Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Gerda Baruch * 1896

Grindelallee 134 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
GERDA BARUCH
JG. 1896
DEPORTIERT 1941
MINSK
???

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 134:
Betty Bandmann, Malchen Berlin, Bella Hirsch, Leopold Hirsch, Alfred London, Sophie London, Minna Meyer, Rachel Pincus, Röschen Wertheim

Gerda Baruch, geb. am 23.6.1896 in Harburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen

Grindelallee 134

Gerda Baruchs Eltern waren der jüdische Haus- und Hypothekenmakler Philipp Baruch und seine Frau Olga, geborene Philipp. Harburg war zwar nicht die Geburtsstadt des Immobilienmaklers Philipp Baruch und seiner ebenfalls jüdischen Ehefrau Olga, aber es wurde ihre Heimatstadt, nachdem sie Ende des 19. Jahrhunderts geheiratet hatten. Mit ihren beiden Töchtern Gerda und Alice (geboren 18. Januar 1898, ebenfalls in Harburg, s. "Stolpersteine in Hamburg. Grindel I. Hallerstraße und Brahmsallee") wohnten sie in der Mozartstraße 15 (heute Hastedtplatz). Das Büro ihres Vaters befand sich in der Mühlenstraße 35 (heute Schlossmühlendamm), einer der bedeutendsten Geschäftsstraßen der damals preußischen Industriestadt Harburg a. d. Elbe, die das Stadtzentrum mit dem Harburger Hafen verband.

Die beiden Töchter besuchten Harburger Schulen und verstanden sich mit ihren christlichen Freundinnen – so jedenfalls erinnerte sich ihr Jugendfreund Max Rotter später – ebenso gut wie mit den jüdischen Kindern und Jugendlichen in ihrer Nachbarschaft.

Nach 1933 schlug der bis dahin zumeist latente Antisemitismus auch in Harburg schnell in offenen Judenhass um. Es dürfte nicht lange gedauert haben, bis Philipp Baruch aus dem "Reichsbund deutscher Makler" ausgeschlossen wurde. Wie andere jüdische Familien verlegten auch die Baruchs im Dezember 1935 ihren Wohnsitz von Harburg in die benachbarte Großstadt Hamburg, in die Grindelallee 134, wo sie sich vermutlich von der größeren Anonymität besseren Schutz und von der Begegnung mit anderen Verfolgten mehr Solidarität versprachen.

Tochter Gerda war zu diesem Zeitpunkt als Kontoristin bereits erwerbslos und nahm in den folgenden Jahren jede noch so kurzzeitige und schlecht entlohnte Beschäftigung an, unter anderem bei der Warburg-Bank in den Alsterterrassen. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Alice arbeitete nach dem Umzug nacheinander bei mehreren Familien als "Haustochter", zuletzt bei den Carlebachs, der Familie des Hamburger Oberrabbiners Joseph Carlebach in der Hallerstraße 76, die inzwischen "Ostmarkstraße" hieß. Dort erhielt sie im Herbst 1941 auch den "Evakuierungsbefehl" für den ersten Hamburger Deportationstransport nach Litzmannstadt/Lodz am 25. Oktober 1941. Ihre Schwester Gerda wurde drei Wochen später am 18. November 1941 nach Minsk deportiert.

Philipp und Olga Baruch zogen aus der Grindelallee in das jüdische Altersheim in der Sedanstraße 23.

Nachdem im Herbst/Winter 1941 bereits über 3000 Jüdinnen und Juden aus Hamburg in den Osten deportiert worden waren, setzte im Sommer 1942 eine zweite große Deportationswelle ein, von der noch einmal fast 2000 zumeist ältere Hamburger Jüdinnen und Juden erfasst wurden. Zwei dieser Transporte gingen in die böhmische Garnisonsstadt Theresienstadt/Terezin, von den Nationalsozialisten zu einem Getto ausgebaut, das sie wenig später zum "Altersgetto" für deutsche Jüdinnen und Juden erklärten. Jüdinnen und Juden im Alter von über 65 Jahren, prominente, dekorierte oder gebrechliche Jüdinnen und Juden sowie Ehepartner aus nicht mehr bestehenden "Mischehen" sollten hier einen angeblich sorglosen Lebensabend verbringen. Am 19. Juli 1942 wurden auch Philipp und Olga Baruch nach Theresienstadt deportiert.

Spätestens bei der Ankunft an ihrem neuen "Wohnsitz" haben beide wahrscheinlich erkannt, dass sie getäuscht worden waren. Nach der Bahnfahrt mussten sie wie alle anderen noch einen drei Kilometer langen Fußmarsch bis zum Lager mit ihren schweren Koffern und Rucksäcken zurücklegen. Noch bedrückender als der trostlose Alltag, dem sie hier ausgesetzt waren, dürfte auch für sie in den anschließenden Wochen und Monaten die Angst vor den Transporten gewesen sein, die in unregelmäßigen Abständen in den Osten abgingen. Die Menschen verschwanden permanent auf Nimmerwiedersehen. Alles Warten auf ein Lebenszeichen der Abgereisten blieb vergebens.

Keine zwei Monate nach ihrer Ankunft in Theresienstadt mussten sich auch Philipp und Olga Baruch zu einem dieser Weitertransporte an der befohlenen Sammelstelle einfinden. Ihre Fahrt endete im Vernichtungslager Treblinka im besetzten Polen. Über die letzten Stunden im Leben dieses Ehepaares wissen wir ebenso wenig wie über das Lebensende ihrer ebenfalls nach offizieller Lesart "verschollenen" Töchter Gerda und Alice Baruch.

Die Stolpersteine für Philipp und Olga Baruch liegen auf dem Hastedtplatz 15 in Harburg (s.a. die Biographie von Klaus Möller in "Stolpersteine in Hamburg-Harburg. Biographische Spurensuche" und auf www.stolpersteine-hamburg.de), der Stolperstein für Alice Baruch in der Hallerstraße 76 (s.a. die Biographie von Klaus Möller in dem Buch "Stolpersteine in Hamburg. Grindel I – Hallerstraße und Brahmsallee. Biographische Spurensuche" und auf www.stolpersteine-hamburg.de).


Stand: Juli 2017
© Klaus Möller, mit Ergänzungen von Petra Schmolinske

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 4 und Bd. 5; Heyl (Hrsg.): Harburger Opfer; Heyl: Synagoge.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang