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Elfriede Appel (geborene Voss) * 1882

Grindelallee 38 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz

Elfriede Appel, geb. Voss (oder Vohs), geb. am 16.01.1882 in Styrum, Kreis Mühlheim/Ruhr, deportiert am 25.10.1941 nach Litzmannstadt [Lodz]

Elfriede war die zweite Ehefrau des Schlachters Simon Appel (geb. 10. Mai 1860 in Nauenburg, Eltern: Simon Vohs und Fanny, geb. Kleve). Der Ehemann besaß das Grundstück in der Grindelallee 38 und das darauf stehende Haus, in dem sich die Schlachterei und auch ihre Wohnung befanden. Dort lebten sie mit ihren zwei Söhnen, dem am 12. Februar 1903 geborenen John und dem am 30. Januar 1906 geborenen Alfred. Die religiöse Familie besuchte die Bornplatz-Synagoge, in der auch die Barmitzwah von John und Alfred gefeiert wurde. Simon war Mitglied der Henry-Jones-Loge, einer Tochterloge der jüdischen Freimaurerloge Bnei Brith. Der jüngere Sohn Alfred ging zur Talmud Tora Schule und war Mitglied im jüdischen Sportverein Bar Kochba, für den er erfolgreich an Wettkämpfen in Hamburg, Hannover und Berlin teilnahm. Der ältere Bruder John verstarb im Jahr 1927 an den Folgen einer Operation.

Durch das Schächtverbot 1933 musste Simon sein Geschäft aufgeben und verpachtete die Schlachterei samt Wohnung an den nichtjüdischen Schlachter Willy Brammann. Die Familie Appel wechselte in die Schröderstiftstraße. Am 18. August 1936 verstarb der Simon Appel. Die Witwe Elfriede zog mit Alfred in die Gefionstraße in Altona um. Er arbeitete im Altonaer Kaufhaus "EWO" in der Großen Bergstraße und heiratete Charlotte Kriwer. Doch die Situation der Appels verschlechterte sich zunehmend: Die Pachtzahlungen für die Schlachterei gingen unregelmäßig ein, und sie litten zunehmend unter den NS-Verfolgungsmaßnahmen. Unter den Opfern der "Polenaktion", d.h. der am 28. Oktober 1938 erfolgten Abschiebung von 17 000 Juden polnischer Herkunft nach Polen, befanden sich Freunde und Kollegen, und in der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde Alfred selbst verhaftet. Über das KZ Fuhlsbüttel wurde er ins KZ Oranienburg-Sachsenhausen eingeliefert.

Während seiner Haftzeit dort wurden ihm die Wertsachen gestohlen, und er erlitt Misshandlungen. Seiner Ehefrau Charlotte gelang es in der Zwischenzeit, Einreisevisa nach Brasilien über Paraguay zu bekommen. Als Alfred gegen Ende Dezember 1938 entlassen wurde, musste er sofort emigrieren. Zuvor überschrieb er den geerbten Grundbesitz der Mutter. Alfred und Charlotte gelang die Flucht nach Brasilien mit 100 RM.

Was ihnen nicht gelang, war die erhoffte Rettung von Elfriede Appel. Sie konnte Deutschland nicht mehr verlassen. Sie musste erneut umziehen, diesmal in das Haus Papendamm 23. Dort wohnte sie wahrscheinlich bei ihrem Bruder, dem Schlachter Joseph Voss (geb. am 08. Oktober 1883 in Oberhausen), dessen Ehefrau Henny (geb. Hess, geb. am 01. Oktober 1891 in Osnabrück) und der noch minderjährigen Tochter Gisela. Die ältere Tochter Ilse war schon ausgezogen, kehrte aber 1940 in die Wohnung der Eltern zurück. Die Familie war im Dezember 1937 aus Rüstringen-Wilhelmshaven zugezogen und hatte die dortigen Grundstücke, höchstwahrscheinlich unter Zwang, verkauft. Auch Elfriede musste ihr Grundstück in der Grindelallee 38 verkaufen. Sie unterschrieb das Kaufangebot des Pächters am 12. Januar 1939. Der Kaufpreis betrug 24.900 RM, ausgezahlt wurden ihr 18.600. Es wurden auch zwei Hypothekenforderungen eingetragen, die sich auf 6.583 RM beliefen und sich auf ein Grundstück ihres Bruders in der Ulmenstraße 3 in Wilhelmshaven bezogen, doch diese wurden nie getilgt. Der Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks wurde, ebenso wie der Erlös aus dem Verkauf der Grundstücke ihres Bruders, auf ein gesichertes Konto eingezahlt, auf das sie nur beschränkt Zugriff hatte. Gegen Elfriede Appel war am 16. März 1939 eine solche Sicherungsanordnung erlassen worden. Ihr wurden monatlich 300 RM als Lebensunterhalt gestattet, was aber schon im November 1939 auf 200 gesenkt wurde, weil dies angeblich ausreichend sei. Für jede Ausgabe, die die zugestandenen 25 RM "für sonstige Ausgaben" überstieg, musste sie, wie alle Juden mit gesperrten Konten, detailliert begründete Anträge stellen. Dies betraf auch die benötigten Mittel für Medikamente und Arztbesuche, die die ältere Frau regelmäßig brauchte.

Anfang 1940 musste sie erneut umziehen, diesmal in die Beneckestraße 22, wo sie mit anderen Juden sehr beengt hauste. Sie war Untermieterin bei Nachum. Trotz ihrer misslichen Lage versuchte sie, ihren Verwandten die Auswanderung zu ermöglichen. Ihr Antrag, der Verwandten Olga Magnus, wohnhaft Grindelhof 71, für die Auswanderung nach Shanghai 200 RM zukommen zu lassen, wurde am 08. Mai 1940 gestattet. Auch ihr Gesuch, ihrem mittellosen Bruder Joseph samt Ehefrau Henny und Tochter Gisela für die Emigration nach Amerika 1710 RM geben zu dürfen, wurde am 30. Oktober 1940 bewilligt. Die Familie reiste, höchstwahrscheinlich mit Tochter Ilse, über Russland und Japan mit der Hamburg-Amerika-Linie in die USA.

Elfriede wurde am 25. Oktober 1941 ins Ghetto Lodz bzw. "Litzmannstadt" deportiert und dort ermordet. Mit ihr wurde ihre Cousine Senta Felixbrod (geb. Kriwer, geb. 14. August 1900 in Hamburg) deportiert, die am 25. April 1942 ermordet wurde. Die beiden schrieben einen letzten gemeinsamen Brief an Alfred und seine Familie in Brasilien, in dem deutlich wird, dass sie wussten, was sie erwartete.

Nach der Deportation zog die Behörde des Oberfinanzpräsidenten ihr Vermögen – wie bei deportierten Juden üblich – ein.

© Jacqueline Malchow

Quellen: StaHH, 522-1, Jüdische Gemeinden, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs; http://www.sonderarchiv.de/fonds/fond1219.pdf; Meyer, Beate (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung. Hamburg: Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, 2006. S. 25; Wamser, Ursula; Weinke, Wilfried (Hrsg.): Eine verschwundene Welt. Jüdisches Leben am Grindel. Springe: Zu Klampen Verlag, 2006, S. 327ff.; StaHH, 314-15, Oberfinanzpräsident R 1939/2234.; ebd., FVg 8439; ebd. R 1939/700; Löw, Andreas: Juden im Getto Litzmannstadt. Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung, Verhalten (Schriftenreihe zur Lodzer Gettochronik). Hg. v. der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der Universität Gießen und dem Staatsarchiv Lodz. Wallsteinverlag, 2006. S. 233–252.

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