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Arthur Dinemann * 1893

Poststraße links neben Nr. 51 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ARTHUR DINEMANN
JG. 1893
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Poststraße links neben Nr. 51:
(C)Kornelia Dinemann, Fanny Dinemann

Arthur Dinemann, geb. am 10.6.1893 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Kornelia Dinemann, geb. Weisz, geb. am 18.4.1894 in Budapest, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Fanny Dinemann, geb. am 1.6.1932 in Hamburg, deportiert am 19.10.1942 von Berlin nach Riga, dort gestorben 22.10.1942

Poststraße 51 (Königstraße 49)

Die Eltern von Arthur Dinemann heirateten am 17. September 1892 in Hamburg, beide wohnten im Neuen Steinweg 74. Der Vater Julius Marcus Dinemann war Handlungsgehilfe und später auch selbstständiger Textilkaufmann. Er war am 25. Januar 1861 als Sohn des jüdischen Ehepaares Marcus Abraham Dinemann und Hitzel Henriette, geb. Cohn, in Hamburg zur Welt gekommen. Arthurs Mutter, die Schneiderin Maria, geb. Pforr, war am 14. Juni 1864 im holsteinischen Preetz geboren worden. Sie war evangelisch-lutherischer Konfession und die Tochter des Bäckers Heinrich Pforr und Sophia, geb. Voss.

Als erstes Kind war Arthur am 10. Juni 1893 zur Welt gekommen. Hermine war am 22. Juni 1896 und Herbert am 5. August 1900 gefolgt. Hermine starb am 8. August 1896 und auch Herbert wurde nur vier Jahre alt. Er starb am 27. Oktober 1904. Im selben Jahr am 20. April war Martin, der Jüngste, geboren worden.

Martin Dinemann berichtete nach dem Krieg, seine Eltern hätten schon bald nach der Geburt seines Bruders Arthur bemerkt, dass dieser gehörlos zur Welt gekommen war. Als Arthur Dinemann im Jahre 1900 schulpflichtig wurde, kam er in die 1827 in Hamburg gegründete und 1882 verstaatlichte "Taubstummenanstalt" in der Bürgerweide 21 in Hamburg-Borgfelde. 1906 ließen ihn seine Eltern taufen. Arthur Dinemann begann nach Ende seiner Schulzeit eine Lehre als Herren- und Damenschneider und lebte im Haushalt seines Lehrmeisters in Schenefeld in Holstein. Im Anschluss arbeitete er als Geselle in Bergedorf im Stadtteil Curslak. Während seiner Ausbildungszeit starb sein Vater, erst 48 Jahre alt, am 15. Mai 1909; er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.

Maria Dinemann hielt sich und ihren jüngsten Sohn Martin nach dem Tod ihres Mannes als Arbeiterin über Wasser. Martin Dinemann erinnerte sich: "1914 bei Kriegsausbruch gab mein Bruder seine Berufstätigkeit in Bergedorf auf. Er kehrte zu uns nach Hause zurück. Wir wohnten in der Hamburger Neustadt in der Peterstraße 21. Es wurde eine Schneidernähmaschine gekauft bzw. ein Gewerbeschein beantragt und ausgehändigt. Von 1914 bis 1918 wurde, bedingt durch die damalige Kriegszeit, Uniformkleidung angefertigt. Mein Bruder schneiderte in den Jahren in Heimarbeit Militärkleidung aller Art. Mutter war mit dem Nähen von Hemden beschäftigt. Somit nahm in damaliger Zeit mein Bruder die Sorge meiner Mutter ab. […] Kurzgesagt er übernahm die Sorgepflicht für den verstorbenen Vater. Ich kam 1919 aus der Schule und machte mit Hilfe meines Bruders von 1919 bis 1921 eine kaufmännische Lehre. […] So lebten wir bis 1925 gemeinschaftlich zusammen."

Am 3. November 1925 starb Maria Dinemann in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Arthur und Martin bewohnten zu diesem Zeitpunkt ein möbliertes Zimmer im Pilatuspool und gründeten nach ihrer Heirat dann eigene Haushalte. Als Arthur am 31. Dezember 1925 heiratete, war er bereits im Valentinskamp 74 gemeldet. Dort lebte auch seine Braut, die ebenfalls gehörlose Kornelia (Cornelia) Weisz mit ihren Eltern.

Kornelia war am 18. April 1894 in Budapest als Tochter jüdischer Eltern geboren worden. Ihr Vater, der Mechaniker und Klempnermeister Emanuel Weisz, geboren am 5. November 1865 in Ungarn, hatte mit seiner Familie Anfang des 20. Jahrhunderts die Heimat verlassen. Der erste Eintrag in den Hamburger Adressbüchern verzeichnet Emanuel Weisz 1903 als Klempner in der Bürgerweide 22, Haus 2. Ob seine Tochter Kornelia die benachbarte "Taubstummenanstalt" in der Bürgerweide besuchte, ist nicht überliefert.

