Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Patientenfoto von Theodor Löwensohn vom 3.1.1933
© Staatsarchiv Hamburg

Dr. Naftali (Theodor) Lewensohn * 1886

Sachsentor 38 (Bergedorf, Bergedorf)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Sachsentor 38:
Irma Friedländer

Bertha Lewensohn (Löwensohn), geb. Michelsohn, geb. 27.1.1861 in Bauska (Lettland), am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert
Isestraße 50

Dr. Theodor (Naftali) Lewensohn (Löwensohn), geb. 30.3.1886 in Bergedorf, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Sachsentor 38 (ehemals Sachsenstraße bzw. Großestraße)

Irma Friedländer, geb. Lewensohn (Löwensohn), geb. 13.6.1889 in Bergedorf, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiterdeportiert am 15.5.1942 ins Vernichtungslager Chelmno
Sachsentor 38

Brigitte Friedländer, geb. 30.4.1922 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiterdeportiert am 15.5.1942 ins Vernichtungslager Chelmno
Oderfelderstraße 9

Die Geschwister Naftali (geb. 1886), Irma (geb. 1889) und Grete (geb. 1894) Lewensohn wur­den in Bergedorf bei Hamburg geboren. In dieser Zeit wandelte sich Bergedorf von einer landwirtschaftlich geprägten "Ackerbürgerstadt" zu einem industriereichen Hamburger Vorort, u. a. mit Glasfabrik, Stuhlrohrfabrik, Zuckerfabrik, Emaillierwerk, Eisenwerk, Asbest-Werk. Neben dem Arbeiterviertel gab es einen bürgerlichen Stadtteil mit repräsentativen Wohn­häusern und imposanten Villen. Zu dieser Zeit belief sich die Einwohnerzahl des Städtchens Bergedorf auf rund 5000. Die Adressbücher von 1884 und 1885 weisen keinen Einwohner mit Namen Lewensohn oder Löwensohn aus.

Von 1886 bis 1892 wird ein "L. R. Löwensohn, Manufacturw., Sachsenstr. 12" vermerkt. Da der Name recht selten ist, kann angenommen werden, dass es sich um Robert Lewensohn (1859–1923), den Vater von Theodor (Naftali) und Irma handelt, der also vermutlich Ende 1885 mit seiner Ehefrau Bertha in die Stadt gezogen war. Bertha (Braine) Lewensohn, geb. Michelsohn, war am 27. Januar 1861 in der Stadt Bauska (Lettland) rund 70 km südlich von Riga, geboren worden. Vermutlich 1884/1885 heiratete sie den aus dem 50 km entfernten Jelgava/Mitau stammenden Robert Lewensohn. Beide Orte lagen im Herzogtum Kurland, das seit 1795 zum zaristischen Russland gehörte, in dem aber bis 1914 der deutsch-baltische Adel die lokalen Geschicke lenkte.

Bergedorf besaß zwar eine kommunale Selbstständigkeit, stand aber unter der Aufsicht der Hamburger Landherrenschaften. Dadurch war es möglich, als Bergedorfer Einwohner auch Hamburger Bürger zu werden. Für den 17. Juni 1892 ist im Bürger-Register der Erwerb des Hamburger Bürgerrechts durch Robert Lewensohn verzeichnet, als Beruf wurde "Manufacturwarenhdl." notiert. Voraussetzung für das Bürgerrecht waren nachweisbare, gesicherte Einkünfte über mehrere Jahre. 1894 findet sich im Bergedorfer Adressbuch der Eintrag "R. Löwensohn, Kleiderhandl., Großestr. 38", wobei für 1895 bis 1897 die Adresse Holstenstraße 7 lautet. Auch bei diesen Einträgen dürfte es sich um den Vater gehandelt haben; Bergedorfs Einwohnerzahl war mittlerweile auf rund 9000 angewachsen. In Bergedorf besuchte Theodor Lewensohn das Realgymnasium "Hansaschule" (Wentorferstraße) bis zur Quarta (7. Schuljahr). Um 1900 zog die Familie nach Hamburg, wo Robert Lewensohn, wie schon in Ber­ge­dorf, ein Geschäft betrieb.

