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Flora Francke * 1862

Colonnaden 40a (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
FLORA FRANCKE
JG. 1862
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Colonnaden 40a:
Edgard Francke

Edgard Wilhelm Francke, geb. am 29.8.1900 in Hannover, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Flora Francke, geb. am 6.10.1862 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Colonnaden 40a

Flora Francke war die Tochter von Eduard/Ephraim Francke und Sara, geb. Dreyer (geb. 28.3.1825). Die Eltern hatten 1851 in Hamburg geheiratet. Ihr Vater, ein angesehener Kaufmann, war als Sohn des Jacob Moses Francke und dessen Ehefrau Friedericka, geb. Schwabe, in Kitzbüttel geboren worden. Er hatte 1858 eine "Kleiderhandlung" an der Ellentorsbrücke 18 und 1860 ein "Kleidermagazien" am Neuen Wall 76 eröffnet. Ihre Mutter Sara stammte aus einer "alten Hamburger Familie". Bereits ihr Großvater Abraham Isaac Dreyer war in Hamburg als Kaufmann tätig gewesen, seine Ehefrau Adelheid war eine geborene Fürst. Flora Francke kam in der elterlichen Wohnung am Neuen Wall 78 zur Welt, später lebte ihre Familie in der ABC-Straße 34. Ihr Bruder Benny/Benno wurde am 20. April 1865 geboren. Er wurde Bankangestellter und wohnte in der Gertrudenstraße 8 in der Hamburger Altstadt.

Eduard Francke starb am 20. November 1893 im Alter von 70 Jahren. Seine Frau Sara am 10. Oktober 1916, im hohen Alter von 91 Jahren. Bis zu ihrem Tod wohnte sie im Haushalt ihrer Tochter Flora und ihrem Enkelsohn Edgard in den Colonnaden.

Floras Sohn Edgard Francke war am 29. August 1900 unehelich in Hannover zur Welt gekommen. Ob sein Vater Siegfried Fürst, ein entfernter Verwandter von Floras Großmutter Adelheid Dreyer, geborene Fürst, war, ist nicht überliefert. Siegfried Fürst soll 1916 "im Felde gefallen" sein.

Auch sein Sohn Edgard nahm am Ersten Weltkrieg teil. Er war erst 17 Jahre alt, als er eingezogen wurde und kehrte 1918 mit dem "Ehrenkreuz" in seine Heimatstadt zurück. Edgard Francke erhielt eine kaufmännische Ausbildung, war dann bis 1926 als Gastwirtsgehilfe tätig. Im Anschluss arbeitete er in verschiedenen Firmen als Bote, bis er 1929 in einer Firma in der Mönkebergstraße 7 wegen Arbeitsmangel entlassen wurde und nur noch aushilfsweise eine Beschäftigung fand.

Währenddessen betrieb seine Mutter Flora in den Colonnaden 40a im Hinterhaus eine Pension, in der sie hauptsächlich Zimmer an Artisten aus dem damals sehr bekannten "Trocadero" Große Bleichen 32 vermietete. Im Zuge der Inflation geriet auch Flora Francke in finanzielle Not. 1928 bat sie vorübergehend um Wohlfahrtsunterstützung und gab später an, keine Verwandten mehr zu haben, die sie unterstützen könnten. Ihr Bruder Benny Francke war am 6. November 1929 an einer Bauchfellentzündung verstorben und auch seine Frau Margaretha Francke, geb. Kaiser (geb. 4.2.1866, gest. 18.6.1927), lebte nicht mehr. Floras Sohn Edgard konnte zum Lebensunterhalt nicht mehr viel beitragen. Seit 1927 litt er unter epileptischen Anfällen und wurde vom Arbeitsamt obwohl er "sehr bestrebt ist Arbeit zu erhalten" nicht mehr vermittelt und erhielt eine sogenannte Krisenunterstützung. Für kurze Zeit arbeitete Edgard als "Fürsorgearbeiter" auf einem Flugplatz und als Erdarbeiter. Im Mai 1937 geriet er ins Visier des "Erbgesundheitsgerichtes", aufgrund des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" wurde Edgard Francke wegen "Erblicher Fallsucht" zwangssterilisiert.

Schon seit geraumer Zeit hatte sich seine Mutter bei der Jüdischen Gemeinde um eine Unterbringung in einer Stifts-Wohnung bemüht. Nachdem ihr untersagt worden war, "arische" Untermieter aufzunehmen, gab sie ihre Wohnung in den Colonnaden auf und zog am 1. Dezember 1938 zusammen mit ihrem Sohn in das Lazarus-Gumpel-Stift in die ehemalige Schlachterstraße 47, Haus 6. Edgard Francke wurde mit der Berufsbezeichnung Handlungsgehilfe auf die Deportationsliste am 8. November 1941 ins Getto Minsk gesetzt. Obwohl Flora Francke in ihrem Alter nach den Richtlinien der Gestapo nicht "in den Osten", sondern für einen Transport ins "Altersgetto" nach Theresienstadt vorgesehen gewesen wäre, musste sie ihrem Sohn zehn Tage später, kurz vor ihrem 79. Geburtstag, folgen. Beide überlebten nicht. (Irrtümlich wurde auf Edgard Franckes Stolperstein der Namen Edgar eingraviert).


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 9; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1174 (Francke, Flora); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1175 (Francke, Edgard); StaH 332-5 Standesämter 349 u 2185/1893; StaH 332-5 Standesämter 3020 u 64/1904; StaH 332-5 Standesämter 749 u 922/1916; StaH 332-5 Standesämter 1004 u 922/1927; StaH 332-5 Standesämter 954 u 393/1929; StaH 352-5 Todesbescheinigung 1929 Sta 2a, 393; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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