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Louis und Selma Blumenthal, 1939
© aus: Wo Wurzeln waren

Selma Blumenthal (geborene Cohn) * 1897

Heußweg 11 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1943 Theresienstadt
1944 weiterdeportiert nach Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Heußweg 11:
Louis Blumenthal, Dorothea Seligmann

Louis Blumenthal, geb. am 30.11.1888 in Angerburg/Ostpreußen (heute Wegorzewo in Polen), gest. am 29.10.1942 in Hamburg
Selma Blumenthal, geb. Cohn, geb. am 12.12.1897 in Altona, deportiert am 10.3.1943 nach Theresienstadt, deportiert am 15.5.1944 nach Auschwitz und ermordet

Heußweg 11

Louis Blumenthal war gebürtig aus Angerburg in Ostpreußen, einer kleinen Stadt, die, als er geboren wurde, etwa 4000 Einwohnerinnen und Einwohner zählte. Sein Vater war der Kultusbeamte Jacob Blumenthal und seine Mutter Rosa war eine geborene Cohn. Louis’ Ehefrau Selma hingegen war Hamburgerin bzw. Altonaerin. Ihre Eltern hießen Moritz und Rosa Cohn, geb. Nathan, und wohnten in Altona in der Eulenstraße 2, als ihre Tochter Selma zur Welt kam.

Louis Blumenthal und Selma Cohn heirateten am 30. Januar 1920 in Altona. Louis Blumenthal wohnte damals in der Mendelssohnstraße 10 I (heute Schopstraße) in Eimsbüttel und Selma in Altona in der Marktstraße 53 im elterlichen Haushalt. Später bezog das Ehepaar mit seinen beiden Kindern Heinz Joachim (geb. 1920) und Liselotte Ruth (geb. 1922) im Heußweg 11 eine Vierzimmerwohnung in der zweiten Etage. In der Osterstraße 177 und dann in der Nummer 153a, zwischen einer Drogerie und einer Brotfabrik, betrieb Louis Blumenthal ein Geschäft für Damenbekleidung. Die Häu­ser an der Osterstraße 151/153 mit den Hinterhäusern 1–4 befanden sich seit den 1920er Jahren in seinem Besitz. Miteigentümerin war eine Zeit lang eine Witwe Nathan – vielleicht eine Verwandte Selmas –, später gehörten die Häuser Louis Blumenthal allein. Die Blumenthals waren recht vermögend. Außer den Grundstücken in der Osterstraße besaßen sie in Hamburg noch weitere Immobilien. Die Kinder besuchten Höhere Schulen, Liselotte die liberale Loewenberg-Realschule an der Johnsallee, wo jüdische und christliche Kinder gemeinsam unterrichtet wurden.

Viele Eimsbütteler und Eimsbüttelerinnen kannten und schätzten Louis Blumenthal. Wie viele deutsche Juden, die am Ersten Weltkrieg teil­genommen hatten, trug auch er sein Eisernes Kreuz mit Stolz. Dafür hatte er einen hohen Preis gezahlt: Louis Blumenthal hatte im Krieg ein Bein verloren und gehörte zu den Kriegsversehrten.

Im November 1938 wurde der Laden Ziel nationalsozialistischer Angriffe, und Louis Blumenthal wurde seines Vermögens beraubt, das nur wenige Wochen nach dem Pogrom mit einer "Sicherungsanordnung" belegt und seiner Verfügung entzogen wurde. Auf die gesperrten Konten mussten die Erlöse aus dem (Zwangs-)Verkauf seines Grundstücks und seines Geschäfts eingezahlt und von ihnen die verschiedenen Sondersteuern und Vermögensabgaben, die über die jüdische Bevölkerung verhängt worden waren, abgeführt werden. Die Familie durfte nur noch über 500 Reichsmark (RM) monatlich verfügen.

Wie die Familie vom nationalsozialistischen Regime ausgeplündert und erniedrigt wurde, ist aus­führlicher von Astrid Louven in dem Buch ",Wo Wurzeln waren’. Juden in Hamburg-Eimsbüttel 1933 bis 1945" anhand der vorhandenen Akten geschildert worden. Sein Bekleidungsgeschäft musste Louis Blumenthal 1938 verkaufen. Ende November 1938 wurde auch für das Grundstück Osterstraße 151/153a ein Kaufvertrag abgeschlossen; der Verkauf wurde 1939 genehmigt. Über das Geld aus den Verkäufen konnte die Familie allerdings ebenfalls nicht verfügen.

