Vermögen unterlag zwar einer "Sicherungsanordnung", war aber noch ihr Eigentum. Der Abwesenheits- und Nachlassverwalter teilte dem Oberfinanzpräsidenten ihren angeblichen Tod in Chelm bei Lublin mit, also einem Ort im Ausland. Posthum sollte nun der Anwalt den Auswandererantrag für Eva Borchardt stellen, da sie devisenrechtlich als Ausländerin (Auswanderin) anzusehen sei und ihre Vermögenswerte folglich den für Auswanderer geltenden Devisenbeschränkungen unterlägen. Die Reichshauptbank belehrte den Hamburger Oberfinanzpräsidenten, dass in diesem Fall Inlandsrecht gelte. Gleichwohl wurde das "Sicherungskonto" in ein Auswanderersperrkonto umgewandelt, aus dem ordnungsgemäß Erbschaftssteuer auf Eva Borchardts verbliebenes Vermögen gezahlt wurde.

Epilog

Am 9. Juli 1946, 12.15 Uhr, wurde Anna Kunz von der Spruchkammer des Landkreises Gießen "in die Gruppe der Entlasteten eingereiht". Grund der Belastung war ihre Mitgliedschaft in der NSDAP von 1933 bis 1940 gewesen, Grund ihrer Entlastung war der "Ausschluss aus der Partei im Jahre 1940. Widerstand gegen die Parteivorschriften durch nachweisbaren Verkehr mit Juden bis im Jahre 1940. Die Betroffene wurde im Stürmerkasten öffentlich gebranntmarkt (!)." Anna Kunz starb am 3. März 1976 in Allendorf a. d. Lumda im Alter von 93 Jahren. Ob sie je erfahren hat, welches Schicksal ihre Pensionärinnen erlitten hatten, ist nicht bekannt.

Stand August 2015
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 2 OFP FVg 8427; R 1939/3044, R 1940/42; 5; Hamburger Adressbücher; BA (ehem. BDC) NSDAP-Gaukartei; StaH, 232-5 Amtsgericht Vormundschaftswesen, 94; 241-2 Justizverwaltung, P 1709; 332-5 Standesämter, 1027-60/1934; 9124-171/1896; 6620-118/1923; 7987-663/1906; 8084-313/1925; 8568-171/1894; 8574-181/1895; 8636-364/1904; 9124-171/1896; 9873-16/1935; 13283-2480/1900; 332-7 Staatsangehörigkeit, B III 22294; 332-8 Meldewesen, K 4272; K 6035, K 6253; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 1572, 20586, 30074; 352-3 Ärztematrikel, I C 11, Bd. 6; 352-5 Todesbescheinigungen, StA 20 A, Nr. 313, 1925; StA 3a, Nr. 16, 1935; 361-1 Personalakten, I 0007; 364-13 Fakultäten der Universität, 42; Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 520/Gi Nr. GI 238, Entnazifizierung; AK Juden Allendorf, Stadtarchiv Allendorf a. d. Lumda, insbesondere Herbert Heibertshausen; Klee, Ernst, "Euthanasie" im Dritten Reich, Frankfurt/M., Neuausgabe 2010, S. 106–108; Mitteilungen von Angehörigen 2014.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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