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Johann Max Land * 1866

Arnoldstraße 21 (Altona, Ottensen)

Freitod 1.3.1942 Hamburg

Johann Max Land, geb. 17.5.1866, Suizid am 1.3.1942

Am Sonntagnachmittag, dem 1. März 1942, erschien der Hausmeister aus der Arnoldstraße 21 auf der Polizeiwache und gab an, den Hausbewohner Max Johann Land seit Tagen nicht mehr gesehen zu haben. Er vermutete, diesem sei etwas zugestoßen. Daraufhin wies ein Polizeibeamter einen Schlosser an, die Wohnung zu öffnen. Man fand Max Land tot in seinem Bett. Er hatte sich das Leben genommen.

Die Wohnung sei "in wüstem Durcheinander" gewesen, zwei Abschiedsbriefe wurden gefunden. Nicht versäumt wurde im Polizeibericht der Hinweis, Land sei "Volljude" gewesen. Der Tote wurde in die Leichenhalle Altona in der Weidenallee gebracht. Der Leichenermittlungsdienst ging jedem "unnatürlichen Sterbefall" nach. Offenbar hatte Max Land einen schmerzvollen Tod erlitten; auf dem Todesschein wurde "Vergiftung mit ätzender Flüssigkeit" festgestellt, "schwere Verätzungen im Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen" waren die Folge gewesen.

Max Johann Land, Sohn von Joseph Land und seiner Frau Rosalie, geborene Michaelson, stammte aus Danzig. Er hatte Clara Wiehmann geheiratet, die nichtjüdischer Herkunft war. Die Ehe blieb kinderlos. Max Land betätigte sich als Kaufmann, doch zuletzt war er auf die jüdische Wohlfahrt angewiesen, und lebte alleine in einer ärmlichen Einzimmerwohnung im ersten Stock der Arnoldstraße 21 in Ottensen. Täglich musste er sich aus dem Keller Wasser holen und dort auch die Toilette benutzen, auch deshalb war dem Hausverwalter und den anderen Bewohnern sein Fehlen aufgefallen.

In einem Abschiedsbrief an seinen Nachbarn Kapitän Fritz Winkelmair erklärte Land die Gründe für seinen Suizid. "Mein Lieber Fritz! In den letzten 24 Stunden hat sich mein Blasenleiden derart verschlimmert, daß ich es vorziehe, zeitig aus diesem Leben zu scheiden und zwar heute Nacht durch Einnahme von Gift. Ich tue es ohne Furcht vor dem Tode, um nicht der staatlichen Fürsorge zur Last zu fallen und um nicht in einem Altenheim einem qualvollen Siechtum, welches eventl. einige Monate dauern kann, zu verfallen. Empfange meinen innigen Dank für deine Freundschaft in den letzten Jahren, die für mich auch im Jenseits unvergessen bleiben wird …" Max Land bat ihn, "einen schönen Gruß an alle lieben Einwohner dieser Häuser, wo ich 22 Jahre wohnte" auszurichten.

In einem zweiten Brief "an die Sozialverwaltung" erklärte er, dass sich sein Blasenleiden trotz zweier Operationen zwischen November 1938 und Februar 1939 so verschlimmerte habe, dass er nicht qualvoll sterben und der Fürsorge zur Last fallen wolle. Max Land hing dem christlichen Glauben an und hatte dem Abschiedsbrief eine Bescheinigung beigefügt, die ihn seit 1914 als Gemeindemitglied der evangelischen Kirche St. Nicolai auswies. Er bat Pastor Lensch von der nahe gelegenen Christianskirche, bei seiner Bestattung anwesend zu sein. Abschließend erwähnte er, dass er keine Angehörigen habe, dass die Wohnungsmiete bezahlt sei, und bedankte sich für alle "Guttaten durch das Sozialamt".

Max Land war 75 Jahre alt, als er starb. Er sah keinen Ausweg mehr aus seiner verzweifelten Lage. Sehr wahrscheinlich wäre er als "Arier" besser medizinisch versorgt worden. Vermutlich ängstigte ihn die drohende Deportation. Selbst wenn sich zu der Zeit kaum jemand eine systematische Ermordung der Juden vorstellen konnte, so mussten ihn als Blasenkranken schon die Vorstellung eines tagelangen Transportes und die Aussicht, im Osten unter harten Bedingungen leben zu müssen, gequält und entmutigt haben. Dieser Zukunft hatte er sich entzogen.

Sein Wunsch nach einer christlichen Bestattung wurde nicht erfüllt. Auf seiner Kultussteuerkarteikarte ist – mit Fragezeichen – "Zentralfriedhof " vermerkt, doch die Polizeiakte weist nach, dass seine Leiche zu wissenschaftlichen Zwecken an das anatomische Institut Hamburg übergeben wurde.

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 4; StaHH 314-5, Polizeibehörde, Unnatürliche Sterbefälle 1942/517, Land, Max.

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