Im Frühjahr 1939 traf die Familie Vorbereitungen für die Auswanderung der beiden Kinder nach England. Nachdem das Finanzamt der Gestapo die steuerliche Unbedenklichkeit der als Lernschwester arbeitenden Liselotte Blumenthal bescheinigt hatte, erhielt Louis Blumenthal die Genehmigung, 500 RM für die Auswanderung seiner Tochter von seinem Konto abzuheben. Gleichzeitig musste er für die Auswanderung aber eine Golddiskontbankabgabe in Höhe von 335 RM entrichten. Mitte Juni 1939 beantragte er bei der Devisenstelle 800 RM für die Auswanderung seines Sohnes Heinz Joachim, die ihm ohne Kürzung bewilligt wurden. In einer Auflistung musste er die Ausgaben allerdings belegen. Beide Kinder gelangten über Großbritannien nach Australien.

Im September 1939 musste Louis Blumenthal erneut Auskunft über sein Vermögen geben. Da­­nach verfügte das Ehepaar noch über ein so genanntes Reinvermögen von knapp 40.000 RM. Verfügen durfte es jetzt nur noch über 400 RM monatlich, da die Kinder nicht mehr zum Haushalt gehörten.

Im Januar 1940 wurde das Genehmigungsverfahren in Bezug auf die "Sicherungsanordnungen" geändert. Genehmigungsfrei waren nun nicht mehr nur der monatliche Freibetrag, sondern auch andere Zahlungen wie Abgaben, Steuern, Gebühren und Honorare an Ärzte, Anwälte, Krankenhäuser etc. Die neuen Bestimmungen erlaubten zudem, Anschaffungen im Zusammenhang mit der Auswanderung zu tätigen.

Dadurch, dass alle Zahlungen nur durch direkte Überweisungen über die Banken zu leisten und von diesen mit einem Zahlungsvermerk zu versehen waren, sollten illegale Geldtransfers ins Ausland verhindert werden. Im Dezember 1941 verkaufte Louis Blumenthal ein Grundstück am Billhorner Röhrendamm 162/164. Die Kaufsumme wurde auf sein Sperrkonto eingezahlt.

Wahrscheinlich 1942 mussten Louis und Selma Blumenthal ihre Wohnung im Heußweg aufgeben und ins Jüdische Krankenhaus und Pflegeheim in der Schäferkampsallee 25/29, das zum "Judenhaus" deklariert worden war, umziehen. Louis Blumenthal arbeitete dort als Krankenpfleger, möglicherweise auch als Heimleiter. Ob er schon schwer krank war, als er in die Schäferkampsallee zog, oder erst dort an Blasenkrebs erkrankte, wissen wir nicht. Er starb am 29. Oktober 1942 im Jüdischen Krankenhaus während der Operation an einem Atemstillstand. Aber auch sonst hätte er wenig Aussicht gehabt, mit dieser Krankheit zu überleben. Zum einen waren die damaligen Therapiemöglichkeiten ungleich schlechter als heute, zum anderen war die medizinische Versorgung von Juden nur noch eingeschränkt möglich.

Die Deportationen der jüdischen Bürger liefen bereits seit einem halben Jahr, so dass es auch für Selma Blumenthal nur noch einen kurzen Aufschub gab.

In einem Bericht der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland vom 21. Dezember 1942 hieß es, dass das Arbeitsamt die Zuweisung von Arbeitskräften für das Jüdische Krankenhaus und Pflegeheim in Aussicht gestellt habe. Fünf Mitarbeiterinnen sollten als Ersatz für fünf ausgeschiedene bzw. ausscheidende Arbeitskräfte zugeteilt werden. Zu diesen gehörte auch Selma Blumenthal, die die Stelle ihres verstorbenen Ehemannes einnahm.

Bevor Selma Blumenthal im März 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde, war sie gezwungen, einen Heimeinkaufsvertrag über 40.000 RM abzuschließen. Damit fand der Raub ihres Vermögens seinen Abschluss. Ein Jahr nach ihrer Deportation wurde Selma Blumenthal von Theresienstadt nach Auschwitz weitertransportiert, wo sie ermordet wurde. Sie wurde 46 Jahre alt. In Hamburg wurde ihr Hausstand am 8. Juni 1943 öffentlich versteigert. Die Versteigerung wurde im Hamburger Tageblatt und im Hamburger Fremdenblatt angezeigt. Der Bruttoversteigerungserlös betrug 6.185,80 RM.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 2, (3643/38; R1938/3643); 4; 5; 8; StaH 214-1, 163; StaH 331-5, 2 Journal 1942/1943; StaH 332-5 Standesämter, 6179 und 1284/1897; StaH 332-5, 8179 und 511/1942; StaH 332-5, 6049 und 89/1920; StaH 351-11 AfW, AZ 301188; Bundesarchiv Berlin R8150/51, Bericht RVJD an RSHA vom 21.12.1942; HAB II 1926 und 1939; HAB IV 1921, 1926 und 1937; Brief von Matten Meitzel vom 20.2.1990; Astrid Louven in: "Wo Wurzeln waren", S. 133ff.

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