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Willy Schäfer * 1905

Grindelallee 9 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
WILLY SCHÄFER
JG. 1905
MEHRMALS VERHAFTET
1941 KZ FUHLSBÜTTEL
NEUENGAMME
TOT 3.5.1945

Willy Heinrich Schäfer, geb. am 19.12.1905 Traar bei Krefeld, gestorben vermutlich am 3.5.1945 beim Untergang der "Cap Arcona"

Grindelallee 9

Willy Schäfer kam 1905 in dem 1929 nach Krefeld eingemeindeten Stadtteil Traar als Sohn des Heizers Johann Schäfer und Elisabeth, geb. Heinen, zur Welt. Er hatte eine jüngere sowie eine ältere Schwester. Bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule, fehlte aber oft wegen zahlreicher Krankheiten. Danach sollte er das Schmiedehandwerk erlernen, gab diesen Lehrberuf jedoch nach neun Monaten auf, weil er angeblich zu klein und schwach war.

Als er daraufhin, als Laufbursche beschäftigt, Lohngeld unterschlug, wurde er 1921 zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt und kam für vier Jahre in eine Erziehungsanstalt nach Dormagen bei Düsseldorf, wo er Beschäftigung in einer Gärtnerei fand. Eine entsprechende Lehre konnte er erneut aus gesundheitlichen Gründen nicht abschließen.

Nachdem er 1925 aus einer vermittelten Arbeitsstelle bei einem Bauern davonlief und arbeitslos zu seinen Eltern zurückkehrte, kam es zum langjährigen Bruch mit diesen, die Willy Schäfer noch 1941 zu der Feststellung veranlasste: "Die Eltern kümmern sich nicht um mich; der Vater kann mich nicht leiden und hat mich verstoßen." Seinerzeit arbeitete er zunächst als Krankenpfleger in einem Kloster bei Köln, wo er selbst erkrankte und am Magen operiert wurde. Später ging er dann auf Wanderschaft u. a. nach Augsburg, Nürnberg und Frankfurt am Main. In dieser Zeit wurde er zu kleineren Haftstrafen wegen Landstreicherei und Bettelns verurteilt; erstmals auch bei einem Besuch in der alten Heimat wegen seiner homosexuellen Veranlagung: 1935 erfolgte eine Verurteilung zu einer zweimonatigen Haft in Köln wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" (§183), nachdem er sich unter Alkoholeinfluss exhibitionierte. Eine zweite Strafe nach diesem Paragrafen in Frankfurt am Main lautete bereits auf sechs Monate, anschließend war er dort auf Wohlfahrtsleistungen angewiesen.

Nun wurde er zu Arbeitsstellen als Gärtner und Landhelfer im Raum Kassel und Hannover vermittelt und kam Ende 1938 mit seinem Liebhaber Erich Kleewin nach Hamburg. Die beiden wohnten im Logierhaus Winzer in der Peterstraße 33, flogen dort aber auf.

Vom 9. bis 12. Dezember 1938 kam Willy Schäfer deshalb nach einer polizeilichen Verhaftung ins KZ Fuhlsbüttel in "Schutzhaft" und wurde anschließend in die "reguläre" Untersuchungshaft überführt. Zeitgleich mit der Verurteilung zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe Ende Februar 1939 wegen "widernatürlicher Unzucht" nach §175 kam er frei, weil die bis dahin angefallenen Haftzeiten angerechnet wurden. Danach fand er in der Nähe der Arbeitsstelle seines Freundes in Neuengamme eine Beschäftigung. Die Freiheit währte jedoch nicht lange, denn bereits Ende Juni wurde er erneut wegen seiner Homosexualität verhaftet und Mitte September 1939 zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er im Gebäude des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis bis zum 30. März 1940 verbüßte. Danach wurde er der Polizeibehörde überstellt, kam aber wieder in Freiheit.

Das Arbeitsamt vermittelte ihn zu einer schlecht bezahlten Gartenarbeit in Winterhude, er wechselte zur Firma Tretorn, Gummi- und Asbestwerke AG in Barmbek, wo er mit 35 Reichsmark einen höheren Wochenlohn erhielt. In dieser Zeit nahm er sich weiterhin Männer, die er auch an seiner Arbeitsstelle kennenlernte, mit auf seine Zimmer, die er zur Untermiete zunächst in der Neustadt am Kuhberg 5 und zuletzt in Rotherbaum in der Grindelallee 9 im ersten Stock bewohnte.