Von 1913 bis 1920 ist als Wohnadresse Sonnenau 3 im Stadtteil Eilbek nachweisbar. Spätestens seit 1913 ist auch Robert Lewensohns Mitgliedschaft in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg belegt. Vermutlich von 1920 bis 1922 betrieb er ein "Hausstandsgeschäft" in der Wandsbeker Chaussee 1 (Eilbek). Theodor Lewensohn besuchte das renommierte Wilhelm-Gymnasium im Stadtteil Rotherbaum, wo er Ostern 1905 das Abitur bestand. Er entschied sich für ein Jurastudium und war an den Universitäten Freiburg (Sommersemester 1905), München (Wintersemester 1905/06) und Berlin (ab Sommersemester 1906) eingeschrieben. Nach nicht bestandenem juristischem Referendarexamen absolvierte er 1910/11 seinen einjährigen Militärdienst in Kiel beim Seebataillon und studierte anschließend in Berlin bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs Medizin.

Im Krieg war er erst als Sanitätsgefreiter beim Seebataillon Cuxhaven und nach Ausbildung zum Hautarzt im Marinelazarett als Feldunterarzt eingesetzt. Ab 1917, nach seiner Approbation als Feldhilfsarzt, tat er Dienst an der flandrischen Küste beim I. Marineregiment. Die jüngste Schwester Grete meldete im Januar 1916 in Eilbek in der elterlichen Wohnung (Lübeckerstraße 78) ein Gewerbe als "Händlerin mit Haus- u. Küchengerätschaften, Glas- u. Porzellanwaren" an.

Nach dem Krieg promovierte Theodor Lewensohn an der Universität Rostock. 1919 wurde seine 49-seitige Dissertation "Ein Fall von Tic impulsif nach Fallschirmabsprung eines Ballonbeobachters, als Beitrag zur Frage der Kriegsneurosen" veröffentlicht. Der Erste Weltkrieg als bis dahin ungekannter Material- und Stellungskrieg, hatte durch neue Kriegstechniken, wie u. a. die Luftaufklärung durch bemannte Ballons und Fallschirmabsprünge, ein Heer von traumatisierten Soldaten hinterlassen. Dass sich Theodor Lewensohn mit der medizinischen Analyse von Kriegsschäden und Traumata von Soldaten nicht auf der Seite patriotischer Kriegsverherrlicher befand, darf unterstellt werden.

Vermutlich erarbeitete er seine Abhandlung zu Kriegsneurosen in der "Nerven-Poliklinik des Allgemeinen Krankenhauses St.Georg/Hamburg" beim Oberarzt Prof. Dr. Alfred Saenger. Seit dieser Zeit dürften gute Kontakte zu Ärzten dieses Krankenhauses bestanden haben, die in den folgenden zehn Jahren immer wieder eine Rolle im Leben von Theodor Lewensohn spielen sollten. Trotz seiner Beschäftigung mit Kriegsneurosen in der Dissertation spezialisierte er sich nicht weiter auf das Fachgebiet Neurologie oder Psychologie. Ab 1919 war Theodor Lewensohn als "Spezialarzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten" im Hamburger Fernsprechbuch mit eigener Praxis in Eilbek vermerkt. Anfänglich noch im gleichen Haus wie das väterliche Geschäft in der Wandsbeker Chaussee 1 angesiedelt (1919–1920), wurden die Praxisräume zum Gänsemarkt 43 in die Neustadt verlegt (1921), um dann noch einmal zur Reeperbahn 159 nach St. Pauli (1922–1926) umzuziehen.

Der unverheiratete Theodor Lewensohn wohnte weiterhin bei seinen Eltern in Hamburg. Im August 1923 starb der Vater in der Wohnung Isestraße 50. Zwei Jahre später trat der mittlerweile 39-jährige Theodor Lewensohn in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg ein. Ungefähr zu dieser Zeit muss auch seine eigene Erkrankung begonnen haben.

In der später von der Staatskrankenanstalt Langenhorn geführten "Ärztlichen Akte" wurde der Beginn der Krankheit von Theodor Lewensohn wie folgt geschildert: "Ende 1925 ließen seine Nerven nach, er wurde desorientiert, konnte z. B. nicht den Hafenarzt finden, hatte sich dann verlaufen." Von 1926 bis 1928 hielt er sich für insgesamt rund 12 Monate zu freiwilligen Kuren in der "Irrenanstalt Friedrichsberg" auf (Malaria-Kur, Wismut-Salvarsan-Kur). Die Behandlung mit Impfmalaria und der Arsenverbindung Salvarsan deutet auf eine Erkrankung an Syphilis hin.

