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Dr. Hermann Freudenberger * 1875

Grindelhof 30 (TTS) (Eimsbüttel, Rotherbaum)

Flucht in den Tod 23.06.1941

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Hermann Freudenberger, geb. am 29.12.1875 in Heidingsfeld bei Würzburg, Flucht in den Tod am 23.6.1941 in Frankfurt am Main

Grindelhof 30

Hermann Freudenberger wuchs in einer kinderreichen Lehrerfamilie auf. Seine Eltern hießen Jakob und Sara, geborene Bacharach; er hatte zehn Geschwister: Jenny, Markus, Julius (Juda), Aron, Hannah, Felix, Esther, Jette, Sophie und Fanny. Nach dem Besuch des humanistischen Alten Gymnasiums in Würzburg, das er mit dem Abitur abschloss, studierte er deutsche Sprache, Geschichte und Erdkunde in Würzburg und München. 1898 legte er das bayerische Staatsexamen ab und arbeitete anschließend zwei Jahre lang als Lehrer an der Real- und Handelslehranstalt in Neustadt an der Aisch in Mittelfranken. Ab 1900 war er zehn Jahre lang in Hamburg als Oberlehrer an der Talmud Tora Schule tätig, wo er seine Studienfächer Deutsch, Geschichte und Erdkunde unterrichtete. In jener Zeit wurde er zudem an der Universität Rostock zum Dr. phil. promoviert, und zwar im Jahr 1902 mit einer Dissertation zu dem Thema "Hamburgs Streit mit Christian IV. von Dänemark über den Glückstädter Zoll 1630–1645". Sein ehemaliger Schüler, der spätere Journalist und Kinderbuchautor Cheskel Zwi (ehemals Hans) Klötzel, würdigte ihn in seinen Erinnerungen als "ungewöhnlich begabten und anregenden Lehrer".

1910 zog Hermann Freudenberger von Hamburg nach Frankfurt am Main, wo er eine Anstellung am Philanthropin erhalten hatte. Das Philanthropin (Griechisch für "Stätte der Menschlichkeit") war eine Schule der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt und 1804 im ehemaligen, 1796 aufgehobenen jüdischen Getto der Stadt gegründet worden. Als staatlich anerkannte Einrichtung nahm es von Beginn an auch nichtjüdische Schüler auf. Sein Wahlspruch lautete "Für Aufklärung und Humanität" und so gehörten die am Philanthropin tätigen Lehrer auch der liberalen Strömung des Judentums an, dem Reformjudentum. Dieses unterteilte die jüdischen Gebote in ethische und rituelle und vertrat die Auffassung, dass die ethischen Gesetze zeitlos und unveränderlich seien, die rituellen Gesetze hingegen dem jeweiligen Lebensumfeld angepasst werden könnten. Mit bis zu 1000 Schülern war das Frankfurter Philanthropin die größte und am längsten bestehende jüdische Schule in Deutschland.

Wahrscheinlich in Frankfurt lernte Hermann Freudenberger auch seine erste Ehefrau Ida, geborene Heilbronn, kennen. Sie war dort um 1880 zur Welt gekommen. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, bis Ida Freudenberger mit nur etwa 24 Jahren 1914 starb. Im Jahr darauf heiratete Hermann Freudenberger Mirjam Wechsler. Sie war am 13. August 1886 als Tochter des Rabbiners Moshe Pinchas Elchanan (Heinrich) Wechsler und dessen Frau Clara-Grelel, geborene Rosenbaum, in Schwabach/Mittelfranken geboren worden und in Höchberg bei Würzburg aufgewachsen. Ab 1902 hatte sie mit ihrer Mutter in Würzburg gelebt und als Buchhalterin gearbeitet. Hermann und Mirjam Freudenberger lebten gemeinsam in Frankfurt in der Blumenstraße 4 und bekamen ebenfalls zwei Kinder, ein Sohn erhielt den Namen Kurt.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 verschlechterten sich die Bedingungen für das Philanthropin als jüdischer Bildungseinrichtung zunehmend. Am 1. Oktober 1938 entzog das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ihm den Status einer öffentlichen Schule, drei Wochen später wurden in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November etliche seiner Lehrer inhaftiert. Zwei von Hermann Freudenbergers Kollegen starben an den Folgen der Haft. Im April 1939 musste die Jüdische Gemeinde das Schulgebäude für einen geringen Betrag an die Stadt verkaufen. Am 1. April 1941 wurden die höheren jüdischen Schulen im Deutschen Reich geschlossen, am 30. Juni 1942 die Volksschulen. Ab Dezember 1941 wurden Schüler und Lehrer des Philanthropins deportiert und die meisten von ihnen in Konzentrationslagern ermordet. Das erlebte Hermann Freudenberger jedoch nicht mehr. Zusammen mit seiner Frau Mirjam hatte er sich am 23. Juni 1941 in Frankfurt selbst getötet.

In Yad Vashem erinnert ein Gedenkblatt an Hermann Freudenberger.

Stand: Juli 2017
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 8; 9; Landjudentum in Unterfranken/Johanna Stahl Zentrum (Hrsg.): Freudenberger, Hermann; Randt: Die Talmud-Tora-Schule, S. 243f.; Möller: Erinnerung; www.myheritage.de/names/miriam_freudenberger (letzter Aufruf: 1.6.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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