Zum Verhängnis wurde Willy Schäfer ein 1940 auf der Reeperbahn stattgefundenes Zusammentreffen mit dem Strichjungen Paul Kühnapfel (geb. 1915), der durch seine Aussagen viele Homosexuelle in den Abgrund riss, nachdem er sie anhand von Lichtbildsammlungen bei der Kripo identifizierte. So auch in diesem Fall: Im Mai 1941 lieferte er Willy Schäfer, mit dem er seinerzeit gegen Essen und Logis eine Nacht verbracht hatte, durch eine Aussage der Polizei aus. (Zudem forderte Paul Kühnapfel bei späteren Zusammentreffen mit Willy Schäfer mehrmals Geldbeträge.)

Nachdem Willy Schäfer einer Vorladung des für "homosexuelle Delikte" zuständigen 24. Kriminalkommissariats am 14. Mai 1941 Folge leistete, wurde er nach ersten Verhören bis zum 24. Mai erneut im KZ Fuhlsbüttel in "Schutzhaft" genommen. Er legte daraufhin umfangreiche Geständnisse über seine homosexuellen Erlebnisse ab, versuchte aber möglichst keine Namen zu nennen oder gab später an, sich bei bereits erwähnten Personen geirrt zu haben und diese aus nicht sexuellen Zusammenhängen zu kennen. Er kam in Untersuchungshaft und wurde im September 1941 nach gutachterlichen Stellungnahmen der Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege und des Gerichts-Medizinalrats Schwarke – letzterer empfahl trotz einer ungünstigen Prognose zunächst nur eine empfindliche Freiheitsstrafe und weder eine "freiwillige Entmannung" noch "Sicherungsmaßnahmen" – vom Hamburger Amtsgericht nach Paragraph 175 zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Die Haft verbüßte er ab Oktober 1941 bis zum 15. Mai 1943 im Strafgefängnis Wolfenbüttel. Zum Ende der Haft sollte die "Staatliche Kriminalpolizei, Kriminalpolizeileitstelle Hamburg" entscheiden, ob nach der Entlassung Willy Schäfers "vorbeugende Maßnahmen" zu treffen seien. In Wolfenbüttel glaubte man, dass seine Homosexualität "ganz offenbar … bei ihm tief verwurzelt" sei. Obwohl er sich während des Strafvollzugs einwandfrei führte, "willig und zuvorkommend" war und gute Arbeitsleistungen erbrachte, ordnete die Kripo in Hamburg eine als willkürliche Nebenjustiz zu bezeichnende "polizeiliche Vorbeugungshaft" an. Deshalb entließ man Willy Schäfer statt in Freiheit ins berüchtigte innerstädtische Polizeigefängnis Hütten in der gleichnamigen Straße mit der Hausnummer 40, das in vielen vergleichbaren Fällen als Zwischenstation auf dem Weg in ein Konzentrationslager diente. So auch im Falle Willy Schäfers, der, versehen mit der Häftlingsnummer 22315, ab 3. Juli 1943 im KZ Neuengamme einsaß. Dort überlebte er die schweren Haftbedingungen bis mindestens zum Herbst 1944, wie sein namentlicher Nachweis auf der zentralen Häftlingskartei des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes beweist.

Nach dem Krieg wurden ihm gehörende Gegenstände (Effekten) aus dem KZ Neuengamme aufgefunden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er zu den Häftlingen gehörte, die auf die Schiffe Cap Arcona bzw. Thielbeck getrieben wurden und in der Neustädter Bucht beim Bombardement durch britische Flugzeuge am 3. Mai 1945 um ihr Leben gebracht wurden. Willy Schäfer wäre zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt gewesen.

Paul Kühnapfel, der Strichjunge, der ihn an die Polizei ausgeliefert hatte, wurde trotz seiner umfang- und "erfolgreichen" Aussagen gegenüber der Polizei später selbst inhaftiert. Nach Aufenthalten in den Emslandlagern und dem KZ Neuengamme kam er zuletzt ins KZ Bergen-Belsen, wo er jedoch im Gegensatz zu Willy Schäfer den NS-Terror überlebte und 1945 befreit wurde.

Stand: Juli 2017
© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 c; 213-11, Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 3481/43; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, 25291 (= 741-4 Fotoarchiv, A 261) und Ablieferung 1998/1;331-1 II Polizeibehörde II, Ablieferung 15 Band 1; Dank an Dr. Reimer Möller, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, für Auskünfte aus den dort geführte Datenbanken und den Hinweis auf das Bundesarchiv Berlin, NS 3/1755, Hollerith-Vorkarteikarte des SS-Wirtschafts-Verwaltungs-Hauptamtes Amtsgruppe D, sowie an Rainer Hoffschildt, Hannover, für ergänzende biographische Hinweise, u. a. aus einer Gefangenen-Personalakte des Niedersächsischen Landesarchivs, Standort Wolfenbüttel, 43 A Neu 4 Jg. 1941 Nr. 554; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung, S. 252–253.

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