Ab Juni 1928 war er "durch Vermittlung von Dr. Majerus (…) im Krankenhaus St. Georg im Laboratorium als Volontärarzt beschäftigt". Der Nervenarzt Karl Majerus hatte u. a. 1920 bis 1939 in der Wandsbeker Chaussee 1 eine Praxis, wahrscheinlich kannte er Theodor Lewensohn also schon länger als Kollege. Ende 1929 wurde Theodor Lewensohn entlassen, da seine Stelle abgebaut werden musste. Bis 1933 wohnte er bei seiner Mutter Bertha Lewensohn, geb. Michelsohn, in Bergedorf in der Meldorferstraße 15, Hochparterre.

Am 3. Januar 1933 wurde er in die Anstalt Langenhorn eingewiesen und zehn Tage später auf die Pflegestation verlegt. In seiner Patientenakte wurde seine Krankheit als "progressive Paralyse mit sehr mangelhafter Remission" bezeichnet, eine damals geläufige Bezeichnung für die Folgen einer fortgeschrittenen Syphilis. Mit der Einsetzung des NS-Senats in Hamburg am 8. März 1933 wurde auch in der Staatskrankenhausanstalt Langenhorn die nationalsozialistische Ideologie zur verbindlichen Grundlage. Zur Einleitung "erbhygienischer Maßnahmen" wurden spezielle Karteikarten entworfen, um das geplante Auswahlsystem für die NS-Volksgemeinschaft effektiv und in großem Umfang durchführen zu können.

Bewusst wurde die Versorgung der psychisch kranken Patienten verschlechtert und die Aufnahmekapazität erhöht, was zu einer steigenden Sterblichkeitsrate führte. Im Mai 1937 lautete die Diagnose für Theodor Lewensohn "unverändert euphorisch dement". Da die strikte gesellschaftliche Trennung von "arischen" und "jüdischen" Personen nun auch auf die psychisch Kranken ausgedehnt wurde, war Theodor Lewensohns Aufenthalt in der Anstalt Langenhorn nicht länger gestattet. Im September 1940 wurde er in der Israelitischen Gemeindeschule in Hamburg-Altona (Grünestraße 5) einquartiert, die als "Judenhaus" in die organisatorischen Vorbereitungen der Deportationen einbezogen war. Es ging hier also schon nicht mehr um die Unterbringung eines geistig Kranken, sondern bereits um eine weitergehende Ausgrenzung mit dem Ziel der Zwangsdeportation aus dem Deutschen Reich.

Aus dem "Judenhaus" wurde er am 8. November 1941 zum Sammelplatz des Depor­tationszuges gebracht, der ins Getto Minsk fuhr. Um Platz für die deportierten Juden aus dem Deutschen Reich zu schaffen, hatte die SS am 7. November 1941 in Minsk rund 12000 Gettoinsassen ermordet. Als der Transport aus Hamburg am 10. November 1941 in Minsk eintraf, fanden die neuen Insassen in den zugewiesenen Häusern noch die Leichen der erschossenen weißrussischen Juden vor. Für die Neuankömmlinge ein Schock, hatten sie doch geglaubt, sie würden zur "Kolonisierung" im Osten eingesetzt. Hunger und Krankheiten führten im Getto zu einer hohen Sterblichkeitsrate. Die letzten Hamburger Juden des Transports vom 8. November 1941 wurden am 8. Mai 1943 ermordet. Unter welchen Umständen Theodor Lewensohn dort starb, ist nicht bekannt.

Die Schreibweise seines Namens variierte, erst wurde der Familienname Lewisohn (Gymnasium), dann Lewensohn (Studentenverzeichnisse Freiburg und München sowie Kultussteuerkarte) und zuletzt Löwensohn (Patientenakte) geschrieben. Auch der Vorname wurde von Naftali (Gymnasium, Studentenverzeichnisse Freiburg und München) in Theodor (Kultussteuerkarte u. Patientenakte) geändert. Vor 1923 soll es laut Vermerk auf der Sterbeurkunde des Vaters eine Änderung des Namens bei Naftali/Theodor Lewensohn gegeben haben, die aber in den Unterlagen der Standesämter Hamburg nicht ermittelt werden konnte. Ob Theodor Lewensohn seinen Namen während seiner Studienzeit änderte oder lediglich eine sprachliche Namensänderung ihren Niederschlag in den Dokumenten fand, konnte nicht geklärt werden.

