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Charlotte Dammann * 1922

Hallerstraße 76 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Riga
ermordet

Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 76:
Alice Baruch, Sara Carlebach, Charlotte Carlebach, Dr. Joseph Zwi Carlebach, Noemi Carlebach, Ruth Carlebach, Margarethe Dammann, Gertrud Dammann, Dina Dessau, Felix Halberstadt, Josabeth Halberstadt, Elsa Meyer, Margarethe Meyer, Alice Rosenbaum, Julius Rothschild, Jente Schlüter

Margarete Dammann, geb. Güdemann, geb. am 20.3.1890 in Hildesheim, deportiert am 6.12.1942 nach Riga-Jungfernhof
Gertrud Dammann, geb. am 17.10.1920 in Göttingen, deportiert am 6.12.1942 nach Riga-Jungfernhof, weiterdeportiert am 1.10.1944 nach Stutthof
Charlotte Dammann, geb. am 4.5.1922 in Göttingen, deportiert am 6.12.1942 nach Riga-Jungfernhof

Hallerstraße 76

Margarete Dammann wurde am 20.3.1890 in Hildesheim geboren. Sie war die Tochter des Schlachtermeisters Güdemann und seiner Frau Bertha, geb. Fränkel. Der Beruf des Schlachters wurde in der Familie bereits seit mehreren Generationen ausgeübt. Margaretes Mutter war am 7.2.1867 in Bolzum/Hildesheim geboren. Sie hatte noch eine jüngere Tochter Hanna, geb. 8.7.1891, und einen Sohn Ivan, geb. 26.1.1896. Über das Leben von Ehemann und Sohn wurde nichts bekannt. Jedoch wurde in einer Chronik erfasst, dass Bertha Güdemann weiter mit ihrer jüngeren Tochter Hanna in dem Haus der Familie wohnte. Hanna blieb unverheiratet.

Margaretes späterer Ehemann Otto Dammann stammte aus Bad Salzdetfurth. Er wurde am 1.10.1884 als zweitältester Sohn des Kaufmanns Hermann Dammann geboren. Seine Eltern hatten in Bad Salzdetfurth ein Geschäft für Manufakturwaren und Stoffe. Es heißt die Stoffe wurden noch vom Ballen verkauft. Der Vater, um 1850 in Gronau bei Hannover geboren, war am Ort angesehen. Er war Ratsherr. Er war mit Bertha, einer geborenen Dammann, verheiratet, mit der er sieben Kinder hatte. Ottos Vater starb 1932 mit 82 Jahren.

Otto Dammann war kaufmännischer Angestellter in Berlin, vermutlich Bankangestellter, ehe er 1919 nach Hildesheim zog und dort am 9. November 1919 Margarete Güdemann heiratete. Das Paar zog nach Göttingen, wo Otto Dammann Direktor der dortigen Dresdner Bank wurde. In Göttingen wurden die Töchter geboren: Gertrud am 17.10.1920 und Charlotte am 4.5.1922. Die Familie lebte bis 1927 in Göttingen. Doch im August 1927 erfolgte ein Umzug zurück nach Hildesheim, zurück in Margaretes Elternhaus zu Mutter und Schwester. Otto Dammann ging für mehrere Jahre auf Reisen.

Margarete hielt es jedoch nicht lange bei ihrer Herkunftsfamilie. Bereits nach knapp zwei Jahren, am 25. November 1929, zog sie mit ihren Töchtern nach Hamburg. Sie fand dort eine Arbeit als kaufmännische Angestellte. Sie zog mit ihren Mädchen in den Nerlichsweg 2 im Stadtteil Hamm. Die Mädchen lebten dort mit ihrer Mutter acht Jahre, während der sie – mit langem Schulweg – in die jüdische Mädchenschule in der Karolinenstraße im Grindel gingen. Eine ehemalige Nachbarin und Zeitzeugin schilderte, dass die Töchter dunkelhaarige hübsche Mädchen waren. Die Nachbarskinder trafen sich demnach in den Höfen und Gärten. Sie spielten hinten "über Eck" in den großzügigen Gärten, nicht vorn auf der Straße. Sie schlüpften durch die Staketen-Zäune in die anderen Gärten. Mutter Dammann hatte oft und gern Besuch bei sich zu Hause zum Essen. Sie soll auch gern im Badezimmer gesungen haben, sodass die Nachbarn über die Lichtschächte im Bad mit beschallt wurden. Otto Dammann war klein und zierlich, seine Frau mollig, schwarzhaarig, sehr nett und lebensfroh, eine "richtige jüdische Mamme". Die Zeitzeugin spricht von einer richtigen "Kinder-Clique", die Marmeln, Springtau oder auch Zirkus spielte – bis dann immer mehr von ihnen irgendwann "weg" waren.