1906 wohnte Familie Weisz in der Lindenstraße 71 im Stadtteil St.Georg, 1914 im Kleinen Burstah 8. 1915 war Emanuel Weisz als Klempner und Mechaniker in der Poolstraße 42 gemeldet. 1918 betrieb er eine Lampenfabrik in der Wexstraße 8. Zum Zeitpunkt der Hochzeit seiner Tochter Kornelia besaß Emanuel Weisz eine Vernicklungsanstalt und arbeitete als Galvaniseur (Oberflächenbeschichter). Er verstarb am 7. Juli 1937 in Hamburg. Seine Ehefrau Fanny Franziska, geb. Grün, geboren am 3. Mai 1867 in Budapest, war Schneiderin und selbstständig tätig. Sie starb bereits am 14. September 1925 im Krankenhaus der "Diakonissenanstalt Jerusalem" am Moorkamp 2 in Eimsbüttel. Obwohl dieses Krankenhaus der Jerusalem-Gemeinde Menschen aller Konfessionen aufnahm, könnte es auch ein Indiz dafür sein, dass Familie Weisz bereits der Jerusalem-Gemeinde in der Schäferkampsallee angehörte. Dort wurden auf Anregungen der 1912 in Hamburg gegründeten Vereine "Hepatha" und "Schutzverband der Schwerhörigen" regelmäßig Gottesdienste für Schwerhörige abgehalten. Die Jerusalem-Gemeinde selbst sah ihre Aufgabe darin, Jüdinnen und Juden zum christlichen Glauben zu bekehren.

Arthur und Kornelia Dinemann könnten sich auch in einem dieser Verbände kennengelernt haben. Obwohl Arthur Dinemann als Kind getauft wurde, wie auch auf seiner Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vermerkt wurde, zahlte er 1929 Kultussteuern an die Deutsch-Israelitische Gemeinde.

Arthur und Kornelia Dinemanns einziges Kind, Tochter Fanny, kam am 1. Juni 1932 gehörlos zur Welt.

1933 zog die Familie aus dem Valentinskamp an den nahegelegenen St. Anscharplatz 3. Der Umzug in die Innenstadt Königstraße 49 (heute ein Teil der Poststraße) erfolgte 1934, wo sich Arthur Dinemann in der Wohnung in der zweiten Etage eine Schneiderwerkstatt einrichtete. Am 3. April 1935 wurde Tochter Fanny in der Jerusalem-Gemeinde in der Schäferkampsallee getauft. Als Fanny ins schulpflichtige Alter kam, wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft an der staatlichen Schule in der Bürgerweide nicht mehr aufgenommen. Damit sie eine Ausbildung erhalten konnte, musste sie in ein Internat nach Berlin gegeben werden. Wahrscheinlich besuchte sie die "Israelitische Taubstummenanstalt" in Berlin-Weißensee, die sich 1938 in "Jüdische Gehörlosenschule mit Heim" umbenennen musste.

Arthur Dinemann war im Sommer 1940 noch als selbstständiger Schneider tätig, als er zu einer Geldstrafe von 20 Reichsmark oder wahlweise zu einer zweitägigen Haftstrafe verurteilt wurde. Er hatte versäumt, eine "Judenkennkarte" zu beantragen und auch den zusätzlichen Zwangsnamen "Israel" beim zuständigen Standesamt nicht fristgemäß gemeldet.

Der Kennkartenzwang für Juden war am 23. Juli 1938 eingeführt worden. Die Kennkarte, mit einem großen "J" gestempelt, musste bei Anträgen unaufgefordert vorgelegt oder im Schriftverkehr erwähnt werden. Die Einführung der Zwangsnamen "Israel", bei Frauen "Sara", erfolgte im August 1939.

"Ich habe die Anzeige verspätet aufgenommen, da ich mich nicht als Jude fühle", gab Arthur Dinemann am 18. September 1940 bei seiner polizeilichen Vernehmung zu Protokoll. "Erst durch das Ernährungsamt wurde ich darauf hingewiesen, dass ich eine Kennkarte haben muss. Meine in Berlin lebende Tochter hat bereits eine Kennkarte."

Arthur Dinemann konnte eine Aussetzung des Vollstreckungsbefehls bis zum 23. Oktober 1943 erreichen. Zu diesem Zeitpunkt war vermutlich niemand aus der Familie Dinemann mehr am Leben.

Kornelia und Arthur Dinemann wurden am 8. November 1941 vom Logenhaus an der Moorweide aus ins Getto Minsk deportiert, wo sich ihre Spur verliert.

Ihre Tochter Fanny lebte, nachdem alle jüdischen Schulen in Berlin im April 1942 geschlossen worden waren, im Baruch-Auerbachschen Waisenhaus in der Schönhauser Allee 162. Sie wurde am 19. Oktober 1942 mit den letzten Kindern und ihren Betreuern nach Riga deportiert. Am 22. Oktober 1942 erreichte der Berliner Transport den Bahnhof Skirotava etwa 8km südöstlich von Riga. Fanny Dinemann wurde wahrscheinlich, wie die meisten der 264 Personen dieses Transportes, sofort nach der Ankunft in den Wäldern von Bikernieki ermordet.

Arthurs Bruder Martin Dinemann überlebte den Nationalsozialismus, geschützt durch eine "privilegierte Mischehe".


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 6; 9; StaH 351-11 AfW 28923 (Martin, Dinemann); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht 6354/43; StaH 332-5 Standesämter 2403 u 2193/1896; StaH 332-5 Standesämter 620 u 426/1909; StaH 332-5 Standesämter 8083 u 266/1925; StaH 332-5 Standesämter 3508 u 810/1925; StaH 332-5 Standesämter 7054 u 924/1925; StaH 332-5 Standesämter 1070 u 263/1937; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot21.html (Zugriff 12.8.2014); Jenner: 150 Jahre, S. 72, S. 96, S. 137–139; Iris Groschek, Die Hamburger Gehörlosenschule im "Dritten Reich", unter: http://www.judentum.net/deutschland/taubstummenanstalt.htm (Zugriff 16.4.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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