Theodors Schwester Irma Lewensohn heiratete Weihnachten 1912 den Hamburger Rechtsanwalt Dr. Herbert Friedländer (1884–1942), der seit 1911 eine Kanzlei in der Hansestadt betrieb. Ab 1918 wohnte die mittlerweile vierköpfige Familie in der Oderfelderstraße 9 im gut situierten Stadtteil Harvestehude. 1928/29 zog sie in derselben Straße in die Haus­num­mer 17. Ab Ende der 1920er Jahre wechselten die Wohn- und Kanzleiorte häufig, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme alle ein bis zwei Jahre: Winterhuder Marktplatz 2 (1933), Haynstraße 21 (1935–1936), Loogestieg 10 (1937–1938) und Haynstraße 7 (August 1938–1940). Für die Kanzlei sind zwischen 1929 und 1938 sechs Adressen in der Hamburger Innenstadt nachweisbar.

1935 trat Herbert Friedländer in die Jüdische Gemeinde ein. Im Sommer 1938 löste er seine Kanzlei auf. Bereits im April 1938 hatte er sich um die Ausreise bemüht und einen Reisepass beantragt. Daraufhin lud ihn die Devisenstelle am 27. April 1938 zu einer Anhörung vor, bei der Herbert Friedländer nach offizieller Darstellung zu Protokoll gab, er sehe derzeit keine Möglichkeit für eine Auswanderung, da es keine Aussicht auf eine Existenzgründung im Ausland gebe. Ob es sich bei dieser Formulierung um eine verklausulierte Ablehnung der Behörde handelte, ist nur zu vermuten. Vermutlich im Oktober 1939 bemühte er sich erneut um einen Reisepass.

Die Devisenstelle Abteilung R 4 analysierte nüchtern mögliche wirtschaftliche Nachteile für das Deutsche Reich: "Dr. jur Herbert Friedländer, bis Sommer 1938 Rechtsanwalt, will zu einer Informationsreise nach Columbien einen Paß haben. Angeblich will er wiederkommen, sobald er dort seine Einwanderung und Nie­derlassung in die Wege geleitet hat. Friedländer ist stark verschuldet. Es ist also nicht glaubhaft, daß er die Fahrt zweimal bezahlen kann. Deshalb bitte Antrag auf jeden Fall an F/Ausw. abgeben. Auch alle anderen Angaben des Friedländer sind mit (…) Vorsicht zu genießen." Dennoch bekam er einen Reisepass und konnte im April 1940 von Hamburg nach Genua und von dort weiter nach New York emigrieren.

Bereits im Februar 1939 war sein Sohn Harald Friedländer (geb. 1917) nach England ausgereist. Harald Friedländer nahm einen ähnlich klingenden englischen Namen an, möglicherweise wegen der Teilnahme am Krieg, und verzog später nach Kanada. Die ältere Tochter Ingeborg Friedländer (geb. 1915), gelernte Sozialfürsorgerin, emigrierte schon 1933 nach Brasilien und lebte ab 1940 in den USA.

Mit ihrer jüngeren Tochter Brigitte wohnte Irma Friedländer weiterhin in der Haynstraße 7 in Eppendorf, einem so genannten Judenhaus. Die systematische finanzielle Ausplünderung der Familie, nach außen verharmlosend als "Judenvermögensabgabe", "Reichsfluchtsteuer" und "Konsulentenabgabe" (für jüdische Rechtsanwälte) deklariert, degradierte die Familienmitglieder zu Bittstellern gegenüber Staat und Verwandten. Die dringend benötigten Gelder für eine Schiffspassage nach Amerika und der für eine Aufenthaltsgenehmigung erforderliche Nachweis von Eigenkapital waren im Deutschen Reich für Irma und Brigitte Friedländer nicht mehr aufzutreiben.

Auf Irma Friedländers Kultus­steuerkartei wurde 1941 handschriftlich vermerkt: "Kein Einkommen. Kein Vermögen, lebt in (…)gemeinschaft gegen freie Wohnung u. Verpflegung." Bis Sommer 1941 schrieben sich Irma Friedländer und ihre in den USA lebende Tochter wöchentlich Briefe. Zuletzt kündigte die Mutter auf einer Postkarte an ihren emigrierten Ehemann ihre bevorstehende Deportation an.