Die Töchter waren 15 und 17 Jahre alt, als der Vater zurückkam. Laut Adressbuch lebte er dann 1937 wieder bei seiner Familie. Die Familie zog 1937 um in die Hallerstraße 76, in eine 3½-Zimmer-Wohnung im IV. Stock. Die Familie konnte jedoch nur wenige Monate zusammen bleiben, denn Otto Dammann war schwer erkrankt. Er starb am 27. Januar 1938 im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg an einem Magengeschwür. Die Todesnachricht übermittelte Johanna "Sara" Güdemann, also Hanna, Margaretes Schwester, an das örtliche Standesamt in Hildesheim. Otto Dammann wurde auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Hamburg Ohlsdorf beerdigt.

Nach Otto Dammanns Tod schränkten sich Mutter und Töchter räumlich ein. Sie nahmen eine zweite Familie in ihre Wohnung auf. Dies war eine Mutter mit ihren beiden erwachsenen Töchtern: Herta Hammerschlag, geb. Magnus (geb. 16.6.1907), Ellen (geb. 28.10.1929) und Inge (geb. 9.6.1933). Die drei hatten ihre Wohnung in der Oberstraße 62 räumen müssen. Sie zogen für mehr als drei Jahre (vom 22. August 1938 bis 12. Dezember 1941) bei den Dammanns ein und dann weiter in die Sierichstraße 140. Familie Hammerschlag wurde am 23. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und am 28. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz. Stolpersteine liegen vor ihrer letzten Wohnung in der Sierichstraße 140.

Die Kultussteuerkarte für Margarete Dammann aus der Hallerstraße 76 lässt erkennen, dass sie ab 1. Januar 1938 (wieder?) Mitglied der jüdischen Gemeinde war. Sie arbeitete demnach wieder als kaufmännische Angestellte. Sie entrichtete geringe Beiträge für sich und ihre Töchter bis 1939 einschließlich. Für den 6. Dezember 1941 ist die "Abwanderung" vermerkt, wie eine Deportation euphemistisch genannt wurde. Margarethe und ihre Töchter wurden in das Außenlager Jungfernhof des Gettos Riga verschleppt. Wann und wie die Mutter Margarethe und ihre Tochter Charlotte zu Tode kamen ist nicht bekannt.

Die ältere Tochter Gertrud lebte dort noch nahezu drei Jahre. Sie heiratete Sieg­fried Ramsfelder (geb. 1904 in Oppach/Bayern, deportiert im November 1941 aus Würzburg) nach rituellem Ritus, d.h. das Paar wurde von einem Rabbiner im KZ Riga getraut. Am 1. Oktober 1944 wurden sie gemeinsam in das KZ Stutthof weiter deportiert. Gertruds Spur verliert sich dort. Siegfried Ramsfelder überlebte das Lager und kehrte nach Deutschland zurück. In den Jahren 1956 bis 1958 leitete er die jüdische Gemeinde in Würzburg und starb 1960 in den USA.

Über Margarete Dammanns Verwandte ist bekannt, dass aus ihrer angeheirateten Familie die fünf Geschwister ihres Mannes aus Salzdetfurth – ein Bruder starb als Kind – sämtlich in NS-Vernichtungslagern umkamen.

Margaretes Mutter Bertha Güdemann und ihre Schwester Hanna wurden am 23. Juli 1942 über Hannover in das Getto Theresienstadt deportiert. Mutter Bertha starb dort am 30. Juni 1943. Hanna wurde am 15. Mai 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und kam dort um.

Zur Erinnerung an Bertha, Hanna und Margarethe sind in Hildesheim Stolpersteine verlegt worden. Der Stolperstein für Hanna liegt, veranlasst von der Initiative des Goethegymnasiums Hildesheim, vor ihrer damaligen Schule.

Stand: September 2016
© Ulrike Martiny Schüddekopf

Quellen: 1; (Karte Nr. 18486); StaH 332-5 Standesämter_1101/46/1939 Sterbeurkunde Otto Dammann; 522-1, Jüdische Gemeinden, Deportationslisten; http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch (eingesehen am 15.2.2015); http://vernetztes-erinnern-hildesheim.de/pages/home/bad-salzdetfurth/personen/helene-baruch-geb.-dammann.php; www.mainpost.de (Artikel v. 6.3.2014) Meldekartei; Göttinger Adressbuch 1927; Prauss, Verfolgt, S. 13f., 38–41; Auskunft Rolf Lohmar v. Stadtarchiv Göttingen v. 24.8.2015; Gespräch mit der Zeitzeugin Frau Schubert, Hamburg, am 14.9.2016; Auskunft von Frau Schäfer, Generalregister Hamburg per E-Mail vom 19.1.2016: Auskunft von Peter Landé, USHMM v. 19.1.2016, Auskunft von Herrn Schlabitz, Bundesarchiv v. 15.1.2016; Auskunft von Frau Tartakowska v. 1.2.2016, Auskunft Gedenkstätte Stutthof.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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