Am 25. Oktober 1941 wurde sie mit ihrer Tochter mit dem ersten Deportationszug, der Hamburg verließ, ins Getto Lodz deportiert und dort in einem Zimmer in der Hohensteiner Straße 43/45 einquartiert. Die 19-jährige Brigitte Friedländer wurde in der Garten- und Feldarbeit eingesetzt; ob ihre 52-jährige Mutter eine Arbeitsstelle im Getto hatte, ist fraglich. Die Wohnungseinrichtung in Hamburg wurde vom NS-Staat beschlagnahmt und versteigert. Über das Amerikanische Rote Kreuz versuchte Ingeborg Friedländer, Nachforschungen über den Verbleib ihrer Mutter anzustellen. Auf diese Weise konnte lediglich ermittelt werden, dass Irma und Brigitte Friedländer in den Osten deportiert worden waren.

Am 2. Mai 1942 stellte Brigitte Friedländer im Getto Lodz einen Antrag auf Zurückstellung von der bevorstehenden weiteren "Aussiedlung" für sich und ihre Mutter; Voraussetzung für einen Verbleib im Getto war der Nachweis einer Arbeit. Der Antrag wurde abgelehnt; am 15. Mai 1942 wurden beide in das rund 70 km von Lodz entfernte Vernichtungslager Chelmno weiterdeportiert. Das genaue Todesdatum von Irma und Brigitte Friedländer ist nicht bekannt. Vom Amtsgericht wurden sie später "für tot erklärt auf das Ende des Jahres 1945". Für Brigitte Friedländer ist die Verlegung eines Stolpersteins in der Oderfelderstraße 9 vorgesehen, wo sie die ersten sieben Lebensjahre verbrachte.

Die aufgezwungene Emigration in die USA, während Frau und eine Tochter in Deutschland bleiben mussten, hatte Herbert Friedländer psychisch sehr mitgenommen. Nach der Mitteilung der Nachricht über die Deportationen seiner Frau und jüngsten Tochter erlitt er einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 19. Mai 1942 in Boston starb.

Im Sommer 1939 zog die verwitwete Bertha Lewensohn, die Mutter von Theodor, Irma und Grete, aus ihrer Wohnung Isestraße 50 (Harvestehude) nach Eppendorf in die Haynstraße 5. Dort lebte sie bei Kurt van der Walde zur Untermiete (Kurt van der Walde wird in der Biographie von Rudolf Samson unter www.stolpersteine-hamburg.de erwähnt). Auch dieses Haus wurde später zum "Judenhaus". Im Nebenhaus wohnte die Tochter Irma Friedländer mit ihrem Ehemann und den beiden Töchtern. Der NS-Staat quartierte Bertha Lewensohn vermutlich bereits im Herbst 1939 in das Jüdische Altersheim in der Sedanstraße 23 (Rotherbaum) um. Zwei Jahre später wurde es als "Judenhaus" in die Deportations-Logistik einbezogen. Von dort wurde sie am 15. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt und am 21. September 1942 mit dem Transport Bp als Nr. 1497 weiter ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet.

Grete Lewensohn (geb. 31.12.1894) heiratete den Berliner Privatdozenten und Mediziner Dr. Hans Walter Kleinmann (1895–1950). Mit ihm emigrierte sie nach Chile, von wo sie 1954 nach Hamburg zurückkehrte.

© Björn Eggert

Quellen:1; 4; 5; StaH 241-2, P 1777; StaH 332-5, 8073 u. 447/1923; StaH 314-15 (OFP), R 1940/492 u. FVg 7995; StaH 351-11, 7807 (ehemals Eg 191284); StaH 351-11 Eg 130689; StaH 351-11, 719; StaH 352-8/7, 1995 Abl. 2, Nr. 19891; StaH 376-2 K 3853; StaH, Bürger-Register 1876–1896, L-Z, Nr. 1973; Stadtarchiv Freiburg/Breisgau, Einwohnermeldeunterlagen (1905); Stadtarchiv München, Meldebogen (1905/06); USHMM (Museum Lodz), RG 15.083, 1275; AB, Anhang Landesherrenschaft Bergedorf 1886–1897; AB 1899, 1900, 1910, 1922; TB 1918–1938; Peter von Rönn u. a., Wege in den Tod – Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945, Hamburg 2006, S. 62–64 u. 134–137; Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg – Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 129; Wilhelm-Gymnasium 1881–1956, S. 116; Terezin Shoa victims Data Base, Auskunft Anna Hajkova v. 3.9.2011.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

druckansicht  / Seitenanfang